Eisblumen. Karl Eitljörg-Scholz

Eisblumen - Karl Eitljörg-Scholz


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und Eifersucht. Kapitän Bligh hat alle Hände voll zu tun, um mithilfe des König Teina alles im Griff zu haben. Trotzdem nimmt er seinen zweiten Offizier Fletcher Christian immer mehr in die Mangel und Verantwortung. Rügt ihn öffentlich in seinem unbeherrschten Jähzorn und drängt die Mannschaft immer heftiger auf baldmöglichste Abreise.

      Randvoll ist sie, die Bounty, mit Brotfruchtsetzlingen und Kokosnüssen, als Abschiedsgeschenk Teinas, als es dann endlich so weit ist. Rührende Abschiedsszenen der Mannschaft von ihren Geliebten, wobei einige sogar in den Busch fliehen, um auf der Insel zu bleiben. Bligh lässt sie mithilfe der Eingeborenen wieder einfangen und in Ketten legen.

      Dann geht es schnell, als an einem herrlichen Tropenmorgen, den 5. April 1790, die Bounty die Segel setzt und aus der Lagune gleitet.

      Es ist ein bewegter Abschied. König Teina und seiner Frau Iddia rollen dicke Tränen über die Wangen. Die Mannschaft steht geschlossen an der Reling und winkt ihren zurückgebliebenen, geliebten Südseemädchen und Freunden, die ihnen so unvergesslich ans Herz gewachsen sind.

      Eine milde Morgenbrise wiegt die Palmenwipfel, die das Letzte sind, was von „Otaheite“ (Tahiti), durch die tränenden Augen der Männer noch zu sehen ist. Aber auch die Insulaner blicken der Bounty wehmütig nach, bis sich ihre weißen Segel im Morgendunst des weiten Pazifik verlieren.

      „Ia orana“, rufen sie ihnen nach. „Lasst euch lange leben!“.

      Jedoch die Bounty hörte ihren Ruf nicht mehr … und auch der Himmel nicht …

      Auf dem spiegelglatten Pazifik unter sengender Südseesonne, nimmt die Bounty Kurs auf die Freundschaftsinseln Torfu und Tongapatu.

      Es ist nicht die übliche Athmosphäre an Bord eines Dreimasters von Kommandos, Befehlsstimmen und das stete „Aye, aye, Sir“.

      Ruhig, einem Geisterschiff ähnlich, segelt die Bounty im grenzenlosen, pazifischen Ozean. Die Stimmung ist spürbar gereizt.

      Das Paradies liegt hinter ihnen, das kalte England vor ihnen. Die Männer hängen mit ihren Gedanken dem enteilten Paradies nach. Nur das Nötigste wird besprochen, die See ist ruhig, der Kurs klar.

      Kapitän Bligh jedoch, sucht den Disput, die Konfrontation wegen jeder Kleinigkeit. Was ist nur in ihn gefahren, fragt sich die Mannschaft. Rügt laufend Christian Fletcher, macht ihm Vorhalte wegen lächerlichen Vorkommnissen.

      Als er eines Tages einige Männer wegen angeblichen Disziplinvergehen auspeitschen lässt, wird es Fletcher zu viel und er stellt Bligh zur Rede.

      „Sir, die Männer tun ihr Bestes und außerdem unterstehen sie auch meiner Person, ich dulde Ihr Verhalten der gesamten Mannschaft gegenüber keineswegs.

      Wir haben alle Verständnis, Sir, für Ihre ungemein große Verantwortung, diese Mission mit der gesamten Mannschaft zusammen, für die englische Krone zu einem erfolgreichen Ende zu bringen.

      Gehen Sie in sich, Sir, und ändern Sie Ihr Verhalten, ansonsten bin ich nicht mehr bereit, Ihr erster Offizier zu sein, Sir. Und wenn sie mich in Ketten legen, Sir!“ Es kam, wie es kommen musste.

      Der angeborene Jähzorn Blighs war voll entflammt und nicht mehr zu bremsen. Ständig maßregelt er die Mannschaft und sät Hass und Zwietracht.

      Tags darauf lässt er seinen Offizier Christian Fletcher vor angetretener Mannschaft auf die Brücke holen. Sein persönlicher Kokosnussvorrat sei merklich geschrumpft, wahrscheinlich geraubt worden. Seiner Vermutung nach, könnte dies nur Fletcher gewesen sein. Da nur er Zugang hätte. Er werde dieser Vermutung mit aller Konsequenz nachgehen und untersuchen.

      Abtreten!

      Die Mannschaft schäumte. Für sie war Fletcher ein Edelmann. Bligh war eindeutig zu weit gegangen.

      Die Tragödie nimmt ihren Lauf. Es ist der 27. April, als fahles Dämmerlicht in die Kajüte des Kapitän Bligh fällt. Die See ist ruhig und plötzlich reißt ihn ein heftiger Druck aus dem Schlaf.

      Es sind die Hände von Christian Fletcher und seinen Helfern. Am Abend schon wurde generalstabsmäßig diese Meuterei unter dem Großteil der Besatzung abgesprochen, die für die Übernahme der Bounty durch Fletcher war.

      Die Waffenkammer wurde problemlos übernommen und die beteiligten Männer bewaffnet. Kapitän Bligh, die Hände auf den Rücken gebunden, eine Barkasse von nur sieben Metern Länge und zwei Metern Breite zu Wasser gelassen und mit achtzehn Männern, die sich Bligh freiwillig anschließen möchten, gefüllt.

      Dazu Proviant, Schiffszwieback, Rum, ein Fass Trinkwasser für fünf Tage sowie ein Kompass. Seekarten und Sextant blieben auf der Bounty.

      Unter wüsten Flüchen und Drohungen von Bligh wird das Seil gekappt und das überfüllte Boot seinem Schicksal überlassen.

      Für Bligh und seine Mannschaft gab man keinen Pfifferling mehr. Als die Morgensonne den wallenden Dunst über den Ozean durchbricht und ihre ersten Strahlen auf die ruhige See legt, als wäre nichts gewesen, ist eine der spektakulärsten Meutereien der Seefahrt, die wie keine andere die Fantasie der Menschheit anregte, Geschichte.

      Es war ein unglaubliches Meisterstück der Seefahrt, ein nur 7 Meter langes, überladenes Boot, 3.618 Meilen bis zur Insel Timor im Indischen Ozean zu steuern. Bligh machte das Unmögliche möglich und setzte seine verwilderte und halb verhungerte Crew nach 48 Tagen unter unmenschlichen Strapazen und Qualen in Kupang an Land.

      Kein Hahn krähte mehr nach den Brotfruchtsetzlingen. Die Botschaft der Südseemeuterei rast wie ein Lauffeuer durch Europa. Tahiti war mit einem Schlag das Maß aller Dinge, der Inbegriff vom Paradies auf Erden.

      Die Bounty segelte einstweilen mit lärmendem Gelage an Deck und grölenden Triumphrufen unter ihrem neuen Kapitän Christian Fletcher gegen Osten.

      Auf nach „Otaheite“, wir kommen Tahiti, Tahiti wir kommen heim!“ Die Heimkehr gestaltet sich zu einem großen Fest. Man fällt sich in die Arme, singt, tanzt und trinkt nach Herzenslust. Ein neues Lebensgefühl in ihrem Paradies war erwacht.

      War es noch ein Paradies? An einer Palme, abseits dieser paradiesischen Euphorie, lehnt Fletcher mit kummervollem Blick hinaus auf die ruhig plätschernde Lagune.

      Wohin soll ich sie führen, meine Schafe? Mein Gott, sie begreifen die neue Situation noch nicht. Ihm war klar, dass die englische Admiralität diese Schlappe der Meuterei nicht auf sich sitzen lassen kann und alles unternehmen wird, die Meuterer aufzuspüren. Und dies zu allererst auf Tahiti.

      Sein Plan steht fest und die einzige Möglichkeit, sich der drohenden Festnahme zu entziehen. Eine Fluchtinsel muss gefunden werden.

      Nach einigen Tagen wilder Diskussionen, Beratungen, negativen Prophezeiungen, ist man endlich bereit, die gefahrenvolle Irrfahrt hinaus auf den endlosen Pazifik zu wagen.

      Sechzehn Meuterer machten die Reise nicht mehr mit. Sie haben von den Irrfahrten genug und bleiben auf Tahiti.

      Am Tag der Abreise, an dem die Bounty ein letztes Mal ihr Paradies auf Tahiti verlassen wird, ging die Sonne blutrot auf. Das bedeutet nichts Gutes und so drängt Fletcher zur Eile.

      Heimlich holt er sich noch einen jungen Zurückbleibenden, dem er stets vertraute, hinter einen dichten Tiare-Strauch.

      „Eine Bitte, mein lieber Freund, musst Du mir noch erfüllen, falls das Glück dir hold ist und du Old England nochmals sehen wirst. Deine Unschuld wird sich herausstellen und du kannst mit Milde rechnen.

      Lass diesen Brief meinen Angehörigen zukommen. Sie werden mich dann verstehen. Gott mit dir!“ Es war eine Notiz von Bligh, die er zufällig in seinem Logbuch entdeckte:

       „Dieser Ort ist gewiss das Paradies auf Erden. Und könnte das Glück aus der Lage und den Annehmlichkeiten entspringen, dann findet man es hier in höchster Vollendung.

       Ich habe viele Gegenden auf der Welt gesehen, doch Otaheite (Tahiti) ist allen vorzuziehen.“

      Der Schiffsjunge verspricht mit Tränen in den Augen sein Bestes, umarmt Fletcher und rennt heulend in den Busch.


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