Fear Street 57 - Mondsüchtig. R.L. Stine

Fear Street 57 - Mondsüchtig - R.L. Stine


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„Du bist ja ganz kalt!“

      Sue zuckte mit den Achseln. „Ich bin auch nicht für arktische Temperaturen angezogen.“

      Sues Tante war eine zierliche, aber kräftige Frau mit scharfen Gesichtszügen. Sie hatte eine Hakennase und ein sehr spitzes Kinn. Mit ihrem gefärbten roten Haar, den stahlblauen Augen und dem dunkelroten Lippenstift sah sie ziemlich taff aus. Sie kümmerte sich um Sue und Cliff, seit ihre Eltern vor fast drei Jahren gestorben waren.

      Sue und Tante Margaret gingen langsam den Gang hinunter. Auf der einen Seite war das Gemüse, auf der anderen das Obst. Ein junger Mann in einer weißen Schürze spritzte den Salat mit einem Wasserschlauch ab, damit er frisch blieb.

      „Habt ihr eigentlich schon einen Namen für eure Band?“, fragte Tante Margaret und ließ einen Beutel Möhren in den Einkaufswagen fallen.

      „Bäh, Möhren!“, meckerte Cliff.

      „Noch nicht“, antwortete Sue. „Caroline fand, wir sollten uns die Musikalischen Analphabeten nennen. Das fanden wir alle ziemlich witzig. Aber Billy war es zu negativ.“

      „Ist Billy der Manager der Band?“, fragte Tante Margaret, während sie einen Plastikbeutel abriss. Sie beugte sich hinunter, um Kartoffeln aus einem großen Korb auf dem Boden auszusuchen.

      „Deine Band ist doof“, maulte Cliff.

      Tante Margaret ignorierte ihn. Sie richtete sich auf und musterte Sue mit ihren kleinen, wachsamen Augen. „Du siehst müde aus.“

      Sue seufzte. „Kein Wunder, wenn man zwei Wochen mit dem Kleintransporter durch die Gegend gondelt und in kleinen Musikclubs spielt.“

      „Ich finde es gut, dass du dich entschieden hast, bei dieser Band mitzumachen, anstatt gleich aufs College zu gehen“, sagte ihre Tante. „Es ist toll, ein Jahr herumzureisen und ein bisschen Spaß zu haben, bevor du weiter zur Schule gehst.“

      „Stimmt, Spaß hab ich wirklich“, sagte Sue. „Und Caroline und ich sind richtig gute Freundinnen geworden.“

      „War Caroline die, die Klavier spielt?“, fragte Tante Margaret.

      „Keyboard“, antwortete Sue. „Es ist schön, eine neue Freundin zu haben, und aus der Band ist eine super Clique geworden. Aber ich vermisse dein Essen. Die ganze Woche hab ich gedacht, wenn ich noch einen von diesen fettigen Hamburgern verdrücken muss, dann ...“

      Tante Margaret lachte. Sie hatte ein leises, trockenes Lachen, das mehr wie ein Husten klang. „Okay, heute darfst du dir was aussuchen“, sagte sie. „Ich koch dir zum Abendessen alles, was du willst.“

      „Hmmm ...“ Sue kniff ihre dunklen Augen zusammen und überlegte angestrengt. „Tja, worauf hab ich denn Appetit?“ Sie lächelte. „Oh, ich weiß. Auf dieses Hühnchen mit Ananas.“

      „Gut. Geht in Ordnung“, sagte Tante Margaret. Sie sah sich um. „Wo ist eigentlich Cliff abgeblieben?“

      Sue machte sich auf die Suche nach ihrem Bruder. Das grelle Neonlicht der Deckenbeleuchtung verlieh allem einen seltsamen Grünstich. Die Regale mit Gläsern und Dosen, die Auslagen, die Kunden – alles wirkte viel zu hell, viel zu scharf umrissen. Irgendwie unwirklich. Das harte Licht schmerzte richtig in den Augen. Sue begann zu zittern und spürte, wie sich eine Gänsehaut über ihren ganzen Körper ausbreitete.

      „Warum ist es hier drinnen so kalt?“, fragte sie sich. „Kaufen die Leute mehr zu essen, wenn sie halb erfroren sind?“

      „Sue, was machst du denn da?“, riss plötzlich Cliffs schrille Stimme sie aus ihren Gedanken.

      „Was?“ Sie blickte verwirrt auf die Verpackung hinunter, die sie in der Hand hielt.

      Eine Packung mit rohem Rindfleisch, die aufgerissen war.

      Erst jetzt bemerkte Sue, dass sie mit einer Hand einen Klumpen rohes dunkelrotes Fleisch knetete.

      Und was hatte sie da im Mund? Hastig schluckte sie das Fleisch, auf dem sie herumgekaut hatte, hinunter. Es fühlte sich widerlich kalt und glitschig an.

      „Sue, warum isst du denn so ’n Zeug?“, rief Cliff erschrocken.

      „Ich ... ich weiß nicht!“, stotterte sie, während sie spürte, wie ihr das Blut kalt das Kinn hinunterlief.

      Kapitel 1

      „Joey, bitte fahr langsamer“, bat Sue.

      Der Kleintransporter holperte durch ein tiefes Schlagloch auf dem Highway. Die Taschen und Instrumente, die oben auf dem Van festgezurrt waren, knallten gegen das Dach.

      „Ich fahr langsamer, wenn du zu mir nach vorne kommst und dich auf meinen Schoß setzt“, verkündete Joey.

      Sue konnte ihn im Rückspiegel grinsen sehen. „Vergiss es!“, fauchte sie. „Hör auf, dich so idiotisch zu benehmen!“

      Er lachte nur und trat aufs Gaspedal. Der Motor heulte auf, und der Van schoss ruckartig vorwärts, sodass Sue in den Sitz gedrückt wurde.

      „Joey!“, rief sie empört und wollte schon einen Streit anfangen, doch dann überlegte sie es sich anders. Er fand es nun mal cool, so schnell zu fahren. Und wenn sie sich darüber aufregte, würde er nur noch mehr aufs Gaspedal drücken.

      Joey stieß einen ausgelassenen Schrei aus. Seine lockigen schwarzen Haare flatterten im Luftzug, der durch das offene Wagenfenster hereindrang. Obwohl es dunkel war, fuhr er mit Sonnenbrille.

      Sue saß zwischen Caroline und Mary Beth in der zweiten Sitzreihe. „Ich geb’s auf. Er ist einfach unmöglich“, flüsterte sie den beiden zu.

      „Ihr müsst es da hinten doch mächtig eng haben, Mädels!“, rief Joey über das Brausen des Windes hinweg, während er den Van um eine scharfe Kurve lenkte. „Na, wer von euch will auf meinem Schoß sitzen?“

      Sie ignorierten ihn.

      Wie immer.

      Die Scheinwerfer eines entgegenkommenden Lastwagens strahlten genau in den Wagen. Sue beschattete ihre Augen mit der Hand. Als Joey den Transporter hart nach rechts riss, stieß sie unsanft gegen Caroline.

      „Hey, pass doch auf!“, schimpfte Caroline und zog ihn an seinen flatternden Haaren.

      „Caroline, flirtest du etwa mit mir?“, johlte er.

      Sie lehnte sich abrupt zurück. „Von wegen“, sagte sie spitz. „Ich flirte nur mit Angehörigen meiner eigenen Spezies.“

      Sue und Mary Beth lachten. Caroline war schlagfertig und hatte einen ziemlich bissigen Humor.

      Hinter ihnen auf dem Rücksitz schliefen Billy und Kit. Sue fragte sich, wie sie das machten – bei dem Geholper und Gerüttel. Sie warf über die Schulter einen Blick auf die beiden. Billy war der Manager der Band und mit seinen zweiundzwanzig Jahren der Älteste von allen. Kit war zwei Jahre jünger als Billy. Als Roadie war er zuständig für die Ausrüstung und den Sound. Er sah so gut aus, dass die Mädchen im Publikum ihm normalerweise mehr Aufmerksamkeit schenkten als den Bandmitgliedern selbst.

      Hinter der Leitplanke flitzten in der Tiefe dunkle Farmen und leere Felder vorbei. Die Luft, die durch das offene Fenster hereindrang, war heiß und feucht.

      „Ich hab nochmal über einen Namen für unsere Band nachgedacht“, sagte Caroline. „Wir könnten uns doch vielleicht ...“

      „Wir denken alle an nichts anderes“, schnitt Mary Beth ihr das Wort ab. Die Drummerin war ein kleines, hübsches Mädchen mit karottenfarbenen, sehr kurz geschnittenen Haaren und leuchtenden grünen Augen.

      „Warum nennen wir uns nicht einfach Die Beatles und hören auf, uns noch länger den Kopf darüber zu zerbrechen“, witzelte Caroline.

      Sue lachte. „Gab’s da nicht schon mal ’ne Band mit dem Namen?“

      „Und die waren gar nicht so übel“, erwiderte Caroline.


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