Dr. Laurin Staffel 17 – Arztroman. Patricia Vandenberg
Inhalt
Die Musik darf uns nicht trennen
Leben im Schatten einer anderen?
Die Intrigantin an seiner Seite
»Was macht Ihnen denn das Herz schwer, Moni?«, fragte Dr. Leon Laurin, da er nicht gewöhnt war, dass seine Sekretärin an einem so strahlenden Morgen eine so ernste, nachdenkliche Miene aufsetzte.
Sie reichte ihm eine Büttenkarte. Eine Geburtsanzeige, die doch eigentlich Freude bereiten müsste. Aber Moni Hillenberg, die hübsche Frau des Assistenzarztes Dr. Michael Hillenberg, wusste, dass diese Karte mit hintergründiger Absicht an Dr. Laurin geschickt worden war.
Wir freuen uns sehr über die glückliche Geburt unserer gesunden Tochter Sandra.
Bettina Hammilton – Constantin Hammilton.
zzt. Privatklinik Dr. Dietsch.
»Interessant«, sagte Dr. Laurin ruhig. »Sie meinen, dass ich mich getäuscht habe, Moni?«
»Nein«, erwiderte sie lakonisch.
»Es würde mich freuen, wenn ich mich getäuscht hätte«, erklärte er ruhig. »Dietsch ist ein guter Arzt. Er hat Frau Hammilton über die Runden gebracht. Hoffen wir also das Beste.«
Er konnte nicht umhin, Monate zurückzudenken, als er eine Viertelstunde Zeit dazu hatte. Der Fall Bettina Hammilton war ihm noch sehr gut in Erinnerung. Er brauchte dazu nicht die Anamnese nachzulesen, denn allzu oft in seiner langen Praxis war es nicht geschehen, dass er zu einem Schwangerschaftsabbruch so eindringlich geraten hatte.
So hatte es begonnen: Vor sieben Monaten war Bettina Hammilton in der Prof.-Kayser-Klinik erschienen, eine aparte junge Frau mit grüngrauen Augen und blauschwarzem Pagenkopf.
Auf der Karteikarte stand vermerkt, dass sie zweiundzwanzig Jahre jung, ein Meter sechzig groß und fünfzig Kilo leicht sei. Seit vier Wochen war sie mit dem Testpiloten Constantin Hammilton verheiratet, schwanger jedoch im zweiten Monat. Doch hatte diese Tatsache Dr. Laurin nicht sehr beeindruckt. Amüsiert hatte es ihn anfangs nur, dass Bettina ihm ausreden wollte, dass sie bereits gut zwei Monate schwanger sei. Äußerlich war sie eine sehr moderne Frau, gab sich sehr selbstbewusst, sogar arrogant, und war ganz auf Wirkung bedacht.
Nach einer gründlichen Untersuchung jedoch war Dr. Laurin nicht mehr amüsiert gewesen, denn er hatte festgestellt, dass Bettina an Störungen des Zentralnervensystems litt. Freilich hatte er ihr dies nicht gleich gesagt.
Er hatte vielmehr ihren Mann um ein Gespräch gebeten. Das war erst eine Woche später zustande gekommen, da Constantin Hammilton beruflich sehr beansprucht war.
Constantin war der Typ eines Sonnyboys, und es passte zu ihm, dass er Conny genannt wurde. Er war groß, sportlich, forsch und von bezwingender Natürlichkeit. Dabei aber so konzentriert, wie es sein Beruf erforderte. Er erklärte Dr. Laurin frank und frei, dass das zu erwartende Kind der eigentliche Grund der etwas überstürzten Heirat gewesen sei, womit er jedoch nicht sagen wollte, dass er nicht die Absicht gehabt hätte, Bettina zu heiraten. Sie hatten sich erst vier Monate gekannt, und ihm wäre es lieber gewesen, wenn sie mit der Heirat noch gewartet hätten, da er sehr viel unterwegs gewesen sei.
Auch die Rolle des werdenden Vaters schien ihm einiges Unbehagen zu bereiten.
»Ist bei Bettina etwas nicht in Ordnung, weil Sie mit mir sprechen wollten, Dr. Laurin?«, hatte er gefragt. »Bitte, sagen Sie mir die Wahrheit. Ich bin so ungefähr der einzige Mensch, der Einfluss auf sie hat. Von ihrer Mutter wird sie wie ein rohes Ei behandelt und jede kleine Erkältung wird zu einem Drama gemacht.«
»Ich möchte mir eine ziemlich genaue Kenntnis über Ihre Frau verschaffen«, erklärte Dr. Laurin. »Von ihr selbst konnte ich nicht viel erfahren, und in einem solchen Fall ist die Vorgeschichte wichtig, sehr wichtig sogar. Ich kann noch keine endgültige Diagnose stellen, aber ich wäre Ihnen für einige Auskünfte sehr dankbar.«
»Bitte, fragen Sie nur«, sagte Conny Hammilton unbefangen.
»Am liebsten wäre es mir, Sie würden erzählen, wie Ihre Frau im täglichen Leben ist – alles, was Sie über sie wissen.«
Conny runzelte die Stirn. »Offen gestanden weiß ich reichlich wenig über Bettina. Ich lernte sie in Paris kennen. Ihr Charme hat mich gefangen genommen. Sie ist kein leeres Püppchen. Sie ist sehr intelligent und weit gereist. Ihre Mutter ist in zweiter Ehe mit dem Kunsthändler Bernulf verheiratet. Vielleicht haben Sie den Namen schon gehört.«
Dr. Laurin kannte den Namen durch seine kunstbeflissene Frau. Er nickte.
»Bettina war achtzehn, als ihr Vater starb. Sie behielt seinen Namen, aber sie versteht sich gut mit ihrem Stiefvater, der ihr jeden Wunsch erfüllt. Natürlich stattete er uns auch eine fürstliche Hochzeit aus. Ich habe für diesen Klimbim nicht viel übrig. Meine Schwiegereltern hatten keine Ahnung, dass schon ein Baby unterwegs ist. Sie denken auch jetzt noch, dass Bettina sich damit Zeit bis nach der Hochzeit gelassen hat.« Er seufzte. »Ich habe erst da festgestellt, wie exzentrisch Bettina sein kann. Nun ja, der Zustand wird daran schuld sein.«
»War Ihre Frau früher ausgeglichener?«, fragte Dr. Laurin.
»Ein Temperamentsbündel war und ist sie. Sprunghaft, himmelhochjauchzend, zu Tode betrübt, aber niemals langweilig. Sie ist gewöhnt, der Mittelpunkt zu sein. Einen Ehealltag habe ich noch nicht kennengelernt. Launisch sind ja wohl alle Frauen.«
»Nicht alle«, erwiderte Dr. Laurin, und dabei dachte er zuerst an seine Frau Antonia, mit der er eine sehr harmonische Ehe führte.
»Ist Ihnen etwas Ungewöhnliches an Ihrer Frau aufgefallen?«, fragte er dann weiter.
»Manchmal ist sie nahezu euphorisch und im nächsten Augenblick müde, falls so etwas ungewöhnlich ist bei Frau. Ganz genau habe ich noch keine Frau kennengelernt, wenn ich ehrlich sein soll.«
Seine Aufrichtigkeit machte Dr. Laurin Mut. Er erklärte Conny Hammilton vorsichtig, dass er bei Bettina eine Störung des Zentralnervensystems festgestellt hätte.
»Was bedeutet das in diesem Fall?«, fragte Conny. »Ich weiß nur so viel, dass das Zentralnervensystem im Kopf und Wirbelkanal konzentriert ist. Ich musste mich ja auch einiger Tests unterziehen, bis ich meinen Job bekam. Unser Gedächtnis ist ja davon auch abhängig. Ein gutes Gedächtnis hat Bettina allerdings nicht, und sie legt alles so aus, wie es ihr passt. Hat das damit zu tun?«
»Ja, das somatische und vegetative Nervensystem zeigt keine normalen Reflexe. Aber worauf ich hinaus will, ist die Tatsache, dass eine Schwangerschaft mit der damit verbundenen hormonellen Umstellung einen schwer krankhaften Zustand auslösen könnte.«
Bestürzt,