Aveline Jones und die Geister von Stormhaven. Phil Hickes

Aveline Jones und die Geister von Stormhaven - Phil Hickes


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      Phil Hickes

      Aveline Jones

      und die Geister von Stormhaven

       Phil Hickes

      ist ein waschechter Brite, lebt aber inzwischen in den USA. Er studierte englische Literatur und arbeitet tagsüber als Werbetexter. Seine Leidenschaft galt schon immer dem Schreiben – besonders liebt er Geschichten über Geister und alles Gruselige, das sich im Dunkel der Nacht abspielt. »Aveline Jones« ist seine erste Buchreihe für Kinder.

       Kaja Reinki,

      geboren 1989, beschloss schon früh, ihr Hobby zum Beruf zu machen. Bereits während ihres Studiums begann sie, an Browsergames und Comics zu arbeiten. Inzwischen arbeitet sie für verschiedene Verlage sowie im Gamingbereich und unterrichtet digitale Illustration. In ihrer Freizeit schlägt ihr Herz fürs Handwerken: egal ob genäht, geklebt oder geformt. Sie lebt mit ihren Katzen in Berlin.

      1. Auflage 2020

      Für die deutschsprachige Ausgabe:

      © 2020 Arena Verlag GmbH

      Rottendorfer Str. 16, 97074 Würzburg

      Copyright © Phil Hickes 2020

      Alle Rechte vorbehalten

      Aus dem Englischen von Petra Koob-Pawis

      Cover und Innenillustrationen: Kaja Reinki

      E-Book-Herstellung und Auslieferung:

      readbox publishing, Dortmund, www.readbox.net

      E-Book ISBN 978-3-401-80900-7

      Besuche den Arena Verlag im Netz:

       www.arena-verlag.de

      Kapitel 1 Ein Eishauch in der Luft

      Es war der kälteste Oktober seit vielen Jahren. Niemand konnte dem eisigen Atem des Windes entkommen, der sogar durch die dicksten Schals hindurchblies. Pfützen froren zu. Rohre barsten. Die Menschen schlurften mit ausgestreckten Armen über den eisglatten Asphalt, als wollten sie Flugzeug spielen. Schulkinder wurden vom Unterricht befreit und freuten sich über die unerwarteten Kälteferien.

      Aveline Jones saß mit ihrer Mutter im Auto und seufzte tief. Normalerweise hätte sie sich über die schulfreien Tage riesig gefreut, aber ihr Plan, die meiste Zeit absolut nichts zu tun, war zerplatzt. Ausgerechnet jetzt musste sie weg von zu Hause und an einen Ort, der womöglich noch kälter war als die frostige Stadt, die sie hinter sich gelassen hatte.

       Stormhaven.

      An der Küste kann es bitterkalt sein, hatte ihre Mum sie gewarnt, und Tante Lilians Haus stand sogar so nah am Meer, dass die Fenster salzverkrustet waren. Allein bei dem Gedanken schüttelte es Aveline. Nicht ohne Grund ächzte ihr Koffer unter dem Gewicht von Schals, Jacken, Strickmützen, Wollpullovern, Fleecejacken, dicken Socken, Stiefeln und Handschuhen. Sie hatte sogar ihren Zebraoverall eingepackt, der sonst frühestens im Dezember zum Einsatz kam.

      Aveline blickte niedergeschlagen auf die Landschaft, die wie ein trüber Schleier vor dem Fenster vorbeizog. Sie waren sicher bald da, zumindest vermutete Aveline das – ein Blick in das müde Gesicht ihrer Mutter hielt sie davon ab zu fragen, wie lange es noch dauerte.

      Die Reise von Bristol bis hierher war lang und anstrengend gewesen. Anfangs hatte Aveline versucht, Musik zu hören. Aber an einem so trüben Tag klangen die Songs irgendwie falsch, daher hatte sie nach einer Weile aufgegeben. Auch die Natur schien aufgegeben zu haben. Das Laub war fortgewirbelt, die Bäume mit ihren nass glänzenden Stämmen sahen aus wie gerupfte Hühner. Auch die dürren Hecken sahen hungrig und krank aus, als ob das Wetter jede Farbe aus ihnen gesaugt hätte. Das einzig Lebendige waren die im Geäst kauernden Saatkrähen, deren Krächzen über die kahle Landschaft hallte.

      »Ich sehe was, was du nicht siehst … und das ist … das Meer!«, rief Avelines Mum betont fröhlich, aber man hörte ihrer Stimme an, dass ihr kein bisschen nach Lachen zumute war.

      Aveline spähte zwischen hektischen Scheibenwischern hindurch nach vorn. Ein graublauer Streifen Meer erstreckte sich am diesigen Horizont und der Wind köpfte die Wellenkronen wie gekochte Eier.

      »Ist das Stormhaven?«

      »Ja, wir sind bald da.«

      In Avelines Magen rumorte es. Ihre Mum wollte danach weiter nach Schottland fahren, um Avelines Oma zu besuchen, die im Krankenhaus lag. Der Weg war angeblich zu weit für Aveline und daher hatte Tante Lilian angeboten, ihre Nichte in den Ferien bei sich aufzunehmen.

      Die Schwester ihrer Mutter war Aveline schon immer ein Rätsel gewesen. Tante Lilian war ein bisschen wie Eiscreme – nett, aber kalt. Sie hatte als Lehrerin an einem piekfeinen Internat unterrichtet, bevor sie vor einigen Monaten nach Cornwall gezogen war, um dort als Privatlehrerin zu arbeiten.

      Aveline hatte bisher nicht viel Zeit mit ihr verbracht, weil Tante Lilian bis vor Kurzem ebenfalls in Schottland gelebt hatte, was für regelmäßige Besuche zu weit entfernt war. Nur hin und wieder hatten sie sich zu besonderen Gelegenheiten getroffen und bei jeder Begegnung mit ihrer Tante hatte Aveline sich eingeschüchtert gefühlt. In Tante Lilians Leben herrschten strenge Regeln und ihre Liste der Verbote war sehr viel länger als die Liste der Dinge, die erlaubt waren. Aveline fand, dass ihre Tante vermutlich eine ziemlich gute Gefängniswärterin abgeben würde. Und jetzt war sie mit der düsteren Aussicht konfrontiert, die Ferien bis Anfang November allein mit ihrer Tante zu verbringen.

      Der Gedanke ließ Aveline frösteln.

      Wie in vielen Küstenorten waren auch in Stormhaven die Straßen schmal und gewunden. Jedes Mal, wenn ein Auto entgegenkam, musste Avelines Mum bremsen, um dann ganz behutsam im Schneckentempo daran vorbeizufahren.

      »Ist ein bisschen leer hier, oder?«, sagte Aveline, als sie den steilen Weg ins Zentrum von Stormhaven hinunterfuhren.

      »Schatz, bei so einem heftigen Kälteeinbruch wird es in allen Küstenorten ruhiger, weil die Touristen weg sind«, erwiderte ihre Mum, die das Auto langsam rollen ließ. »Aber keine Sorge, dir wird bestimmt eine Menge einfallen, womit du dir die Zeit vertreiben kannst.«

      Obwohl es erst später Nachmittag war, sah der Himmel unheilvoll und finster aus. Zu Hause waren sicher noch viele Leute draußen unterwegs. Das Stadtzentrum, wo Aveline sich immer mit ihren Freundinnen traf, würde voller Menschen sein, die an den Schaufenstern vorbeischlenderten. Hier dagegen waren die Straßen verlassen. Die trostlose Atmosphäre des Ortes kroch zu ihnen ins Auto, während sie schweigend an den Häuserreihen vorbeifuhren. Ein alter Mann, der mit seinem Hund spazieren ging, blieb stehen und blickte ihnen mit verdrossener Miene nach, als hätten sie »HALLO, WIR SIND NICHT VON HIER« auf die Autotüren gesprayt.

      »Ob es in Stormhaven Gespenster gibt?«, fragte Aveline so beiläufig wie möglich.

      Ihre Mum seufzte. »Aveline, wir sind gerade erst angekommen und schon fängst du wieder mit Gespenstern an?«

      »Na ja, der Ort sieht ziemlich gespenstisch aus.«

      »Jeder Ort sieht gespenstisch aus, wenn du immer nur Gespenstergeschichten liest. Ehrlich, Aveline, ich wünschte, du würdest dir zur Abwechslung ein Hobby suchen, das dir nicht nur Albträume beschert.«

      Sie hatten dieses Gespräch schon unzählige Male geführt. Aveline wusste, dass ihre Mutter ihre Faszination für Gespenster sonderbar fand, aber seit sie in der Bücherei beim Stöbern


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