Wyatt Earp Staffel 2 – Western. William Mark D.
konnte, wenn es notwendig war.
Unbeweglich hing die Gardine vor den beiden Männern.
Plötzlich zuckte Gilbert zusammen und griff nach seiner hämmernden Schläfenwunde. »Da kommt er!«
Ja, drüben trat jetzt Milt Rice aus dem Hoteleingang.
Er hatte eine lange, dünne Virginia zwischen den Lippen, war frisch rasiert, hatte die Hände in den Taschen und blickte die Straße hinunter. Ganz langsam überquerte er den Vorbau, kam über die Straße und hielt, genau auf das Arzthaus zu.
Wyatt hatte den Revolver hochgenommen, er spannte nun geräuschlos den Hahn.
Milt Rice ahnte nicht, daß er vor der Mündung eines so gefährlichen Revolvers spazierenging.
»Er kommt hierher!« stieß der Arzt leise durch die Lippen.
Milt Rice hämmerte in diesem Augenblick schon gegen die Haustür. »Doc! Mach auf!« rief er laut.
»Öffnen Sie!« sagte Wyatt.
Der Arzt ging zögernd zur Tür.
Als der Bandit ins Zimmer trat und sich dem Marshal gegenübersah, blieb er wie angewurzelt stehen. Aber sein Schrecken verflog rasch, als er Wyatts kalkiges Gesicht erblickte.
»He! Dachte ich mir’s doch! Wyatt ist also hier! Wie geht’s, Marshal? Lange nicht gesehen.«
Wyatt erwiderte nichts auf diesen Spott.
Rice sah erst jetzt den Revolver in der Hand des Missouriers. »Hallo! Das ist ja ein ungemütlicher Empfang!« rief er schrill und lachte dabei unsicher.
»Was wollen Sie?« fragte der Arzt mit belegter Stimme.
Rice blickte unverwandt in das kantige Gesicht des Marshals. »Wenn du schießt, Earp, machen meine Leute die Stadt dem Erdboden gleich, darauf kannst du dich verlassen! Ich gehe jetzt wieder. Und ich werde warten, bis du wieder hoch kommst. Bist du in drei Tagen nicht auf den Beinen, gebe ich dir den Rest! In drei Tagen schießen wir uns da draußen! Wir beide – du und ich!«
Damit wandte der Bandit sich ab und ging hinaus.
Wyatt blickte mit glasharten Augen hinter ihm her, wie er im flutenden Sonnenlicht die breite Straße überquerte.
Doc Gilbert preßte die Zähne aufeinander. Dann ging er zum Schrank und nahm eine große Whiskyflasche heraus. »Ich muß einen Schluck trinken. Sie auch?«
Wyatt schüttelte den Kopf.
Gilbert goß sich ein halbes Wasserglas voll. Ehe er trank, setzte er das Glas wieder ab. »Wenn ich es richtig überlege, bin ich an Ihrem Unglück schuld. Ich war es, der Sie hier festgehalten hat. Weil ich glaubte, Dodge City brauchte so einen großen, starken Mann. Und es war auch so. Aber es ist auch so, daß das Gesindel sich wie die Aasgeier immer wieder einfindet, wenn der Löwe verwundet ist!«
Wyatt blickte verbissen vor sich hin. Damned! Wenn es wenigstens einem der beiden Deputies bessergehen würde. Aber Calligan lag daheim im Bett und würde Wochen brauchen, um auf die Beine zu kommen; und Bat Mastersons Rückenverletzung hatte sich als lebensgefährlich erwiesen.
*
Es war so, als hätte sich zwischen den Maitagen und jetzt nichts geändert in der Stadt. Milt Rice hatte wieder revolverschwingend die Herrschaft an sich gerissen.
Als Jack Brisbane ihn in die Stadt hatte reiten sehen, hatte er erst abgewartet.
Gegen Abend war er dann auf das Hotel zugegangen.
Rice stand auf dem Vorbau. »Wer bist du?«
Der Texaner grinste. »Cass Brisbanes Bruder.«
Rices Gesicht hellte sich sofort auf. »Come on, follow! Hast du etwas Wyatt Earp von den Beinen geholt?«
»Yeah – aber ich bin nicht sehr stolz darauf. Irgend so ein halbblinder Kerl hat ihm die Tür in den Rücken geworfen. Sein linker Arm flog nach oben, und ich konnte schießen.«
»Das hast du ja auch gründlich besorgt«, versetzte Milt feixend. »Ich sage nicht, daß du nicht glücklich darüber bist, fellow: Der Marshal hätte dich sonst todsicher erwischt.«
»Das eben wollte ich sehen.«
Der Bandit lachte breit und zeigte sein unappetitliches Gebiß. »Du bist ein Gemütsmensch, Brisbane. Aber das war dein Bruder auch. Trotzdem haben sie ihn fertiggemacht.«
»Wie war das eigentlich?«
»Er hat sich mit Doc Holliday geschossen.«
»War es hier?«
Der Sheriffsmörder streckte den Arm aus. »Genau da, wo du stehst, da fiel er in den Sand. Holliday hatte ihn sofort erwischt.«
Der große Texaner schluckte. Sein spitzer Adamsapfel rollte auf und ab. »Worauf wartest du, Rice?«
»Ich habe dem Marshal drei Tage gegeben. Dann muß er sich mit mir schießen.«
Brisbane lachte hart auf. »Du bist ein Halunke, Milt Rice. Du weißt genau, daß er in drei Tagen nicht hochkommt. Aber du willst jedermann sagen können, was für eine Chance du ihm gegeben hast und welch ein fairer Mann du bist.«
Rice blinzelte den anderen an. »Und wenn es so wäre?«
»Deine Sache.«
»Eben.«
Rice wandte sich halb ab. »Machst du mit?«
»Sicher. Ich habe unten im Panhandle alles verkauft. Wenn ich hier fertig bin, reite ich weiter.«
»Wohin?«
»Ich suche Doc Holliday.«
»Hoffentlich hast du damit auch soviel Glück. Das mit dem Marshal – das war mehr Glück als sonstwas.«
»Ich weiß. Ich hätte ihm eine Woche gegeben, nicht drei Tage.«
»Du bist ja auch wahnsinnig«, versetzte der Bandit kalt. »Du kennst diesen Wolf nicht. Er ist glatt imstande, sich in einer Woche wieder hochzurappeln. Und wenn du ihn nur einmal schießen gesehen hättest, wärest du bedient!«
»Weshalb erledigst du ihn dann nicht gleich?«
Rice grinste wieder und kratzte sich das Kinn. »Weil ich hier in der Stadt etwas werden will. Weil ich nicht möchte, daß die Leute einmal sagen können: Er hat den großen Wyatt Earp ermordet.«
»Hast du nicht auch den Sheriff erschossen?«
»Nein, das war Salt Cunnings!« log der Bandit frech.
Er hatte seine hochfahrenden Pläne also immer noch nicht aufgegeben, der Sheriffmörder. Immer noch träumte er davon, in dieser Stadt ein Reich errichten zu können. Er war nicht klug genug, sich zu sagen, daß alles, was mit Terror aufgebaut wurde, durch Gewalt wieder verschwinden mußte. So gerissen er sonst auch war, dieses Naturgesetz war ihm unbekannt.
Vielleicht wollte er es auch nur nicht kennen.
Und es gab noch etwas, das den Verbrecher wieder hergetrieben hatte: In den langen Sommernächten hatte er immer wieder ein Mädchengesicht vor sich gesehen, das von berückender Schönheit war. Ein Augenpaar, das ihn einmal in einer heißen Minute haßerfüllt angesehen hatte.
Er würde sie bekommen! Sie mußte seine Frau werden, die schöne Jenny Hoover. Und niemand sollte ihn daran hindern!
Gleich an diesem Abend würde er dem Mädchen seine Absicht mitteilen. Das hatte er sich fest vorgenommen.
Als die Dunkelheit hereingebrochen war, machte er sich auf den Weg.
Jenny stand im Garten und nahm Wäsche von der Leine, als Milt Rice über den niedrigen Zaun jumpte.
Das Mädchen schrak zusammen.
»Nichts da, Täubchen, ich bin’s!« rief der Verbrecher.
Jenny war so erschrocken, daß sie nicht fähig war, einen