Omega - Die letzten Tage der Erde. Camille Flammarion

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      Omega

       Die letzten Tage der Erde

      CAMILLE FLAMMARION

      

      

      

      

       Omega, C. Flammarion

       Jazzybee Verlag Jürgen Beck

       86450 Altenmünster, Loschberg 9

       Deutschland

      

       ISBN: 9783849658878

      

       Cover Design: © Can Stock Photo / sdecoret

      

       www.jazzybee-verlag.de

       [email protected]

      

      

      CONTENTS:

       I. 1

       II. 10

       III. 17

       IV. 31

       V. 52

       VI. 57

       VII. 73

       TEIL 2. 83

       I. 83

       II. 91

       III. 98

       IV. 108

       V. 114

       VI. 119

       EPILOG. 123

      I.

      Die prächtige Marmorbrücke, die die Rue de Rennes mit der Rue de Louvre verbindet und, gesäumt von den Statuen berühmter Wissenschaftler und Philosophen, die monumentale Allee zum neuen Portikus des Instituts betont, war absolut schwarz vor Menschen. Eine gewaltige Menge wogte die Kais entlang, strömte aus jeder Straße heraus und drängte sich in Richtung des Säulengangs, der schon lange vorher vom stürmischen Mob eingenommen worden war. Niemals, in keinem der barbarischen Zeitalter vor der Gründung der Europäischen Union, als Macht oft über das Recht siegte, als militärischer Despotismus die Welt beherrschte und die törichte Menschheit im unerbittlichen Griff vieler Kriege zitterte – nie zuvor in den stürmischen Zeiten großer Revolutionen oder in den fieberhaften Tagen, die einer Kriegserklärung folgten, hatten die Zufahrtswege zum Parlament, oder der Place de la Concorde selbst, ein solches Schauspiel erlebt. Es war nicht länger eine Bande von Fanatikern, die sich um eine Flagge versammelt hatten oder in irgendeinen Kampf marschierten, gefolgt von einer Schar von Neugierigen und Wartenden, die gespannt darauf waren, was passieren würde; es ging um die gesamte Bevölkerung, die ängstlich, erregt, verunsichert und in Panik war, ohne Unterschied aus jeder möglichen Gesellschaftsschicht bestand, an der Entscheidung eines Orakels hing und fieberhaft auf das Ergebnis der Berechnungen wartete, die ein berühmter Astronom noch am selben Montag um drei Uhr in der Sitzung der Akademie der Wissenschaften ankündigen sollte. Im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft hatte das Institut überlebt und seine Vormachtstellung in Wissenschaft, Literatur und Kunst behalten – zumindest in Europa. Das Zentrum der Zivilisation lag jedoch schon viele Jahre im Westen, und der Schwerpunkt des Fortschritts zweifellos im Silicon Valley in den USA.

      Der neue Palast des Instituts, mit seinen hohen Kuppeln und Terrassen, war auf den Ruinen errichtet worden, die nach der Explosion des altehrwürdigen Gebäudes geblieben waren, einem Überbleibsel der großen, sozialen Revolution der Anarchisten, die in den 50ern immer wieder Gebäude in der Metropole gesprengt und Krater hinterlassen hatten.

      Am vorhergehenden Sonntagabend hätte man von der Gondel eines Ballons aus ganz Paris auf den Straßen, Boulevards und öffentlichen Plätzen gesehen, langsam und verzweifelt hin und her gehend, scheinbar ohne Ziel und Absicht. Aber die bunten Ballons schoben sich nicht mehr durch die Luft und auch die Flugzeuge blieben am Boden. Der Lauf des menschlichen Lebens schien stillzustehen und auf jedem Gesicht zeigte sich blanke Angst. Fremde sprachen sich ohne zu zögern an, und es war immer dieselbe Frage, die von den blassen und zitternden Lippen kam: "Ist es wirklich wahr?" Die tödlichste Seuche hätte weitaus weniger Schrecken unter der Bevölkerung verursacht als die astronomische Vorhersage, die auf jeder Zunge lag; sie hätte auch weniger Opfer gefordert, denn schon jetzt, aus einer noch unbekannten Ursache, stieg die Sterblichkeitsrate bereits an. In jedem Moment spürte man den Stromstoß einer unfassbaren und schrecklichen Angst.

      Ein paar, die weniger bestürzt waren, wollten selbstbewusster wirken und ließen ab und zu eine Bemerkung des Zweifels, ja sogar der Hoffnung, verlauten, wie: "Es könnte auch ein Irrtum sein", oder, "er wird auf einer Seite vorbeifliegen", oder auch, "es wird nichts passieren; wir werden mit dem Schrecken davonkommen", und andere, ähnliche Beteuerungen.

      Aber Erwartungen und Unsicherheit sind oft schrecklicher als die Katastrophe selbst. Ein brutaler Schlag wirft uns ein für alle Mal nieder und macht uns komplett handlungsunfähig. Dann kommen wir zur Besinnung, machen das Beste daraus, erholen uns und nehmen das gewohnte Leben wieder auf. Aber das hier –das war das Unbekannte, die Erwartung von etwas Unabwendbarem, aber Geheimnisvollem, Schrecklichem, das von jenseits aller Erfahrungen kam. Man würde sterben, ganz ohne Zweifel, aber wie? Durch den plötzlichen Schock der Kollision, zu Tode erdrückt? Durch Feuer, den Brand einer ganzen Welt? Durch Ersticken, die Vergiftung der Atmosphäre? Welche Folter erwartete die Menschheit? Die Besorgnis war vielleicht schrecklicher als die Realität selbst. Der Verstand kann nicht über eine bestimmte Grenze hinaus leiden. Leid Stück für Stück zu erleben, jeden Abend zu fragen, was der Morgen bringen wird, bedeutet, tausend Tote zu erleiden. Der Schrecken, jener Schrecken, der das Blut in den Adern verdichtet, der jeden Mut erdrückt, verfolgte die schaudernde Seele wie ein unsichtbares Gespenst.

      Mehr als einen Monat lang waren die Geschäfte der Welt ausgesetzt worden; zwei Wochen bevor der Verwaltungsausschuss (ehemals Kammer und Senat) sich vertagt hatte, war jede andere Frage bedeutungslos geworden. Eine Woche lang hatten die Börsen von Paris, London, New York und Peking ihre Türen geschlossen. Was nutzte es, sich mit geschäftlichen Angelegenheiten zu befassen, mit Fragen der Innen- oder Außenpolitik, von Erträgen oder Reformen, wenn das Ende der Welt bevorstand? Politik, in der Tat! Erinnerte sich überhaupt jemand daran, dass er sich jemals dafür interessiert hat? Die Gerichte hatten keine Fälle zu verhandeln; man mordet nicht, wenn man das Ende der Welt erwartet. Die Menschheit legte keinen Wert mehr auf irgendetwas; ihr Herz schlug heftig, als ob es für immer stehen bleiben würde. Jedes Gesicht war ausgemergelt, jede Miene aufgeregt und alle waren von Schlaflosigkeit geplagt. Nur die weibliche Koketterie war nach wie vor zu spüren, wenn auch auf eine oberflächliche, zögerliche,


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