Fear Street 57 - Mondsüchtig. R.L. Stine
sie sich nicht mit ihr das Zimmer teilen. So, wie Dee sich ihr gegenüber benahm, würden sie sich bestimmt an die Kehle gehen, bevor die Nacht vorbei wäre.
Das Zimmer ähnelte der Lobby. Es wirkte etwas schäbig und war sehr klein.
Caroline warf schwungvoll ihre Tasche aufs Bett. „Beeilen wir uns und sehen uns mal diesen Rocket Club an.“
Die beiden Mädchen packten schnell ihre Sachen aus und fuhren dann mit dem Fahrstuhl, der sich wie in Zeitlupe bewegte, hinunter in die Lobby. Dort warteten Mary Beth und Dee schon ungeduldig auf sie. Caroline und Mary Beth stürmten zur Tür, aber Dee blieb zurück und packte Sue am Arm.
„Ich muss mit dir reden“, flüsterte sie ihr eindringlich zu.
Sue zuckte zusammen, als Dees Nägel sich in ihre nackte Haut gruben. „Hey, du tust mir weh! Lass mich sofort los!“ Sue funkelte sie wütend an.
Aber Dee verstärkte ihren Griff. „Das wird dir noch Leid tun!“, zischte sie Sue leise ins Ohr. „Das wirst du bereuen!“
Kapitel 4
„Was soll das heißen?“, fragte Sue.
Dees goldbraune Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. Sie öffnete den Mund, um zu antworten. Aber Carolines Stimme unterbrach sie.
„Beeilt euch mal ’n bisschen, Leute!“, rief sie über die Schulter. „Kommt ihr heute noch?“
„Sue ...“, setzte Dee an.
„Lass mich in Ruhe!“, fauchte Sue sie an. „Ich weiß nicht, was mit dir los ist. Aber dein Theater hängt mir zum Hals raus.“
Sie riss sich los und durchquerte mit großen Schritten die Lobby. Dummerweise wusste sie genau, was mit Dee los war: Dee hasste sie, weil sie ihr die Schau stahl. So einfach war das.
Als sie die Straße überquerten, begann Sue wieder zu frösteln. Sie beschleunigte ihre Schritte, um schnell nach drinnen zu kommen.
Billy wartete im Rocket Club auf sie. „Der Club ist fantastisch!“, rief er über das Dröhnen der Anlage hinweg. „Hier passen über hundert Leute rein!“
Dee griff nach seiner Hand. „Komm! Lass uns tanzen!“ Sie zog Billy auf die überfüllte Tanzfläche. Caroline und Mary Beth gingen zur Bar, um sich eine Cola zu holen.
Sue blieb zurück und schaute sich um. Der Club war voller lachender, schwitzender, tanzender Leute.
Flecken aus grünem und rotem Neonlicht huschten über Decke und Wände. Die Musik dröhnte laut in ihren Ohren.
Sue wich der Menge aus und suchte sich ein leeres Tischchen. Sie setzte sich auf einen wackligen Stuhl und betrachtete die niedrige Bühne.
Heute tanzten die Leute zu Musik vom Band. Aber morgen würden sie dort oben stehen! Sie lächelte voller Vorfreude.
„Wow, ich liebe dieses Lächeln“, schnurrte eine Stimme in ihr Ohr.
Sue fuhr erschrocken zusammen.
Joey beugte sich über sie. Seine lockigen schwarzen Haare berührten dabei ihre Wange.
„Joey!“ Sie wich zurück. „Schleich dich gefälligst nicht so an mich ran!“
Er lachte nur und setzte sich rittlings auf einen Stuhl. „Warum lächelst du mich eigentlich nie so an?“, fragte er.
Sue war nicht in der Stimmung zu flirten. Und mit Joey sowieso nicht. „Weil du zu schnell fährst“, sagte sie. „Und weil du mich absichtlich erschreckst.“
Joey schob sich die Sonnenbrille auf den Kopf und sah sie mit seinen grauen Augen an. „Und wenn ich langsamer fahren würde?“
Sue schüttelte den Kopf.
„Sei doch nicht so.“ Joey schob seinen Stuhl näher. „Lass uns tanzen, ja?“
„Danke, aber mir ist nicht nach tanzen. Ich bin ziemlich müde von der Fahrt.“
„Eben sahst du kein bisschen müde aus“, maulte Joey. Sein Arm glitt auf ihre Stuhllehne. Seine Fingerspitzen berührten ihre nackte Schulter.
„Ich hab an morgen gedacht“, erklärte Sue. „Du weißt schon. Wie es wohl ist, vor so vielen Leuten zu spielen.“
Joey streichelte weiter ihre Schulter. „Wie wär’s, wenn du für ein Publikum spielst, das nur aus einer Person besteht?“, schlug er mit weicher Stimme vor. „Wir könnten in mein Zimmer gehen, und du singst nur für mich.“
Genervt schüttelte Sue seine Hand ab. „Gib’s auf, Joey. Okay?“ Sie tat so, als müsse sie gähnen. „Ich denke, ich geh zurück ins Hotel und hau mich hin.“
Sue schob ihren Stuhl zurück und stand auf.
Joey packte sie am Arm. „Na, komm schon. Ich beiße nicht.“
„Ich werde langsam ernsthaft sauer“, erwiderte Sue scharf.
Plötzlich tauchte Billy am Tisch auf. „Stimmt irgendwas nicht?“, fragte er.
Joey ließ schnell Sues Arm los. „Alles bestens“, sagte er. „Voll im grünen Bereich.“
„Gut.“ Billy deutete mit dem Daumen über die Schulter. „Kit braucht hinter der Bühne ein bisschen Hilfe“, meinte er. „Es ist irgendwas mit den Kabeln.“
Joey nickte frustriert. „Geht klar.“ Er zeigte mit dem Finger auf Sue. „Heb einen Tanz für mich auf, ja? Wenn du mal nicht so müde bist.“
„Ja, ja.“ Sue stieß einen erleichterten Seufzer aus, nachdem Joey verschwunden war.
„Der geht ganz schön ran, was?“, bemerkte Billy und nahm sich Joeys Stuhl. „Ich werd mit ihm reden.“
„Nein, lass mal“, wehrte Sue ab. „Ich kann schon mit ihm umgehen.“
Billy runzelte die Stirn. „Sag mir Bescheid, wenn er dich nochmal belästigt. Joey weiß, dass er sich nicht mit mir anlegen darf.“
„Niemand würde es wagen, sich mit dir anzulegen“, zog Sue ihn auf.
„Schluss mit Joey“, sagte Billy und trommelte mit den Fingern auf den Tisch. „Was hältst du von dem Club?“
„Er ist toll!“, rief Sue. „Bevor Joey gekommen ist, habe ich mir gerade vorgestellt, wie ich vor so einem Riesenpublikum auf der Bühne stehe.“
„Lampenfieber?“, fragte Billy lächelnd. Dabei sah man kurz das Grübchen in seiner Wange.
„Jedes Mal“, gab sie zu. „Ich versuch’s zu unterdrücken, aber ich kann nichts dagegen machen.“
„Das merkt man dir nicht an“, versicherte er ihr und kam näher, um die Musik zu übertönen. „Du hast eine tolle Ausstrahlung. Und du bist eine super Sängerin. Die Band kann froh sein, dass sie dich hat.“
„Danke, aber das gilt umgekehrt auch für mich“, sagte Sue. „Ich hätte nie gedacht, dass ich so eine Chance bekomme.“ Sie sah sich lächelnd in dem überfüllten Raum um.
Dabei entdeckte sie Dee. Sogar quer durch den Saal konnte sie das wütende Funkeln in ihren Augen sehen.
Dees Blick wanderte von Billy zu Sue. Es schien ihr überhaupt nicht zu gefallen, dass sie sich unterhielten.
„Na toll“, dachte Sue. „Läuft zwischen den beiden etwa was?“
„Hallo, Leute“, platzte eine Stimme in ihre Gedanken.
Als Sue aufblickte, schaute sie in die hellblauen Augen von Kit, der für die Anlage der Band zuständig war.
Kit war eindeutig einer der bestaussehenden Typen hier. Sue lächelte ihn an. Er war groß, hatte hohe Wangenknochen und ein kantiges Kinn, sehr dunkle Haare und eisblaue Augen, die von langen schwarzen Wimpern umrahmt wurden.
„Hey,