Butler Parker Staffel 9 – Kriminalroman. Günter Dönges
Inhalt
»Parker, Sie sehen einfach unmöglich aus«, sagte Anwalt Mike Rander und schüttelte in komischer Verzweiflung den Kopf, »wir befinden uns schließlich in Afrika und nicht am Picadilly Circus in London.«
»Dieser Tatsache, Sir, bin ich mir voll und ganz bewußt«, gab der Butler gemessen zurück. Er rückte sich seine schwarze Melone zurecht und legte sich den Bambusgriff seines altväterlich gebundenen Regenschirms korrekt über den linken Unterarm. Würdevoll wie ein orientalischer Herrscher schritt er dann über die Gangway des Jets hinunter auf die Betonpiste des Flugplatzes, um dort auf seinen jungen Herrn und dessen Sekretärin, Sue Weston, zu warten, die jetzt ebenfalls aus dem Jet stiegen und nach unten kamen.
Parker mißbilligte seinerseits die Kleidung seines Herrn, der sich im modernen Safari-Look präsentierte. Parker hielt diesen Anzug für nicht angemessen. Seiner bescheidenen Auffassung nach hatte ein Anwalt sich in allen Lebenslagen stets feierlich-korrekt zu kleiden.
An Sue Weston hingegen hatte Parker nichts auszusetzen. Sie erfreute wieder mal seine Augen und erwärmte sein Herz. Sue – langbeinig, gertenschlank und von pikant-exotischer Schönheit – trug Hot pants, über die sie einen leichten Mantel geworfen hatte.
Die Sonne stand bereits tief. Bis zum Einbruch der Dunkelheit konnte es nicht mehr lange dauern.
»Wenn Sie erlauben, Sir, werde ich mich jetzt um das Gepäck kümmern«, wandte Parker sich an Mike Rander.
»Und ich werde Ausschau nach Mister Maudling halten«, erwiderte der Anwalt, »er wollte uns am Flugplatz abholen.«
Zusammen mit den übrigen Touristen gingen sie hinüber zum nahen Flugplatzgebäude, wo sie sich trennten. Parker passierte auf dem Weg zum Zoll einen Afrikaner, der europäische Kleidung trug. Dieser Mann sah den Butler gleichgültig-zurückhaltend an und drehte sich langsam, wie unabsichtlich um, als Parker hinter der Glastür des Zolltrakts verschwand.
Der Afrikaner, der eine Sonnenbrille trug, obwohl sie eigentlich wegen der Lichtverhältnisse nicht mehr notwendig war, schlenderte durch die weite Empfangshalle nach draußen und zündete sich auf der Treppe fast umständlich eine Zigarette an.
Anschließend setzte er sich in einen Landrover und ließ den Eingang nicht mehr aus den Augen.
*
»Nairobi, die Hauptstadt der Safaris«, stellte Rander vor, als er mit Sue Weston die Empfangshalle verlassen hatte. Er deutete auf die breite Straße, auf die Hochhäuser im Hintergrund, auf die vielen weißen ein- und zweistöckigen Gebäude inmitten der Wald- und Parkanlagen und schließlich auf einen alten Bus, der hoffnungslos überbesetzt war und mit klappernden Ventilen in Richtung Stadt vorbeiratterte.
»Das wirkt alles sehr westlich«, meinte Sue enttäuscht.
»Abwarten«, gab Rander lächelnd zurück. »Sie werden noch auf ihre Kosten kommen, Miß Weston. Wo zum Teufel, steckt dieser Mister Maudling?«
Rander hatte noch nicht ganz ausgesprochen, als dicht vor ihnen ein Landrover anhielt, aus dem der Afrikaner stieg, der jetzt seine Sonnenbrille absetzte. Er lächelte Rander und Sue Weston breit an.
»Mister Rander?« fragte er in fehlerfreiem Englisch.
»Okay«, bestätigte Rander erleichtert.
»Mister Maudling ist leider verhindert«, sagte der Afrikaner, »er läßt sich entschuldigen. Ich soll Sie abholen.«
»Wunderbar«, freute sich Rander und war erleichtert, »bleiben wir hier in Nairobi, oder geht’s sofort raus nach Tabora-Lodge?«
»Wir werden in anderthalb Stunden dort sein«, sagte der Afrikaner, »die Straße bis dahin ist sehr gut. Von ein paar Meilen abgesehen. Ist ihr Gepäck schon durch den Zoll?«
Wie auf ein Stichwort him erschien Josuah Parker. Hinter ihm karrte ein schwarzer Gepäckträger die Koffer und diversen Reisetaschen des Trios.
Das Verladen des Gepäcks dauerte knapp fünf Minuten. Nachdem Parker neben dem Afrikaner, Rander und Sue Weston auf dem Rücksitz Platz genommen hatte, begann die Fahrt in die schnell einfallende Dunkelheit hinein.
Der Afrikaner, der sich als Joe Ugalla vorgestellt hatte, erwies sich als ausgezeichneter Fahrer, der seinen Wagen beherrschte. Er preschte durch die Straßen der Stadt und minderte erst das Tempo, als sie die große Ausfallstraße nach Südosten erreicht hatten. Diese Straße entpuppte sich recht bald als eine gepflegte Piste, auf der allerdings Asphalt und Beton fehlten. Dennoch ließ die Fahrt sich ertragen.
Joe Ugalla drosselte das Tempo noch mehr, als sich links und rechts der Straße hoher Busch ausbreitete, der im Licht der voll aufgedrehten Scheinwerfer magisch erhellt wurde.
»Wildwechsel«, sagte er erklärend, »hier muß man jeden Moment mit Überraschungen rechnen.«
Parker nickte zurückhaltend und ließ sich nicht weiter ablenken. Er dachte an den Zweck der Reise und an die Probleme des Mister Paul Maudling, der sie nach Kenia eingeladen hatte.
Maudling hatte erfreulicherweise von Mord gesprochen, ein Thema, das in Parkers Ohren stets einen guten Klang hatte. Mord, das klang nach einem neuen, interessanten Kriminalfall, den Parker sich auf keinen Fall entgehen lassen wollte.
Um was es sich genau handelte, war noch unbekannt. Parker und Rander wußten nur, daß dieser Mister Maudling sich bedroht fühlte und daß er glaubte, man habe seine Ermordung geplant. Warum dieser Mord durchgeführt werden sollte, hatte Maudling nicht geäußert, darüber wollte er an Ort und Stelle reden.
Mike Rander, sonst skeptisch, war auf Maudlings Vorschlag eingegangen, nach Kenia zu kommen. Der Hotelmanager bezahlte schließlich den Hin- und Rückflug und den Aufenthalt. Maudlings Finanzen wurden damit keineswegs überfordert, denn – und dies hatte Parker diskret erforscht – er war ein Mann, der über einige private Millionen verfügte. Er besaß eine Hotelkette in Kenia, Tansania und in Südafrika. Maudling hatte sich ganz auf den internationalen Tourismus eingestellt und machte damit sein Geld.
Parker schreckte aus seinen Gedanken hoch, als der Landrover plötzlich durch eine Kette von Schlaglöchern rumpelte.
»Abkürzung«, sagte Joe Ugalla erklärend und lachte beruhigend, »wir sparen so wenigstens dreißig Minuten.«
Parker nickte und versenkte sich erneut in seine Gedanken. Er überprüfte noch mal in seiner Vorstellung, ob er alle Reisevorbereitungen auch richtig getroffen hatte. Im vorhinein unterstellte er peinliche Zwischenfälle und versuchte, sich darauf einzustellen. Er hoffte, aus seiner privaten Bastelstube die Dinge mitgenommen zu haben, die man in Busch und Savanne möglicherweise brauchte.
Parker wurde erneut durchgeschüttelt.