Dr. Laurin Staffel 17 – Arztroman. Patricia Vandenberg

Dr. Laurin Staffel 17 – Arztroman - Patricia Vandenberg


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ich doch ihr Vertrauen erringen könnte«, flüsterte Eva nach einem langen Schweigen, »aber ich fürchte, dass in ihr Hass wächst auf alle jungen gesunden Menschen. Sie war immer umschwärmter Mittelpunkt, verwöhnt von allen und gewöhnt, alles zu bekommen, was sie sich wünschte.«

      Und was ihr nicht zufiel, erzwang sie sich, dachte Antonia. Mit dem Kind hatte sie die Ehe erzwungen.

      Sie legte ihren Arm um Evas Schultern. »Wenn Sie nicht mehr weiter wissen, Eva, kommen Sie zu mir«, sagte sie leise.

      »Sie tut mir unendlich leid«, murmelte Eva tonlos. »Es ist schrecklich, wenn man nicht helfen kann. So will ich wenigstens für dieses hilflose kleine Wesen tun, was möglich ist. Es braucht Liebe.«

      *

      Noch begriff die kleine Sandra nicht, was um sie herum vor sich ging. Sie brauchte nichts zu entbehren. Sie wurde von Eva auf die liebevollste Weise versorgt. Wenn sie aber Charlottes Stimme vernahm, begann sie zu weinen.

      Dann geschah es, dass Eva mit ungerechtem Zorn überschüttet wurde, aber seltsamerweise ergriff Bettina in solchen Augenblicken Evas Partei.

      »Du sprichst zu laut, Mama, daran ist Sandra nicht gewöhnt«, sagte sie, oder: »Du bist zu hektisch, das spürt das Kind. Misch dich doch nicht in alles ein.«

      Die Folge war, dass Charlotte gekränkt bald wieder das Haus verließ und sich dann bei ihrem Mann beklagte.

      Schließlich musste Jonas bemerken, dass Charlotte heimlich zur Flasche griff. Nicht, wenn er zugegen war, aber es konnte ihm nicht verborgen bleiben, dass die Hausbar ständig neu aufgefüllt wurde. Er war ein toleranter Mann. Er wollte seiner Frau das Verständnis für ihre Verzweiflung nicht versagen. Er wollte ihr helfen, aber Charlotte geriet mehr und mehr in ein Stadium der Haltlosigkeit, das beängstigend war. Er sprach mit seinem Sohn darüber.

      »Ich weiß nicht, wohin es noch führen wird, Jon«, sagte er, »aber ich weiß, dass ich diesen Zustand nicht ewig aushalte. Wir können doch nicht alle kaputtgehen.«

      Jon konnte sich seiner jungen Liebe auch nicht unbeschwert erfreuen, aber er hatte in Katrin eine Gefährtin, mit der er alles besprechen konnte. Obwohl sie noch sehr jung war, zeigte sie ein Verständnis, das beispielhaft war. Katrin wuchs auch dem älteren Jonas schnell ans Herz. Eine innige Zuneigung verband sie, aus der er Kraft schöpfte, aber auch das war Charlotte ein Dorn im Auge.

      Die Konflikte vertieften sich mehr und mehr, bis Jonas Bernulf sich entschloss, die Ostasienreise, die er immer wieder hinausgeschoben hatte, endlich anzutreten. Er war bereit, Charlotte mitzunehmen. Er setzte alle Hoffnung darauf, dass sie so auf andere Gedanken kommen könnte.

      Zuerst war sie empört. »Was würde Bettina von uns denken«, sagte sie aggressiv.

      »Immerhin muss ich mich auch um die Geschäfte kümmern«, erklärte Jonas energisch. »Ich kann mich nicht auf die faule Haut legen, meine Liebe. Von nichts kommt nichts, und ich fühle mich nicht als Rentner. Um es noch deutlicher zu sagen, wir verbrauchen Unsummen, und so reich bin ich nun auch wieder nicht, dass wir von den Zinsen leben können. Es geht hart an die Reserven, Charlotte. Ein wenig Verständnis musst du auch für mich aufbringen.«

      »Ich müsste mich impfen lassen«, sagte sie beklommen. »Und es geht mir ohnehin nicht gut.«

      An die Impfung hatte er augenblicklich nicht gedacht, aber als sie es sagte, kam ihm ein anderer Gedanke. Das war eine Möglichkeit, Charlotte einmal gründlich untersuchen zu lassen.

      »Ein guter Arzt wird feststellen, ob du die Impfung verträgst«, sagte er betont gleichmütig.

      »Und wenn ich sie nicht vertrage?«, fragte sie.

      »Dann bleibst du daheim.«

      »Und du?«

      »Du wirst einsehen müssen, dass ich im Geschäft bleiben muss, Charlotte. Wir werden für Bettina noch einiges aufwenden müssen.«

      »Immerhin hat sie einen Ehemann«, stieß Charlotte hervor.

      »Woher soll er so viel Geld nehmen? So grandios ist sein Einkommen nicht.«

      »Sie hätte eine andere Partie machen können«, sagte sie.

      »Es fragt sich allerdings, ob sich jeder Mann so anständig verhalten würde wie Constantin. Ohne das Kind, das Bettina erwartete, wäre er vielleicht nur eine Episode in ihrem Leben geblieben.«

      Charlotte schwieg. Ihr ging nun doch manches durch den Sinn. »Du bist sehr großzügig, Jonas«, sagte sie leise. »Du hättest das Haus nicht kaufen müssen. Du hattest nicht die geringste Verpflichtung, für meine Tochter zu sorgen.«

      »Ich habe es gern getan, Charlotte«, erwiderte er, »aber ich stecke den Kopf nicht in den Sand. Wir können Bettina das Leben nur erleichtern, heilen können wir sie nicht.«

      Charlotte brach wieder zusammen. »Es muss doch eine Möglichkeit geben«, schluchzte sie.

      »Es gibt keine«, erwiderte er. »Ich habe mich überall erkundigt. Man kann ihr Erleichterung verschaffen, wenn sie einige Wochen in ein Sanatorium geht, aber dazu muss man ihr erst klarmachen, wie es um sie steht.«

      »Das kann ich nicht. Und ich vermag auch nicht, es als unabwendbar hinzunehmen, dass sie an dieser Krankheit sterben muss.«

      »Immerhin besteht die Möglichkeit, dass sie dich überleben wird, wenn du dich weiterhin so aufreibst und dich nur noch von Zigaretten, Tabletten und Alkohol ernährst wie in den letzten Wochen. Schaust du überhaupt noch in den Spiegel? Ich habe eine reizvolle, charmante Frau geheiratet, und ich habe mir viel von unserem gemeinsamen Leben erhofft, Charlotte. Ich bin auch bereit, alles mit dir zu teilen, und ich denke, dass ich dir bewiesen habe, wie ernst es mir damit ist.«

      »Warum bist du so hart?«, fragte sie schluchzend.

      »Weil ich nicht tatenlos zusehen will, dass du dich auch zerstörst.«

      Dann ließ er sie allein. Er konnte ihr jämmerliches, haltloses Weinen nicht mehr ertragen – und vor allem nicht dieses Selbstmitleid, dass ausgerechnet sie dies durchmachen müsse. Er hoffte, dass sie nachdenken würde.

      Doch dazu war Charlotte nicht mehr fähig. Sie lief in ihr Zimmer und blickte in den Spiegel. Sie sah ein graues faltiges Gesicht, glanzlose Augen, einen schmalen, verkniffenen Mund, und dann wankte sie zu ihrem Bett und vergrub dieses zerrissene Gesicht in den Kissen.

      *

      Jonas Bernulf hatte diesmal nicht mit seinem Sohn gesprochen. Er rief vielmehr Dr. Laurin an und fragte ihn, wo er Charlotte am besten untersuchen lassen könne. Er machte auch eine Andeutung über die Ostasienreise und die Impfung.

      Dr. Sternberg könne die Untersuchung vornehmen, meinte Dr. Laurin. Dies sei jedoch nur ein Vorschlag. Aber damit war Jonas Bernulf sofort einverstanden. Es bedurfte nun nur noch Charlottes Einwilligung, doch zu seiner Überraschung erklärte sie sich ohne jeden Widerspruch dazu bereit. Sie war sanft wie ein Lamm und sagte, dass sie mit Bettina sprechen und sie zu einem Kuraufenthalt bewegen wolle.

      Auf dem Weg zu Bettinas Heim geriet sie in eine melancholische Stimmung. Gedankenverloren sagte sie: »Es war eine wundervolle Zeit mit dir, Jonas. Es tut mir leid, dass ich dir für alles, was du mir gegeben hast, so wenig zurückgeben kann.«

      »Du sollst nicht so sprechen, Charlotte, du sollst so etwas gar nicht denken. Es kann nicht immer nur Sonnenschein und Glückseligkeit herrschen, aber ich wäre sehr beruhigt, wenn du dich nicht in völliger Resignation verlieren würdest. Immerhin bist du nicht allein. Du hast mich, und ich möchte sehr gern die Charlotte neben mir haben, die ich als so positiv eingestellte Frau lieben lernte.«

      »Inzwischen bin ich alt und hässlich geworden. Du hast es mir deutlich gemacht«, flüsterte sie.

      »Unsinn, ich wollte dir nur klarmachen, dass du dich nicht aufgeben sollst.«

      »Wie aber soll ich Optimismus verbreiten, wenn ich so sehr mit Bettina leide?«, fragte sie.

      »Indem du dir sagst, dass ihr mit Jammern und Klagen nicht geholfen


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