Serienkiller und Mord-Schakale: 10 Krimis. A. F. Morland
sämtliche Bänder auszuhändigen", ließ sich nun Mister McKee vernehmen. Der Wachmann nickte. "Okay, Sir... Wie Sie wollen."
Wir wussten nicht, seit wann sich die Wanze in Mister McKees Wohnung befunden hatte. Möglicherweise war das bereits seit Wochen der Fall, dann brachten uns die Video-Bänder nicht weiter. Aber möglicherweise hatten wir ja Glück, und auf den Bändern war jemand zu sehen, der in das vage Bild passte, das wir uns bisher von dem Attentäter gemacht hatten.
Der S-Guard machte sich daran, die Bänder zusammenzusuchen.
"Ihnen ist niemand aufgefallen, der Mister McKees Apartment besuchen wollte?", fragte ich.
"Nein, Sir", erklärte der Wachmann.
"Ihre Kollegen müssen wir auch noch befragen..."
"Kein Problem."
5
Der große Magnum Colt wummerte. Der Rückschlag der gewaltigen Waffe vom Kaliber 45 war mörderisch. Ray Torillo hielt sie beidhändig. Sein gebräuntes, von dunklem Haar umrahmtes Gesicht war zu einer Maske des Hasses verzerrt.
Immer wieder feuerte er.
Etwa dreißig Meter entfernt befand sich ein dicker Holzpfahl. Eine Gestalt war daran festgebunden, hing in den dicken Stricken wie ein Toter. Ray Torillo schoss erneut. Die Kugel fetzte in eine graue Jacke hinein, riss sie auf. Die Gestalt zuckte, der mit einer Baseballkappe bedeckte Kopf wurde durch ein weiteres Projektil von den Schultern gerissen...
Stroh kam zum Vorschein.
Eine Art Vogelscheuche war es, was Torillo sich als Ziel gewählt hatte. Nach sechs Schüssen war die Trommel des Magnum leer.
Es machte klick.
Mit einem wütenden Aufschrei schleuderte der breitschultrige Torillo die Waffe von sich.
"So ein verdammter Mist!", krächzte er.
Seine Augen waren blutunterlaufen, die Hände zu Fäusten geballt. Einer der zahlreichen Leibwächter, die Torillo umgaben, beeilte sich, die Waffe aufzuheben. Die Bodyguards trugen allesamt dunkle Anzüge, kombiniert mit ebenso dunklen Hemden. Sie wirkten fast wie Reverends. Nur die Maschinenpistolen und Funkgeräte erinnerten daran, dass sie mit der frohen Botschaft nichts zu tun hatten.
"Darling, reg dich doch nicht so auf", hauchte eine dunkle, weibliche Stimme. Ray Torillo drehte sich herum und blickte in die herausfordernden blauen Augen einer atemberaubenden Schönheit. Das blonde Haar fiel ihr lang über die Schultern. Ihr Gang hatte etwas Gazellenhaftes. Sie trug ein ziemlich enges Kleid, das von den Vorzügen ihrer Figur kaum etwas verbarg.
"Cynthia!", stieß Torillo hervor. Er schluckte. "Was machst du hier?"
"Ich habe dich gesucht. Und deine Ballerei hört man im ganzen Haus... Ich konnte mir also denken, dass du wieder hier draußen, im Garten bist!"
Torillo nickte.
Einer seiner Gorillas hatte indessen den Magnum Colt nachgeladen. Wortlos übergab er seinem Boss die Waffe.
"Lass es, Darling", hauchte Cynthia. "Die Hunde sind schon ganz verrückt..."
Torillo stieß einen dumpfen Schrei hervor und ballerte die gesamte Trommel leer. Die Vogelscheuche zuckte.
Dann steckte Torillo die Waffe hinter den Hosenbund. "Ich bin verdammt wütend", knurrte er. "Hast du schon gehört, was heute vor Gericht los war?"
Cynthia zuckte die Achseln.
"Dein Anwalt meint, ich sollte dich fragen."
"Eric ist ein verdammter Narr!"
"Darling, red' nicht so über meinen Bruder! Du weißt, dass ich das nicht mag..."
"Ist doch aber wahr! Dieser Idiot bringt uns noch alle nach Riker's Island. Ich habe alles getan, um ihm den Prozess zu ersparen, ich habe meine Verbindungen spielen lassen und werde das auch weiter tun... Aber er muss sich an die Absprachen halten!"
"Er hat Angst, Darling. Angst, für viele Jahre hinter Gitter zu wandern!"
"Veranstaltung von illegalem Glücksspiel - damit werden die Anwälte, die ich Eric bezahle mit links fertig. Es wird zu irgendeinem Deal kommen. Und was die Verabredung zum Mord angeht, hat der Staatsanwalt mächtig auf den Putz gehauen. Aber das war alles nur Theaterdonner. Die Beweislage ist schlecht, sie werden ihm das nicht anhängen können..."
Torillos Gesicht verzog sich zur wütenden Grimasse. "Wenn er verdammt nochmal die Nerven behalten würde... Er ist heute schon fast zusammengebrochen."
Torillo ging auf Cynthia zu, fasste die junge Frau bei den Schultern und sah ihr scharf in die Augen.
"Ich habe viel für deinen Bruder getan. Und womit wird er es mir am Ende danken? Damit, dass er mich ans Messer liefert!"
"Aber so etwas hat er doch gar nicht getan!"
" Noch nicht, Baby. Noch nicht. Aber wenn der erstmal ins Reden kommt, was glaubst du, was dann los ist..."
Torillo bleckte die Zähne wie ein Raubtier.
Cynthia schluckte.
Sie studierte aufmerksam Torillos Gesichtszüge.
"Sollte nicht heute Morgen dieser FBI-Mann aussagen?", fragte sie.
"Nicht irgendein G-man", korrigierte Torillo, "sondern Jonathan D. McKee, der Chef des FBI-Districts New York persönlich. Er wurde zu den Ermittlungen seines Field Office befragt... Ja, schau mich nicht so an, Engelchen. Es ist tatsächlich der Jonathan McKee. Damals war er einfacher Special Agent..."
Torillo wandte sich an einen seiner falschen Reverends, zog die Magnum hervor und warf ihm die Waffe zu. Der Leibwächter fing sie auf.
"Steck ein paar Dinger in die Trommel! Ich bin meine Wut noch nicht ganz los..."
"Okay, Boss!"
"Lebende Ziele sind einfach nicht zu ersetzen..."
6
Es war später Nachmittag, als wir in Mister McKees Büro saßen.
Mandy, seine Sekretärin, servierte uns ihren berühmten Kaffee, der im gesamten Bundesgebäude einen geradezu legendären Ruf besaß.
Mister McKee rührte seinen dampfenden Pappbecher kaum an.
Er wirkte sehr nachdenklich.
Wir arbeiteten tagtäglich mit ihm zusammen. Er war unser Vorgesetzter, aber auch eine Art väterlicher Freund und Mentor, der seine Hand über uns hielt, wenn mal was schiefging.
Eigentlich müsste man so einen Menschen genau kennen und im Laufe der Zeit alles über ihn wissen. Aber das Privatleben von Mister McKee war die ganzen Jahre hindurch immer eine Art Geheimnis geblieben. Im Grunde wusste ich nicht viel über ihn, was nicht unmittelbar mit dem Dienst zu tun hatte. Er war als Soldat in Korea gewesen und G-man geworden. Nachdem seine Familie Gangstern zum Opfer gefallen war, hatte er sein Leben völlig dem Kampf gegen das Verbrechen gewidmet.
Vielleicht besaß er so etwas wie ein Privatleben gar nicht.
Oft genug war er morgens der erste im Office und blieb bis spät in die Nacht dort. Einer, der unermüdlich für das Recht und den Schutz der Schwachen arbeitete.
Mister McKee hörte sich geduldig den vorläufigen Bericht der Spurensicherung an. Janet Montego, eine Kollegin von der Scientific Research Divion trug ihn vor und erläuterte uns die einzelnen Erkenntnisse.
"Insgesamt befanden sich drei Wanzen in Ihrer Wohnung, Mister McKee. Fingerabdrücke haben wir nicht gefunden, aber dafür etwas, das einen Menschen ebenso eindeutig zu identifizieren vermag..."
Mister McKee zog die Augenbrauen empor.
"Und das wäre?"
"Ein