Der Raum, in dem alles geschah. John Bolton
wegen seiner unzulänglichen Leistung verloren hatte (so wie es Kissinger vorausgesagt hatte), und das »russische Problem« war einfach eine politisch bequeme Tarnung. Flynn trat am Abend des 13. Februar zurück, nach einem Tag voller Sturm und Drang im Weißen Haus, nur wenige Stunden nachdem eine unglückliche Kellyanne Conway die unfaire und undankbare Aufgabe erhalten hatte, dem gefräßigen Pressekorps mitzuteilen, dass Flynn Trumps volles Vertrauen genieße. Das ist die Definition von Verwirrung und Unordnung.
Verwirrung und Unordnung kennzeichneten leider auch das Personal des Nationalen Sicherheitsrats in den ersten drei Wochen der Regierung. Bei den Personalentscheidungen herrschte Durcheinander, als CIA-Direktor Mike Pompeo persönlich den verblüffenden, fast beispiellosen Schritt unternahm, einem von Flynn für den Posten des leitenden Direktors ausgewählten Kandidaten die Freigabe sensibler Informationen zu verweigern, obwohl das einer der Spitzenposten im NSC ist.10 Die Verweigerung dieser wesentlichen Freigabe hinderte, wie jeder wusste, diese Person faktisch daran, beim NSC zu arbeiten, was für Flynn ein harter Schlag war. Außerdem sah er sich zahllosen Kämpfen mit Karrierefunktionären gegenüber, die während Obamas Amtszeit zum NSC abkommandiert worden, aber, wie üblich, zu Beginn der Trump-Präsidentschaft immer noch da waren. Diese Kämpfe führten dazu, dass häufig Berichte über Beamtenblut durchsickerten, das sich auf dem Boden des Weißen Hauses und des Eisenhower Executive Office Building sammelte, dem großen grauen Granithaufen im viktorianischen Stil auf der West Executive Avenue, in dem der Großteil des NSC-Personals untergebracht ist.
In ähnlicher Weise stolperte das Weiße Haus in den frühen Tagen bei einem der Hauptthemen von Trumps Wahlkampagne – der Eindämmung der illegalen Einwanderung – von einem Fettnäpfchen in das andere, als es versuchte, Verfügungen des Präsidenten und politische Richtlinien zu erstellen. Gerichtliche Anfechtungen waren unausweichlich, und es war wahrscheinlich, dass es in einer Justiz, die mit Obama-Ernennungen aus acht Jahren besetzt war, zu heftigen Rechtsstreitigkeiten käme. Aber das Weiße Haus nahm für die anfänglichen Einwanderungsdebakel vollständig die Schuld auf sich und gestand einen Mangel an Übergangsvorbereitung und interner Koordination ein. Ein »Dissent-Channel«-Telegramm im Außenministerium, das für die interne Verbreitung gedacht war, fand seinen Weg ins Internet, unterzeichnet von über tausend Mitarbeitern, die die Einwanderungsinitiative kritisierten. Die Presse weidete sich daran, obwohl die Argumente im Telegramm schwach, unzusammenhängend und schlecht präsentiert waren. Aber irgendwie blieben das Telegramm und ähnliche Argumente von Medienkommentatoren und Gegnern aus dem Parlament unbeantwortet. Wer hatte das Sagen? Was war der Plan?
Überraschenderweise rief Tillerson mich an, drei Tage, nachdem der Senatsausschuss für auswärtige Beziehungen seiner Nominierung am 23. Januar mit 11 zu 10 Stimmen im Einklang mit der Parteilinie zugestimmt hatte, und holte mich aus einer Vorstandssitzung. Wir sprachen dreißig Minuten lang, hauptsächlich über organisatorische Fragen des Außenministeriums und darüber, wie der behördenübergreifende Entscheidungsprozess funktionierte. Tillerson war freundlich und professionell und völlig uninteressiert daran, mich als seinen Stellvertreter zu haben. Wäre ich an seiner Stelle gewesen, hätte ich mich natürlich genauso gefühlt. Tillerson sagte später zu Elliott Abrams, den er ebenfalls in Betracht zog, dass er sich jemanden wünschte, der hinter den Kulissen arbeitete und ihn unterstützte, und nicht jemanden, der öffentliche Aufmerksamkeit erregt hatte, wie ich bei der UNO und als Fox-Kommentator. Tillerson fragte mich, ob ich mich im Außenministerium für einen anderen Posten als den des Stellvertreters interessiere, und ich sagte Nein, da ich bereits den zweitbesten Job als UN-Botschafter gehabt hatte. Tillerson lachte, und wir sprachen über die oft angespannten Beziehungen zwischen Ministern und UN-Botschaftern. Es war klar, dass er nicht mit Haley über ihre Beziehung gesprochen hatte und dass er keine Ahnung hatte, wie er mit dieser tickenden Zeitbombe umgehen sollte.
Ich machte mir Sorgen, dass Tillerson anfällig sein könnte, von der Bürokratie des Außenministeriums in Beschlag genommen zu werden. Er hatte seine gesamte einundvierzigjährige Karriere bei Exxon verbracht, in einem Umfeld, in dem es klare Leistungskennzahlen gab, in dem Gewinn- und Verlustrechnungen strenge Zuchtmeister waren und in dem die Unternehmenskultur kaum revolutionären Veränderungen von innen unterworfen war. Nachdem er jahrelang an der Spitze der Exxon-Hierarchie verbracht hatte, in dem Glauben, dass alle seine Untergebenen auf seiner Seite seien, wäre es bemerkenswert gewesen, wenn Tillerson, der in der Ministersuite im siebten Stock saß, etwas anderes über die Karrieristen in den Stockwerken unter ihm oder auf ihren Posten in der ganzen Welt angenommen hätte. Gerade wegen seines Hintergrunds hätte sich Tillerson mit Leuten umgeben müssen, die mit den Stärken und Schwächen des Auswärtigen Dienstes und des öffentlichen Dienstes vertraut sind, aber er ging einen ganz anderen Weg. Er strebte weder eine kulturelle Revolution an (wie ich es getan hätte), noch machte er sich »das Gebäude« (wie alle, die dort arbeiteten, es nannten) zu eigen, noch versuchte er, die Bürokratie zu kontrollieren, ohne sie grundlegend zu verändern (wie es Jim Baker getan hatte). Stattdessen isolierte er sich mit ein paar vertrauten Mitarbeitern und bezahlte den unvermeidlichen Preis.
Aber da Flynn, ob fairer- oder unfairerweise, kolossal scheiterte, war die Stelle des Nationalen Sicherheitsberaters, die ich zuvor wegen Flynns Nähe zu Trump nicht in Betracht gezogen hatte, nun offen. Die Presse spekulierte, dass Flynns Nachfolger ein weiterer General sein würde, und erwähnte David Petraeus, Robert Harwood (ehemals Navy, jetzt bei Lockheed, von Mattis energisch dazu gedrängt) oder Keith Kellogg (ein langjähriger Trump-Anhänger und jetzt Exekutivsekretär des NSC). Tillerson schien unbeteiligt zu sein, ein weiteres Anzeichen dafür, dass es Schwierigkeiten geben würde, sowohl weil er nicht auf dem Laufenden war, als auch weil er nicht zu erkennen schien, welches potenzielle Problem für ihn entstehen könnte, wenn ein Verbündeter von Mattis den Job bekäme, was Tillersons Beziehungen zum Weißen Haus erschweren könnte. In der Tat wurde in den Nachrichten allgemein auf Tillersons Zurückhaltung hingewiesen.11
Bannon schickte mir am Freitag, dem 17. Februar, eine SMS und bat mich, nach Mar-a-Lago zu kommen, um Trump am Wochenende des President’s Day zu treffen. An diesem Tag twitterte Joe Scarborough von MSNBC: »Ich war entschieden gegen @AmbJohnBolton als Außenminister. Aber der ehemalige UN-Botschafter ist Thomas Jefferson in Paris im Vergleich zu Michael Flynn.« In Trumps Welt könnte dies hilfreich sein. Während der Vorwahlen in Mar-a-Lago an diesem Wochenende sagte mir ein Gast, er habe Trump mehrmals sagen hören: »Ich fange an, Bolton wirklich zu mögen.« War ich nicht zuvor schon zu dem Schluss gekommen, dass ich mich bei diesen Leuten noch mehr anstrengen musste? Trump führte Gespräche mit drei Kandidaten: Generalleutnant H.R. McMaster, Autor von »Dereliction of Duty«, einer hervorragenden Studie über zivil-militärische Beziehungen in Amerika, Generalleutnant Robert Caslen, Kommandant der Militärakademie in West Point, und mir. Ich hatte McMaster Jahre zuvor getroffen und mit ihm gesprochen und bewunderte seine Bereitschaft, kontroverse Positionen zu vertreten. Caslen traf ich zum ersten Mal, und er wirkte auf mich wie ein sympathischer und hochkompetenter Amtsträger. Beide trugen Paradeuniform und stellten sofort ihre Marketingfähigkeiten unter Beweis. Und ich? Ich hatte noch meinen Schnurrbart.
Trump begrüßte mich herzlich und sagte, wie sehr er mich respektiere und dass er mich nur zu gern als Nationalen Sicherheitsberater in Betracht ziehe. Trump fragte mich auch, ob ich einen »Titel wie den von Bannon« (der zusammen mit Priebus und Kushner auch in der Privatbar im ersten Stock von Mar-a-Lago anwesend war) in Erwägung ziehen würde, der sich mit strategischen Fragen befasst. So konnte ich offenbar einer von vielen allgemeinen »Assistenten des Präsidenten« werden, von denen es bereits zu viele in Trumps Weißem Haus gab und deren Rolle und Aufgaben nur schlampig definiert waren. Das war für mich ein völliger Reinfall, also lehnte ich höflich ab und sagte, ich sei nur an der Stelle des Nationalen Sicherheitsberaters interessiert. Wie Henry Kissinger einmal gesagt haben soll: »Nimm niemals einen Regierungsposten ohne einen Briefkasten an.«
Der Präsident versicherte mir, dass Flynns Nachfolger in organisatorischen und personellen Angelegenheiten freie Hand haben würde, was ich für die Leitung einer effektiven Personalpolitik sowie Zusammenarbeit zwischen den Behörden beim NSC für wesentlich hielt. Wir deckten das gesamte Spektrum der Weltthemen ab, eine tour d’horizon, wie das Außenministerium es gerne nennt, und Trump warf an einer Stelle ein: »Das ist so großartig. John klingt genauso wie im Fernsehen. Ich könnte einfach immer weiter zuhören. Ich liebe es.« Kushner