Wir hören beide von Schubert ein Stück. Reiner Rumohr

Wir hören beide von Schubert ein Stück - Reiner Rumohr


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      Über sein Leben nachdenken, darüber, was ist und vielleicht noch sein wird, wie soll das gehen?

      Manchmal, wenn ich ruhig und ganz still bin, wenn ich nichts will, nur warte und doch nichts erwarte, tauchen Gedanken auf, die mir ganz nah zu kommen scheinen. Nicht ich führe sie, sie führen mich. Sie kreisen nicht um mich, sie weisen mir kleine Wege, wie ich gelassener leben und manches gar verändern kann.

      Es kommt mir vor, als ginge ich von der anderen Seite in die Einbahnstraße meiner Gedanken. Dann wird, was groß war, klein, was zu hell, dunkel, was wichtig, nebensächlich, das Wenige wird alles, der kleine tägliche Weg führt durch die ganze Welt, ein unscheinbarer Gedanke zur Wahrheit. Je langsamer ich auf diesen Wegen gehe, um so mehr sehe ich. Und wenn ich stehen bleibe, vielleicht sogar alles.

      Für Daylen

      Für Louis

      „Tu as fait de ta conscience le centre du monde et de toi-même, me souffle une voix, c’est pourquoi le monde et toi-même avez été dévorés. Qu’attends-tu encore? Il n’y a pas de printemps pour ceux qui n’ont pas osé mourir.“

      (Gustave Roud, Air de la solitude, p. 121 f.)

       Wir hören beidevon Schubert ein Stück

       Gedichte

       Reiner Rumohr

      © 2020 Reiner Rumohr

      [email protected]

      Umschlag, Illustration: Manfred Werdermann

      Lektorat: Angelika Fleckenstein

      Verlag & Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg

ISBN
Paperback978-3-347-08992-1
Hardcover978-3-347-08993-8
e-Book978-3-347-08985-3

      Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

       Gedichte geben selten eine Antwort,

       aber sie können einem auf steinigem

      Weg bei den Armen nehmen.

       Einfach sein

      (Paris, Jardin du Luxembourg)

      Wie Marionetten, aus einer

      Mitte gelenkt, bewegt sich

      eine Gruppe von Menschen,

      auf keinem Weg,

      in keine Richtung, ist

      nur Bewegung, die

      ruht und so selbst

      zur Landschaft wird.

       Und ihre Gedanken ?

       Gehen auch sie langsamer,

       lernen vom Körper ein- und

       wieder auszuatmen,

       den Ort zu bewohnen,

       innezuhalten vor jedem Gang,

       lernen, einfach zu sein ?

       Schweigen

      Seit einiger Zeit denk‘ ich daran

      um – wenn ich’s denn kann –

      zu verändern das was ich tue

      was ich sage wie ich die Zeit verbringe:

      wie wär’s würd‘ von nun an das

      Schweigen mich lenken

      erhielt‘ es von mir stets das letzte Wort

      überließ‘ ich es ihm mein Tun zu bedenken

      Doch woran werde erkennen ich

      dass es das Schweigen ist

      das aus und das zu mir spricht

      Und wenn ich’s erkennen würde

      könnt’s überhaupt benennen ich dann

      ist’s nicht vielmehr etwas das nur

      zwischen den Dingen sich aufhalten kann

      In den Räumen zwischen den Worten den Gedanken

      den Taten wo man sich ausruht sich umschaut

      und bevor man davoneilt

      noch ein klein wenig wartet

      Würd‘ gerne wohnen in diesem Reich

      dem zwischen grad‘ eben und gleich

      bevor nach einem Wort ich weiterrede

      nach einer Tat zur nächsten schon übergehe

      wo jeder Gedanke ’ne Weile bleibt

      bevor der nächste vorübereilt

      Eine Welt in der das was ich tue

      bestimmt wird von tiefer innerer Ruhe

      in der ich erst finde zum Wort und zur Tat

      wenn das Schweigen mir hat gesagt

      welchen Weg ich zu gehen hab‘

      Ob das Schweigen redet

      vielleicht erkenn‘ ich’s daran

      dass wenn ich nichts tu nichts sag‘ nichts erstrebe

      ich’s doch in mir aushalten kann und

      gerade dann wenn nichts ich erlebe

      merk‘ dass ich lebe

       Mein Haus

      Mir ist als lebte ich in einem Haus

      ohne Türen Wände und ohne ein Dach

      um die Worte zu finden die zum Leben ich brauch’

      blick‘ durch ein Fenster ich – doch

      ich weiß nicht wie krieg’ ich das ’raus

      blick’ ich herein oder blick’ ich hinaus

      Wo bin ich wenn

      aus dem Fenster ich seh’

      und in der Ferne seh’ wie ich geh’

      und wenn in mein Inneres ich blick’

      ist's nicht bevölkert wird’s nicht bewegt

      von all dem was weit draußen sich regt

      Wenn einem Anderen ich in die Augen seh’

      blick' nicht auf all’ meine Wünsche und Ängste ich dann

      und wenn vor dem Spiegel ich steh’

      schaut nicht von dort ein Fremder mich an

      Um das Andere beim Namen zu nennen

      muss ich zuerst mich selber verstehn

      und bei dem Versuch mich zu erkennen

      muss was fremd in mir ist ich erst sehn

      Vielleich löst so auch das Fenster sich auf

      gibt's nirgends ein drinnen noch gibt es ein drauß’

      erkenn' in dem was fremd ist ich mich

      und wird auch das Andere ein Teil meines Ich

      Und die Worte die zum Leben ich brauch’

      muss ich noch finden sie oder

      suchen von selbst sie mich auf

       Der Augenblick


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