Dr. Laurin Staffel 17 – Arztroman. Patricia Vandenberg
sich dort schon etwas zwischen Anja und Patrick angesponnen haben könnte.«
»Das niemals! Davon wüsste ich.«
»Wie lange kennen sich Malten und Ihre Schwester?«
»Drei Monate.«
»Und sind schon verlobt?«
»Er gab sich sehr konservativ. Er drängte darauf. Anja hatte vor drei Wochen Geburtstag, da brachte er gleich den Ring mit. Wir haben halt mitgemacht. Pa meinte ja auch, dass verlobt nicht verheiratet sei. Er kann Anja sowieso keinen Wunsch abschlagen.«
»Er hat sich nicht nach den Finanzen von Herrn Malten erkundigt?«
»André stammt aus einer sehr angemessenen Familie. Die Maltens sind vermögend, sie haben Grundbesitz. Das wissen wir. Außerdem sollte das keine Rolle spielen. Mein Vater war arm, als er meine Mutter geheiratet hat. Durch sie bekam er eine Existenz, und was er aus dem Unternehmen meines Großvaters gemacht hat, weiß jeder.«
»Aber Malten hat sich verspekuliert. Er hat nichts als Schulden, so viel habe ich in Erfahrung bringen können. Das Haus der Familie steht vor der Pfändung. Nur eine reiche Partie kann Malten noch retten. Er wird also Ihre Schwester um jeden Preis heiraten wollen.«
»Sie wollen damit andeuten, dass es von seiner Seite aus nur Berechnung war?«, fragte Uwe bestürzt.
»Nun, das will ich nicht sagen, denn Ihre Schwester ist ja ein attraktives Mädchen, aber …« Friedrich Brink unterbrach sich und sah Uwe forschend an, als erwarte er von ihm, dass er diesen Satz vollende, und Uwe tat das.
Schreckensweit waren seine Augen. »Sie meinen, dass Anja dahinterkam? Sie meinen, dass André eine Heirat tatsächlich um jeden Preis erzwingen wollte?«
»Ich meine, dass es so sein könnte, aber wir haben auch dafür keine Beweise. Was mich stutzig macht an dieser üblen Angelegenheit ist die Tatsache, dass Anja in Patrick Heyms Garten gefunden wurde und dass zumindest zwei Menschen aussagen, sie hätte mit Patrick Heym geflirtet. Diese beiden sind André Malten und Marina Cerny, und die beiden kennen sich sehr gut. Außerdem hat die Cerny einmal versucht, bei Patrick Heym zu landen, was ihr jedoch misslang. Ja, nun habe ich Ihnen eigentlich mehr gesagt, als ich sagen dürfte, aber wir vertreten ja eigentlich auch die gleichen Interessen.«
»Sie dürfen meiner Diskretion versichert sein, Herr Dr. Brink«, sagte Uwe. »Ich werde auch mit aller Diskretion einige Nachforschungen anstellen, da Sie mir einen Tipp gaben.«
»Im Club«, riet Friedrich. »Sie werden mich doch auf dem Laufenden halten?«
»Selbstverständlich. Wäre es möglich, dass ich mit Herrn Heym sprechen könnte?«
»Wollen Sie das?«
»Ja.«
»Es wird sich ermöglichen lassen, wenn er einverstanden ist.«
»Ich muss mich sehr herzlich bei Ihnen bedanken, Herr Dr. Brink«, sagte Uwe, als er sich verabschiedete.
»Sie werden mal ein guter Jurist, Herr Heltcamp. Man darf sich in unserem Beruf niemals von Emotionen leiten lassen. Sie haben das bewiesen, obwohl es wirklich verständlich wäre. Ich hoffe, dass wir bald Licht in dieses Dunkel bringen können.«
»Es ist ja schon heller geworden«, sagte Uwe. »Hoffentlich wird das Leben für Anja auch wieder hell.«
*
Die Zeit und die Gerechtigkeit arbeiteten für Patrick Heym, aber noch nicht für Anja Heltcamp. Am dritten Tag verschlechterte sich ihr Zustand. Wilde Fieberfantasien quälten sie, und Schwester Marion kam gar nicht dazu, alles aufzuschreiben, was sie sagte. Manches war auch gar nicht verständlich.
Nicht viel anders erging es Agnes Heltcamp, die sich nun doch ganz darauf konzentrierte, konkrete Angaben von Anja zu erfahren. Aber einen rechten Sinn konnte man aus diesen unzusammenhängenden Worten nicht gewinnen.
Manchmal rief Anja um Hilfe, dann wieder flüsterte sie unverständliche Worte. Und so blieb es auch an den nächsten beiden Tagen.
Doch Dr. Brinks Detektive arbeiteten ebenso eifrig wie Uwe Heltcamp. Abgeschirmt von der Umwelt war Anja inzwischen in das schönste Zimmer der Station verlegt worden, in dem ein prominenter Patient vier Wochen verbracht hatte, doch nun genesen nach Hause entlassen werden konnte.
Nach der Krise, die Dr. Sternberg ebenso wie Dr. Laurin sehr ernst nahm, trat eine schnelle Besserung in Anjas Befinden ein, aber an die Geschehnisse jener Nacht schien sie sich nicht zu erinnern.
Agnes Heltcamp wünschte mit heißem Herzen, dass diese Erinnerungen für immer ausgelöscht werden könnten, aber nun begann Anja Fragen zu stellen. Seltsamerweise erwähnte sie den Namen André nicht mehr. Sie wollte nur wissen, wie es zu dem Autounfall gekommen sei, denn sie hatte sich diese Erklärung ihrer Mutter gemerkt.
Agnes Heltcamp geriet in Bedrängnis. »Denk doch nicht daran, mein Kleines«, versuchte sie sich herauszureden. »Jetzt musst du dich erholen, und dann werden wir eine schöne Reise machen.«
Doch gerade diese vage Antwort regte Anja zum Nachdenken an. »Eine Reise, eine weite Reise«, murmelte sie. »Nein, ich will nicht. Mami, es geht etwas in meinem Kopf vor sich. Bitte, hilf mir. Es ist etwas geschehen, was mit einem Unfall nichts zu tun hat.«
»Wir wissen doch nicht, was in jener Nacht geschehen ist, Anja«, sagte Agnes Heltcamp beklommen.
»In jener Nacht«, flüsterte Anja sinnend, doch da kam zur Erleichterung ihrer Mutter Uwe.
»Na, jetzt geht es ja schon wieder«, sagte er munter. »Du wirst daheim gebraucht, Mama. Frau Albrecht kommt nicht mit dem Haushalt zurecht. Sie weiß nicht, was bestellt werden und wann die Wäsche abgeholt werden soll.«
Agnes Heltcamp begriff, dass Uwe allein mit seiner Schwester sein wollte, als er dann auch noch rasch hinzufügte: »Pa kommt nachher auch noch, da hat Anja genug Gesellschaft.«
Sie gab ihrer Tochter einen zärtliche Kuss und versprach ihr, am nächsten Morgen wiederzukommen.
»Ich werde doch hoffentlich bald wieder zu Hause sein, Mami?«, meinte Anja.
»Ja, wir hoffen es sehr«, erwiderte Agnes, und für sich dachte sie, dass Uwe hoffentlich auch recht behutsam mit seiner Schwester umgehen würde.
Aber das bedurfte keiner besonderen Ermahnung. Einmal hatte es Uwe im Gefühl, was er sagen durfte und was nicht, zum anderen hielt er sich an Dr. Brinks Ermahnungen, Anja lieber selbst reden zu lassen, als ihr Fragen zu stellen.
»Mami weicht mir aus«, sagte Anja. »Sag du mir, was passiert ist, Uwe.«
»Ich kann nichts sagen, Anja. Wir wissen es nicht. Wir wissen nichts von dem Augenblick an, als du das Haus verlassen hast, um André abzuholen.«
»André abzuholen«, wiederholte sie schleppend. »André?«
»Sein Wagen war gerade in der Reparatur. Ihr wolltet auf eine Party gehen, Anja.«
»Auf eine Party«, wiederholte sie wieder. »Auf welche Party?«
»Das hattest du auch nicht gesagt. Wir wissen es nicht genau«, sagte er vorsichtig.
»Wenn ich mich doch erinnern könnte«, murmelte sie.
»Du sollst dich nicht quälen. Die Hauptsache ist, dass du wieder ganz gesund wirst, und du bist ja in den allerbesten Händen.«
»Was ist mit André?«, fragte sie.
»Ihm geht es recht gut. Willst du ihn sehen, Anja?«
Sie schloss die Augen und hob abwehrend die Hände. »Nein, nein, ich will ihn nie mehr sehen«, stöhnte sie auf, »nie mehr.«
Ich muss mich beherrschen, dachte Uwe. Ich darf sie nicht erschrecken.
»Warum denn nicht, Anja?«, fragte er sanft.
»Sie hat es gesagt, diese Frau.«
»Was hat sie denn gesagt, Anja? Und von welcher Frau sprichst