Die silberfarbene Gebäckdose. ElviEra Kensche

Die silberfarbene Gebäckdose - ElviEra Kensche


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      ElviEra Kensche

      Die silberfarbene Gebäckdose Betthupferlgeschichten

      ©2020 ElviEra Kensche

      Verlag & Druck: tredition GmbH, Halenreihe 40-44,

      22359 Hamburg

      978-3-347-07599-3 (Paperback)

      978-3-347-07600-6 (Hardcover)

      978-3-347-07601-3 (e-Book)

      Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

      Der Reinerlös aus dem

      Verkauf des Buches

      geht an

      Naturschutzorganisationen

      Wer kennt das nicht? Da liegt man im Bett, ist eigentlich müde, aber kann nicht schlafen. Also nimmt man sich etwas zum Lesen. Aber was? Einen Roman? Viel zu lang und aufregend.

      Abhilfe schafft dieses kleine Büchlein mit Betthupferlgeschichten. Jede Geschichte ist in sich abgeschlossen. Man läuft also keine Gefahr, vor lauter Spannung, wie es weitergeht, doch nicht einschlafen zu können.

      Neugierig geworden? Dann probieren Sie es aus.

      Ich wünsche Ihnen viel Freude und angenehme Träume.

      ElviEra Kensche

       Die silberfarbene Gebäckdose

      Wir schreiben das Jahr 1854. Heute ist der 5. September. Dorothea feiert ihren achtzigsten Geburtstag.

      Dorothea hat nie geheiratet. Mit sechzehn Jahren traf sie ihre große Liebe. Johannes war zehn Jahre älter und stammte aus reichem Haus. Seine Eltern hatten etwas gegen die Verbindung und Johannes‘ Liebe war nicht stark genug, um sie zu verteidigen. Er trennte sich von ihr. Ein paar Jahre später heiratete er die Tochter eines Geschäftsfreundes seines Vaters. Dorothea hat ihn nie wiedergesehen.

      Ihre ganze Liebe schenkte sie nun den fünf Kindern ihres früh verwitweten Bruders Wilhelm. Nun sind auch diese schon Eltern, teilweise Großeltern geworden. Ihr Bruder lebt bei der jüngsten Tochter Johanna, die auch unverheiratet ist. Dorothea ist vor einigen Jahren zur Familie ihrer Großnichte Ingeborg gezogen. Noch immer lässt sie es sich nicht nehmen, im Haushalt zu helfen und auf ihre Urgroßneffen aufzupassen. Ingeborg und ihr Mann haben drei Jungs, eine richtige Rasselbande.

      Aber heute soll gefeiert werden. Alle wollen kommen und Dorothea freut sich schon sehr. Ob ich auch meine Lieblingskekse bekomme, überlegt sie. Johanna wird bestimmt welche backen, freut sie sich und ein Lächeln zieht über ihr runzliges Gesicht. Dorothea ist eine Naschkatze und die Mandelplätzchen ihrer Nichte Johanna liebt sie besonders.

      Am Nachmittag sind alle versammelt. Es gibt Blumen, Schokolade und natürlich eine große Tüte Mandelplätzchen von Johanna. Davon probiert Dorothea gleich eines. „Oh, sind die lecker, danke“, strahlt sie.

      „Aber wir haben ja noch etwas für dich, Urgroßtante Dorothea“, ruft plötzlich Lina, die jüngste der großen Familie und hält Dorothea ein buntes Päckchen hin. Ganz gespannt öffnet Dorothea es. Zum Vorschein kommt eine Silberdose. Natürlich ist es kein echtes Silber, das ist viel zu teuer. Sie ist aus Zinn, doch wunderschön, mit eingravierten Mustern und dem Wort „Gebäck“ auf einer Seite. Auf dem Deckel aber steht die Zahl 1774. „Aber das ist ja mein Geburtsjahr.“ Dorothea hat Tränen der Freude in den Augen und umarmt alle nacheinander.

      Kurz vor ihrem fünfundachtzigsten Geburtstag stirbt Dorothea. Bis zuletzt hat sie jeden Tag zwei Mandelplätzchen gegessen. Johanna sorgte dafür, dass die Dose nie leer wurde.

      Ja, so könnte es gewesen sein, denkt Hanna und betrachtet die silberfarbene Dose in ihrer Hand. An den Seiten sind reichhaltige Verzierungen zu sehen und etwas verblasst das Wort „Gebäck“. Im Deckel ist die Jahreszahl 1774 eingraviert. Die Dose stammt aus dem Nachlass ihrer Schwiegereltern. Ihr Mann und sie haben immer geglaubt, sie stamme auch aus diesem Jahr.

      Kürzlich hat Hanna die Dose von einem Experten begutachten lassen. Dabei erfuhr sie, dass sie nicht 1774 hergestellt wurde, sondern viel später, im neunzehnten Jahrhundert. Sie sei nur ein paar Euro wert.

      Verkaufen will Hanna die Dose auch nicht, dazu gefällt sie ihr zu sehr.

      Ja, so könnte es gewesen sein, denkt Hanna noch einmal und stellt die Dose zurück auf den alten Messingtisch, den ihr Mann vor vielen Jahren aus einem Nachlass erworben hat.

      Was der wohl für eine Geschichte hat?

       Der Weitergeb-Glückspfennig

      Anna ist heute etwas traurig. Das kommt manchmal aus heiterem Himmel. Dann hilft nur ein Spaziergang. Wie sie nun so einen ihrer Lieblingswege entlanggeht, ganz in Gedanken, fällt ihr Blick auf einmal auf etwas, das genau vor ihr liegt. Sie bückt sich. Ein Glückscent, freut sie sich. Doch dann schaut sie genauer hin. Nein, es ist tatsächlich ein Pfennig. Wie kommt der hierher, denkt sie verwundert. Die gibt es doch schon lange nicht mehr. Anna steckt den Pfennig in ein kleines Seitenfach ihrer Tasche und geht weiter. Aber plötzlich merkt sie, dass sie gar nicht mehr traurig ist. Sie sieht sich mit leuchtenden Augen um, sieht die vielen Blumen, auf denen sich Hummeln und Bienen tummeln und geht fröhlich weiter. „Hallo“, hört sie da mit einem Mal eine Stimme. Nanu? Sie ist ganz allein. Nirgendwo eine Menschenseele zu sehen. Ach, ich habe mich wohl verhört, denkt sie. Doch da hört sie es schon wieder. Es kommt aus dem kleinen Seitenfach, in das sie den Pfennig gesteckt hat. Erstaunt holt sie den Pfennig heraus und legt ihn auf ihre Hand. Er hat ja plötzlich ein Gesicht. Und nun spricht er mit ihr: „Ich bin ein Weitergeb-Glückspfennig. Bist du noch traurig?“ „Nein“, antwortet Anna, „es ist so schön heute, die Sonne scheint und die Vögel singen. Wie sollte ich da traurig sein.“ „Dann musst du mich weitergeben, wenn du jemanden triffst, der traurig ist. Weißt du noch, warum?“ „Ja“, lacht Anna, „du bist ein Weitergeb-Glückspfennig.“ Sie steckt ihn wieder in ihre Tasche und will weitergehen. Da trifft sie ihre Freundin Elisabeth. „Was lachst du so fröhlich?“, fragt diese. „Ich weiß nicht, ich will heute gar nicht froh werden. Nicht einmal die Sonne kann mich aufheitern.“ „So ging es mir heute auch“, lacht Anna, „aber dann habe ich das hier gefunden.“ Sie zeigt Elisabeth den Glückspfennig. „Einen Pfennig? Na, das ist ja erstaunlich in der heutigen Zeit. Und der lag einfach so da?“ „Ja“, Anna drückt Elisabeth den Pfennig in die Hand, „er lag vor mir auf dem Weg und mit einem Mal war ich nicht mehr traurig. Ich schenke ihn dir, denn du brauchst ihn jetzt nötiger. Aber wenn du wieder fröhlich bist, höre darauf, was er zu dir sagt.“ Kopfschüttelnd geht Elisabeth weiter und mit einem Mal ist auch sie wieder fröhlich. Sie freut sich über den kleinen Spatzen auf dem Weg und zerkrümelt einen Keks, den sie in der Tasche hat. Mmh, da pickt er aber und zwitschert ihr als Dank ein Liedchen. Warum war ich denn nur traurig, denkt Elisabeth, die Welt kann doch so schön sein. „Bist du nun wieder froh, Elisabeth?“ Nanu, Anna ist doch schon lange gegangen. Wer spricht da mit ihr? Da hört sie die Stimme wieder. „Elisabeth, hol mich heraus.“ Der Pfennig? Wo habe ich ihn denn? Ach ja, sie hat ihn ganz in Gedanken in die Jackentasche gesteckt. Als sie ihn herausholt, staunt sie nicht schlecht. Er spricht zu ihr: „Ich bin ein Weitergeb-Glückspfennig, Elisabeth. Wenn du wieder glücklich bist, verschenke mich an jemanden, der traurig ist.“ Ich werde alt, denkt Elisabeth, jetzt höre ich schon einen Pfennig sprechen. Aber hatte Anna nicht gesagt, höre darauf, was er zu dir sagt? Sie schüttelt den Kopf, steckt den Pfennig wieder ein und führt ihren Weg fort. Da sieht sie ihren Nachbarn. „Guten Morgen, Herr Schulz“, begrüßt sie ihn fröhlich, „ist das nicht ein schöner Tag?“ Herr Schulz schüttelt traurig den Kopf. „Wenn man wie ich alt ist und ganz allein, was soll da der Tag schön sein? Richtig laufen kann ich auch nicht mehr.“ Er stützt sich auf seinen Rollator und hat ein paar Tränen in den Augen. „Aber Herr Schulz“, antwortet Elisabeth, „in unserem Alter muss man positiv denken. Sehen Sie mal“, sie zeigt auf den Rollator, „ohne dieses Ding würden Sie sich doch gar nicht mehr aus ihrer Wohnung trauen. Nun sollten Sie sich freuen, dass Sie, wenn auch langsam, in der Sonne spazieren gehen


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