Fürchte die Dunkelheit. Peter Gerdes

Fürchte die Dunkelheit - Peter Gerdes


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      Peter Gerdes

      Fürchte die Dunkelheit

      Kriminalroman

      Zum Autor

      Peter Gerdes, 1955 geboren, lebt in Leer (Ostfriesland). Er studierte Germanistik und Anglistik, arbeitete als Journalist und Lehrer. Seit 1995 schreibt er Krimis und betätigt sich als Herausgeber. Seit 1999 leitet Peter Gerdes die »Ostfriesischen Krimitage«. Mit seiner Frau Heike betreibt der Autor die Krimi-Buchhandlung »Tatort Taraxacum« in Leer.

      Impressum

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      sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

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      Alle Rechte vorbehalten

      1. Auflage 2020

      (Originalausgabe erschienen 2004 im Leda-Verlag)

      Herstellung: Mirjam Hecht

      Umschlaggestaltung: Katrin Lahmer

      unter Verwendung eines Fotos von: © StockSnap/pixabay.com

      ISBN 978-3-8392-6482-9

      Widmung

      Für meine Töchter

      1.

      Sie waren zu dritt, wie immer, wenn es ernst wurde. Nane wappnete sich. Sie wusste, was jetzt kam, und ihr wurde schlecht vor Angst. Genau deswegen taten sie es ja. Das hatte Nane inzwischen erkannt. Aber die Angst kam trotzdem.

      »Vater ist böse auf dich«, sagte Roland. Roland der Riese. Obszön dicke Muskeln wölbten sich unter seinem blütenweißen T-Shirt. Sein breites, glattes Gesicht mit der Babynase blieb unbewegt. Er war nicht wirklich bösartig, war alles andere als gemein, aber er würde genau das tun, was Vater verlangte. Immer. Das machte ihn ziemlich gefährlich.

      Sanna sagte nichts. Sie lächelte nur, die Lippen dünn wie Bleistiftstriche. Der Ausdruck ihrer dunklen Augen ließ Nane schaudern wie in kalter Kellerluft. Sanna war schlimm. Nane hatte sie schon Dinge tun sehen, die schlimmer waren als …

      »Nein«, sagte Nane. Mit großer Anstrengung richtete sie sich auf, bog die Schultern zurück, zwang sich heraus aus der Igelrolle, in die ihre Angst sie schon wieder gebogen hatte. »Nein. Ich will nicht.«

      »Darum wirst du auch niemals Prinzessin sein.« Diese piepsig helle Stimme, dieser selbstgefällige, leiernde Tonfall! Puppe war ein Aas. Ein Schleimer, Ranschmeißer, Schöntuer. Roland mochte ihr wehtun, Sanna sie demütigen. Puppe aber war eine Intrigantin, die sie bei Vater anschwärzte, um sich selbst ins beste Licht zu rücken. Dafür hasste Nane sie. Mehr als alles andere.

      Wirklich mehr? Nein, nur fast. Da waren noch andere Dinge, an die selbst Puppe nicht heranreichte. Dinge, vor denen Nane sich sicher glaubte, von denen sie jedoch wusste. Dinge, die andererseits aber auch mit Puppe zu tun hatten. Dinge, die schnell an Kontur verloren und wie im Nebel verschwammen, wenn Nane intensiv daran zu denken begann. Nur Puppe blieb.

      »Du weißt, was Vater dir gesagt hat.« Das war wieder Roland. Er sprach ernsthaft, artikulierte sorgfältig, seinen Blick halb über Nane hinweg, halb nach innen gerichtet. Er gab sich Mühe. Ja, so war Roland. Gewissenhaft, zuverlässig. Vaters Großer. Ihn konnte nichts aufhalten. »Du weißt es doch noch?« Jetzt schaute er sie direkt an. Besorgt sah er aus, hoffte sichtlich auf ein Ja. Bei einem Nein würde er ihr wehtun müssen, das war klar. Offenbar machte ihm das keinen Spaß.

      Ganz im Gegensatz zu Sanna.

      »Ja«, sagte Nane. »Ich weiß es noch. Und ich werde mich auch danach richten. Kein Verstoß gegen Vaters Befehle.«

      Noch während sie sprach, erkannte sie, dass sie selbst nicht daran glaubte, und war entsetzt.

      »Lüger, Lüger, Lüger«, leierte Puppe. Vor ihr konnte man nichts verbergen, sie registrierte alles wie ein Seismograph. Und lieferte jeden ans Messer. Sannas Grinsen wurde breiter. Sie streckte ihren rechten Zeigefinger aus, dessen langer, metallicschwarz lackierter Nagel wie ein Stilett blitzte, und machte die Geste des Halsabschneidens.

      Nane erstarrte. Jetzt kam alles auf Roland an. Roland der Riese war kein Sadist, kannte keinen Hass und keine Lust an Gewalt, nur unbedingtes Pflichtgefühl. Was zuweilen schlimm genug war. Hören würde er immer nur auf Vater. Aber wem würde er jetzt glauben?

      »Vater sagt, du darfst nicht vergessen«, sagte Roland, und die Kälte breitete sich in Nane aus. »Niemals vergessen. Fürchte die Dunkelheit. Ich soll dich erinnern.« Braune Augen blickten gutmütig unter dichten dunklen Brauen hervor: »Tut mir leid, Nane.« Roland trat vor.

      Sannas Lachen klang wie brechendes morsches Holz, Puppes Gekicher wie das Prasseln einer Handvoll Erbsen auf dem Küchenboden. Roland lachte nicht. Die Wichtigkeit seiner Aufgabe nahm ihn völlig in Anspruch, und der Eifer trieb ihm seine Zungenspitze zwischen die Lippen.

      Nane konzentrierte sich ganz auf das Messer.

      2.

      Knapp zehn Minuten zu Fuß waren es von seiner Wohnung in der Altstadt bis zum Polizeigebäude in der Georgstraße, aber das reichte völlig aus, um ihm Schweißränder unter die Achseln zu zeichnen. Und das um halb acht Uhr früh. Stahnke war froh, als er seinen massigen Körper endlich zwischen den Glastüren hindurch ins Treppenhaus schieben konnte, auch wenn die Luft hier abgestanden war, geschwängert mit den Gerüchen alten Gummis, frischer Putzmittel und überlagerter Akten. Immerhin war es hier kühl, und das zählte.

      Mit gemischten Gefühlen erklomm der Hauptkommissar die Treppe zum zweiten Stock des lang gestreckten Backsteinbaus. Sein Büro lag an der Rückseite des Gebäudes, so dass ihm die schöne Aussicht auf den Leeraner Hafen verwehrt blieb, nicht aber die volle Mittagssonne. Die Südlage hatte zur Folge, dass er in diesem glutheißen Sommer an seinem Schreibtisch schwitzte wie ein Schweinebraten und seine feuchten Hände den Telefonhörer kaum halten konnten. An eine Klimaanlage war natürlich nicht zu denken, nicht bei dieser allgemeinen Finanzlage; sein entsprechender Antrag hatte nichts als Heiterkeit zur Folge gehabt. Nicht einmal vernünftige Jalousien waren drin. So erinnerte sein Arbeitsplatz mit jedem Tag mehr an einen defekten Backofen, in dem nichts aufging und garte, schon gar kein guter Gedanke, sondern alles nur verkrustete und verkohlte. Alles in allem ein massiver Standortnachteil.

      Einerseits.

      Andererseits lag sein Zimmer seit kurzem Wand an Wand mit dem von KK Rosenbohm. Seit neun Tagen, um genau zu sein. Und das ließ er durchaus als Vorteil gelten.

      Die Luft in seinem Büro roch noch schlimmer als die im Flur, abgestanden und staubgesättigt, obwohl


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