Die Braut von Louisiana (Gesamtausgabe). August Schrader
ohne Arthur einnehmen, denn mir scheint, er wird diesen Abend nicht mehr kommen.«
Jenny erhob sich und schlang den weißen Schleier wieder um Hals und Schultern.
Die Nachtkühle hatte sich eingestellt. Durch die Zweige und Blätter einer gigantischen Maulbeerfeige, die wie ein schwarzer Koloss in einiger Entfernung von dem Baldachin stand, den die beiden jungen Mädchen in diesem Augenblick verließen, strahlte ein dunkles Feuer, das nach und nach jeden einzelnen Zweig deutlich erkennen ließ. Es war der Mond, der in voller Pracht hinter dem Wald hervortrat und dieses großartige Schauspiel veranlasste. Die Beete und Gänge des Gartens, die von den Umrissen des riesigen Baumes nicht verdeckt wurden, lagen bereits in einem hellen Licht da, und die Fenster des nahen Wohnhauses erglänzten wie flimmernde Spiegel.
Jenny hatte sich auf den Arm der Zofe gestützt und schritt langsam, das Gesicht zu dem magisch beleuchteten Baum gerichtet, durch die breiten Wege, in denen die Schatten der Zweige sich wie graue Flecken abmalten.
Die beiden jungen Mädchen sprachen kein Wort – der schweigende, duftende Garten in dieser Beleuchtung hatte alle ihre Sinne gefesselt, und die junge Braut vergaß auf einige Augenblicke den Kummer des Herzens. Und in der Tat, die Poesie eines mondbeleuchteten Haines in Louisiana ist wohl geeignet und mächtig genug, die Mängel und Leiden der Erde vergessen zu machen.
Eva erriet den Gemütszustand ihrer Herrin, deshalb schlug sie unbemerkt einen Seitenweg ein, der nicht direkt auf das Haus zuführte – sie wollte, dass Jenny sich noch ein Weilchen ihren Illusionen überlässt.
Ein lauter Seufzer entquoll der Brust der Braut, als sie an einer Gruppe Zypressen vorübergingen, in deren Nacht ein Singvogel sein melancholisches Lied ertönen ließ. Das Mondlicht fiel in ihr zart gerötetes Gesicht, und Eva, die teilnehmend jeder Bewegung der geliebten Herrin folgte, sah deutlich, wie jedem ihrer Augen eine große Träne entrollte, zitternd auf der lieblichen Wange einen Augenblick still stand und dann in die Falten des weißen Schleiers fiel.
Auch Eva seufzte laut und hatte Mühe, ihre Tränen zu unterdrücken.
Jenny stand an der Schwelle, die im Leben der Jungfrau den wichtigsten Abschnitt bildet – der nächste Schritt musste über das Glück oder Unglück ihrer ganzen irdischen Laufbahn entscheiden. Die verzögerte Ankunft des Mannes, in dessen Hand sie ihr künftiges Geschick legen sollte, des Mannes, der ihrem Herzen alles ersetzen sollte, was ihm noch fehlte, um ganz glücklich zu sein, hatte zum ersten Mal dem jungen Mädchen Anlass gegeben, einen ernsten, forschenden Blick in ihr Herz zu werfen, und kalt wie der Strahl der Wintersonne erhellte er ihr Inneres. Die Tochter fand Beruhigung in dem Gefühl der Pflichterfüllung; die Jungfrau aber fand keine Empfindung, die ihr auch nur die leiseste Bürgschaft für das künftige Glück gewährte. Ihr war in dem Augenblick, als sie das klagende Lied des Vogels hörte, so beklommen um die Brust, dass sie laut in die Klagen des gefiederten Sängers hätte mit einstimmen mögen.
Eva war weit entfernt, den wahren Grund der Tränen und des Seufzers auch nur zu ahnen, denn nach ihrer Ansicht waren Arthur und Jenny füreinander geschaffen – sie liebten sich, und ein glückliches Verhältnis musste sich notwendig gestalten. Das Ausbleiben des Bräutigams suchte sie sich durch eine unerwartete Geschäftsverlängerung zu erklären.
»Miss Jenny«, sagte sie in einem erkünstelten unwilligen Ton, als sie in die Nähe des Hauses kamen, »darf ich mir eine Erlaubnis ausbitten?«
»Rede, liebe Eva, du weißt ja, dass ich dir nichts abschlagen kann. Wozu bedarfst du meiner Erlaubnis?«
»Zu einer tüchtigen Strafpredigt, die ich Sir Arthur halten will, wenn er zurückkehrt.«
»Ich glaube kaum«, antwortete Jenny, dass sie angebracht ist. Trägt er freiwillig die Schuld, mag ihn sein Herz bestrafen, und hält ihn ein wichtiges Hindernis, vielleicht ein Unglück ab, ist er nicht minder zu beklagen als ich.
In diesem Augenblick stieg Kato die Stufen der Treppe herab und kündigte an, dass das Nachtessen bereit sei. Eva begnügte sich mit der erhaltenen Antwort.
»Miss«, sagte der Mulatte mit einer tiefen Verbeugung, »befehlen Sie meine Anwesenheit bei Tisch?«
»Ich danke dir, Kato, Eva wird für die Bedienung sorgen.«
Die junge Herrin stieg die Stufen der Treppe hinan. Kato und Eva folgten.
Als sie in dem erleuchteten Saal angelangt waren, wollte Kato einige verbindliche Worte, auf die er schon seit einer halben Stunde gesonnen hatte, an die niedliche Zofe richten, und schon öffnete er den Mund, um sie so zart wie möglich zutage zu fördern – da wandte sich Jenny noch einmal zu ihm und vereitelte seine Absicht.
»Kato!«, rief sie zurück.
Der Mulatte trat näher und verbeugte sich mit edlem Anstand.
»Was befehlen Sie, Miss?«
»Der Mond steht glühend rot am Himmel, er prophezeit für morgen eine große Hitze.«
»Ganz recht, Miss Jenny, eine fürchterliche Hitze, wie wir sie diesen Sommer noch nicht gehabt haben«, bekräftigte Kato.
»So befehle ich hiermit«, fuhr Jenny fort, »dass die Sklaven morgen nicht in die Pflanzungen zur Arbeit gehen, sie sollen ruhen!«
»Wie«, rief der Mulatte bestürzt, »die Sklaven sollen morgen ruhen, wo ich sie bereits zu den verschiedenen Feldern eingeteilt habe? Nein, Miss, das geht nicht!«
»Warum?«
»Die einmal gegebenen Befehle müssen ausgeführt werden, oder mein Ansehen kommt in Gefahr. Diese Brut von schwarzen Geschöpfen hat keine Disziplin im Leibe, nur der Bambus kann bei ihnen noch die Ordnung erhalten. Himmel, was würde daraus werden, wenn ich morgen meine Befehle widerrufen müsste? Miss, hüten Sie sich, die Würde Ihres Intendanten aufs Spiel zu setzen, und obendrein noch eines weißen Intendanten«, fügte er mit einem Seitenblick auf Eva hinzu.
»Weiß«, sagte die Zofe ironisch lächelnd, »nun, wie man will!«
»Ja, Miss Eva, schneeweiß – wenigstens war ich es in meiner zarten Jugend –, aber die Sonne hat mich gebräunt. Ja, ja, ich habe alle Nuancen der braunen Farbe durchgemacht! O meine teure Miss«, wandte er sich wieder zu Jenny, »setzen Sie die Ehre des Intendanten vor den Knechten nicht herab, lassen Sie es bei meinen Befehlen bewenden!«
»Suche irgendeinen Vorwand, der dein Ansehen erhält – aber die armen Sklaven arbeiten morgen nicht, ich will es so!«
Mit diesen Worten war die junge Herrin in die Tür getreten, die zu ihrem Zimmer führte.
»Gute Nacht, Freund Kato!«, sagte Eva, indem sie an ihm vorbeiging.
»Eva, holde Eva«, seufzte der Mulatte, »Ihre Hand!«
»Wozu?«
»Um einen Kuss zur guten Nacht darauf zu drücken.«
»Macht Sie das glücklich?«
»Zum glücklichsten aller zivilisierten Weißen!«
»Hier ist sie«, sagte die Zofe lächelnd und streckte dem Mulatten ihre niedliche weiße Hand entgegen.
Kato ergriff sie mit feinem Anstand, neigte sein rundes, bebuschtes Haupt und drückte einen zarten Kuss darauf.
»Gute Nacht«, flüsterte er, und seine Augen sahen so entzückt an die Decke, dass sie nur noch wie zwei weiße Flecke in dem dunkelbraunen Gesicht erschienen.
»Gute Nacht, Herr Intendant!«, wiederholte die Zofe mit einer graziösen Verbeugung, die mehr Ironie als Artigkeit verriet. »Wenn Sir Arthur diesen Abend noch eintreffen sollte, so melden Sie es mir – verstanden?«
»Nur zu gut, reizende Eva – gute Nacht!«
Eva schlüpfte durch die Tür und folgte ihrer Herrin.
Kato holte eine Zigarre aus der Tasche, zündete sie an und trat rauchend in den Hof hinaus, den das monotone Rauschen der Fontäne erfüllte. Über eine Stunde ging er in der Allee auf und ab, dann zog er sich in sein Zimmer zurück, ohne