Hämmerle. Jochen Rinner

Hämmerle - Jochen Rinner


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      Jochen Rinner

       Hämmerle

      Jochen Rinner

       Hämmerle

      (Kriminal)Roman

      © 2020 Jochen Rinner

      Verlag & Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg

      ISBN

      Paperback: 978-3-347-06900-8

      Hardcover: 978-3-347-06901-5

      e-Book: 978-3-347-06902-2

      Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

      Hier stehen zuweilen die Namen dem Autor nahestehender Menschen, für die er sein Buch schrieb. Auch ich habe mir liebe, nahestehende Menschen, mit denen ich mein Leben teile. Aber ich will ihre Namen an diese Stelle nicht schreiben. Selbst meinen Lieben will ich die Freiheit lassen, dieses Buch nach den ersten Zeilen wieder wegzulegen.

      Trotzdem muss ich gestehen: Oft wandern mein Kopf und mein Herz beim Schreiben zu meiner Mutter, dem Menschen, der sich zur Verfügung stellte, mir einen Leib werden zu lassen, und der nach den unglaublichen Schmerzen des Gebärens sein Kind glücklich und voller Hingabe in den Armen hielt. Diese Hingabe hörte nie auf, angefangen bei den Windeln – stellen Sie sich diesen Berg Windeln vor, bis das Kind endlich trocken ist. Und dann auch noch die Zeit, bis es trocken hinter den Ohren ist. Ist das jemals eingetreten? Oh, wie muss sie gelitten haben bei all den Kapriolen meinerseits.

      Und jetzt sieht sie mir über die Schulter. Ja, eigentlich kann sie es nicht mehr, diese Worte schwarz auf weiß lesen und auch noch in dieser einen Sprache, einer von vielen Hundert auf dieser Erde. Doch in manchen Augenblicken fühle ich: Sie tut es. Wenn ich ihr dankbar mein Herz zuwende, ist sie da, mit einem Stück des nie nachlassenden guten Willens ihrer Seele, in der Freude und auch im Leid.

      Ich heiße Hämmerle, Fritz Hämmerle, einziger Sohn der Martha Hämmerle. Und jetzt kommt die erste Vakanz: Der Sohn von ich weiß nicht wem.

      Sie hat es mir nie gesagt.

      Meine Mutter ist nie geschieden worden, genauer, sie war nie verheiratet. Noch genauer, ich trage ihren Mädchennamen. Somit ist mir nicht einmal der Name meines Vaters bekannt. Vielleicht heißt er Thor, sie wissen schon, der mit Mjölnir, dem Hammer. Der Gott mit dem Hammer. Der Gott der Nordmänner, der mit einem einzigen Schlag einen Berg zu Sand zerreibt. Dieser kam mir kurz vor dem Abitur in den Sinn.

      Aber das kann nicht sein. Dieses Hämmerchen in meiner Hand, zu schwach, um einen Nagel ins Brett zu schlagen, kann nicht sein Erbe sein …

      - 1 -

      Der Sturm riss ihm die Haustür aus der Hand und knallte sie gegen die Wand, während er den Regenmantel anzog und sich dabei verhedderte. Fritz Hämmerle zog die Haustür zu, hatte schließlich den Mantel an und ging. Die nächste Bö nahm ihm den Atem, trieb ihm den feinen Regen ins Gesicht und riss ihm die Kapuze vom Kopf. Er zog sie wieder hoch, band sie mit der Kordel fest und bog auf den Weg in den Wald.

      Bis hier drang der trübe Schein der einzigen Laterne seiner Straße, dann war es dunkel, stockdunkel. Seine Augen gewöhnten sich daran und der Weg war ein gutes Stück zu sehen, denn ein wenig von dem Lichtsmog, der wie eine Glocke über der großen Stadt hing, kroch durch die Buchen bis auf den Weg.

      Der Sturm hatte sich in die Wipfel verzogen, rauschte und holte dort oben von den Zweigen die rostroten Herbstblätter dieser mächtigen Bäume. Wenn er jetzt ausschritt, würde er die nächste Bahn erreichen und bald das Quietschen hören, wenn sie die Wendeschleife durch den Wald fuhr.

      Sein Kalender für heute war leer, das hatte er beim Frühstück bemerkt und auch jetzt fiel ihm nichts ein, was im Büro auf ihn wartete. Nein, das war noch nie so gewesen - oder doch? Er erinnerte sich nicht. Sonst war es gründlich anders und der Dienst begann hier auf dem Weg. Seine Füße pflügten durch das nasse Laub und es klang träge und müde: Die Blätter hatten keine Lust zu tanzen.

      Fritz Hämmerle versank in vergangene Bilder, als liefe sein Leben vor sieben Jahren eben noch mal vor ihm ab:

      ˇˇˇˇˇˇˇ

      Mit dem Abschluss der Polizeiakademie in der Tasche und der Zusage für seine erste Stelle ist er mit seiner Frau auf Wohnungssuche und sie stehen zusammen vor dem Gartentor aus Bretterschwarten, mächtig schief. Es hängt an einem noch schieferen Pfosten. Eine Weile lang sehen sie in den Vorgarten - zum Haus, irgendwie beklommen, bis Lilly sagt: „Das ist aber wirklich klein!“

      „Hm.“

      „Ist dieser Strauch eine Johannisbeere?“

      „Scheint so, ein Hochstamm.“

      „Ist der glücklich so, mit den Brennnesseln bis zum Kinn?“

      Die Haustür geht auf und der alte Karl Winter kommt ihnen entgegen, humpelnd und mit Krückstock.

      Winter, Karl und Gisela, stand im örtlichen Telefonbuch. Seine Frau sei vor vier Jahren gestorben, hatte er am Telefon gesagt.

      „Kommen Sie rein, kommen Sie.“ Er bemerkt ihre zögernden Blicke auf das Gartentor und fügt hinzu: „Nur zu, das tut’s noch“, ist aber mit seinem Stock den kurzen Weg schon gelaufen und öffnet. Das Gartentor quietscht.

      Sie hatten alle Maklerseiten durchstöbert, Dutzende Male hatten sie angerufen und waren schon zweimal in der Stadt gewesen, drei Stunden hin, drei Stunden zurück - nichts, immer nichts.

      „Jetzt versuchen wir’s auf die altmodische Art“, hatte Lilly entschieden und eine Anzeige im örtlichen Wochenblatt geschaltet:

       Gestandenes Paar mit achtjährigem Sohn sucht wegen

       arbeitsbedingten Ortswechsels kleines Haus, Miete oder

      Kauf

      Handynummer dazu: fertig.

      An dem Tag, als die Anzeige erschien, rief er an. Alt sei er und könne nicht mehr, und seine Tochter wolle ihn bei ihrem nächsten Besuch gleich mitnehmen. Er habe ihr gesagt, wenn schon keiner seiner Enkel ins Haus ziehen wolle, verkaufe er es wenigstens noch selbst, dann würde er mitkommen. Eben habe er die Annonce gelesen und bemerkt: Die letzten beiden Zahlen ihrer Telefonnummer seien der Geburtstag seiner verstorbenen Frau, und jetzt sei er dran.

      Lilly war nur kurz irritiert und dann dachte sie: Er will sein Haus wirklich verkaufen. Sie antwortete kurzerhand: „Ja, wenn das so ist, würden wir gerne übermorgen kommen, das ist ebenfalls der Tag mit den gleichen Zahlen. Elf Uhr. Würde das passen?“

      Es passte. Lilly notierte noch Namen und Adresse.

      Hämmerle hatte die Nummer bereits vom Display des Telefons abgeschrieben und die Adresse per Rückwärtssuche am Laptop ermittelt.

      Ob er das Haus auch vermieten würde, fragte Lilly.

      Wenn er schon nicht mehr hier wohnen könne, wolle er sich auch nicht mehr drum kümmern. Er habe mit seinem Schwiegersohn schon über den Preis gesprochen. Den nannte er Lilly auch noch.

      Die Stadt und das Polizeipräsidium hatte sich Fritz Hämmerle fünf Wochen früher, den Brief mit der Zusage für seine erste Stelle noch in der Hand, auf der digitalen Karte von oben angesehen. Der Link war noch auf dem Desktop. Er gab die Adresse ein und zoomte die Markierung langsam heran. Da waren der Vorort und schließlich der Steinweg, der in eine Waldlichtung führte. Dort standen auf der einen Seite des Weges acht wohl nicht allzu große Häuser und gegenüber war ein breiter Streifen grüne Wiese. Der Pfeil wies auf das letzte Haus vor dem Wald.

      Karl Winter nimmt sie mit in seine Küche. Auf dem Tisch stehen vier Tassen, eine Packung Kakao und ein Teller mit Gebäck, die Kaffeemaschine dampft. Er lehnt seine Krücke an


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