Dr. Laurin Staffel 17 – Arztroman. Patricia Vandenberg

Dr. Laurin Staffel 17 – Arztroman - Patricia Vandenberg


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Sache kann doch nicht an Patrick Heym hängen bleiben.«

      »Sie brauchen es nicht heute zu sagen, Anja. Ich will Sie nicht drängen«, meinte Dr. Laurin behutsam.

      »Ich will nicht noch länger darüber grübeln«, flüsterte sie. »Ich will nicht, dass sich André bei meinen Eltern einnistet. Vielleicht hat er gedacht, dass ich es nicht überlebe, oder …« Sie unterbrach sich.

      »Was denken Sie, Anja?«, fragte Dr. Laurin leise.

      »Dass er sich als moralischer Retter aufspielen könnte. Werde ich jetzt ein Kind bekommen?« Ihre Stimme zitterte.

      Dr. Laurin nahm ihre Hände. »Nein, Anja, das bestimmt nicht«, erwiderte er. Nun wusste er genau, dass sie ihr Erinnerungsvermögen zurückgewonnen hatte.

      Mit schleppender fremder Stimme erzählte sie dann, was sich an dem bewussten Abend und in der Nacht abgespielt hatte.

      »André rief mich an, dass er seinen Wagen in die Werkstatt geben müsste. Ich holte ihn deshalb ab. Seine Mutter war so eigenartig. Sie fragte mich, ob wir bald heiraten würden. Sie fühlte sich so elend und würde die Hochzeit doch noch gern erleben. André gestand mir dann, dass er sich um ihre Gesundheit wirklich sorge. Ich bemerkte, dass es vielleicht besser wäre, Frau Malten nicht allein zu lassen. Ich mochte sie nicht besonders gern, aber André hatte immer wieder betont, wie sehr er seine Mutter liebe. Er meinte aber, sie würde ein solches Opfer nicht wollen. Vor allem sollte ich nicht das Gefühl haben, auf sie Rücksicht nehmen zu müssen. Sie sei bereit, in ein Altersheim zu gehen, wenn wir erst verheiratet wären. Ich war wohl schon in einer sehr zwiespältigen Stimmung, als wir auf diese Party kamen.«

      Wieder versank sie in Schweigen.

      Dr. Laurin half ihr behutsam weiter. »Ihnen gefielen die Leute nicht, Anja?«, fragte er.

      »Ja, das stimmt. Es wurde sehr viel getrunken. Ich bat André, mich heimzubringen, aber er sagte, dass ich kein Spielverderber sein solle. Wir würden dann noch in den Club gehen. Wenig später verwickelten mich ein paar Bekannte aus dem Club in ein Gespräch. Ich hatte nur ein Glas getrunken, aber mir war plötzlich nicht gut. Ich ging hinaus. Da hörte ich auf einmal Andrés Stimme und die einer Frau. Er sagte zu ihr, dass er nur sie liebe, dass er mich aber schnellstens heiraten müsse, weil sonst alles aus sei. Es war so ernüchternd. So genau weiß ich nicht mehr, was ich dann tat. Ich merkte, dass ich meine Handtasche an der Bar vergessen hatte und ging zurück. Ja, so war es. Und dann ließ ich die Tasche fallen. Sie entglitt einfach meinen Händen. Ein Mann hob sie auf, und er sagte dabei, dass ich nicht in diesen Rahmen passe. Es war Patrick Heym. Er fragte, ob er mich heimbringen könne oder ob er mir ein Taxi bestellen solle. Aber dann kam André und zog mich fort. Ich kann mich nicht erinnern, was die beiden Männer miteinander sprachen. Ich bin mit André zu meinem Wagen gegangen. Er setzte sich ans Steuer. Ich bat ihn, mich unverzüglich heimzubringen. Wir würden noch in den Club fahren, erwiderte er jedoch. Aber ich wollte nach Hause. Ich zog den Verlobungsring von meinem Finger und sagte, dass es besser sei, wenn wir uns trennten.«

      Dr. Laurin blickte auf ihre linke Hand. Erst jetzt bemerkte er, dass sie den Ring nicht mehr trug. Aber sie hatte ihn am Finger gehabt, als sie in die Klinik gebracht wurde, und die Schwester in der Ambulanz hatte ihn nicht abziehen können, weil der Finger geschwollen gewesen war.

      Anja atmete schneller. »Ja, mir wurde alles klar, als ich bemerkte, dass der Ring wieder an meinem Finger steckte«, flüsterte sie. »Ich habe ihn nicht selbst wieder angesteckt. – Ich bekam plötzlich einen Schlag an die Stirn, dann noch einen zweiten. Ich muss wohl das Bewusstsein verloren haben. Aber irgendwann kam ich doch noch einmal zu mir, als ich über einen Boden geschleift wurde. Ich sah eine Hand, einen Siegelring. Es war die Hand von André. Aber gleich darauf, noch ehe ich etwas sagen konnte, bekam ich einen weiteren Stoß. Von da an weiß ich nichts mehr. Aber ich habe das nicht nur geträumt.«

      Sekundenlang zögerte Leon Laurin. Sollte er sagen, dass sie es doch geträumt hatte? Nein, das konnte er nicht, denn André Malten sollte büßen für das, was er getan hatte.

      *

      Aber André Malten hatte seine Strafe schon erhalten. Als er alles verloren sah, entwickelte auch er, wie zuvor seine Mutter, ungeahnte Kräfte. Er riss sich los und rannte die Straße hinunter.

      Weg, nur weg, war sein einziger Gedanke. Er blickte nicht rechts noch links, er hörte nur die schnellen Schritte, die ihm folgten. Er bemerkte nicht den roten Lieferwagen, der aus einer Seitenstraße kam. Er sah sowieso nur noch rot und wusste seine Verfolger dicht hinter sich.

      Dann wurde er von dem Wagen erfasst und durch die Luft geschleudert.

      Passanten blieben erstarrt stehen. Entsetzensschreie ertönten. André Malten hörte nichts mehr. Schrecklich zugerichtet blieb er zehn Meter entfernt liegen, ein lebloses Bündel Mensch.

      Dr. Brink erfuhr es erst ein paar Stunden später. Uwe war gerade bei ihm, denn er sollte von dem unterrichtet werden, was Dr. Laurin von Anja erfahren hatte.

      »Keiner weint ihm nach«, sagte Uwe hart. »Es ist gut so, wie es geschehen ist. Anja wird nie mehr Gefahr laufen, ihm früher oder später doch zu begegnen.«

      Nun blieb eigentlich nur noch zu klären, wieso Anjas Wagen so weit entfernt von Patrick Heyms Haus aufgefunden wurde, so nahe bei den Perlaus, bei denen die Party stattgefunden hatte. Carlo Thieß konnte dafür eine Erklärung geben.

      »Ich habe André getroffen, als er gegen fünf Uhr dort aus dem Wagen stieg. Es war in der Nähe von Marinas Wohnung. Er wollte zu ihr. Ich sagte ihm, dass ich sie gerade heimgebracht hätte, aber das stimmte nicht. Ich war schon ein paar Stunden bei Marina gewesen und wollte heimfahren. Das konnte ich ihm aber nicht sagen. Ich wusste, dass er Marina nur für sich haben wollte. Aber Marina hatte ihn satt, denn er hatte kein Geld mehr. Sie kennen doch diese Frauen.«

      Er sah Kommissar Holzhauer aus rot geränderten Augen an. »Ich ahnte doch nicht, dass André einer solchen Gemeinheit fähig wäre«, fuhr er stockend fort. »Ich habe auch viel Blödsinn in meinem Leben gemacht, aber doch nicht so was. Ich schwöre, dass ich keine Ahnung hatte.«

      »Was hat Malten Ihnen denn gesagt? Welche Erklärung gab er Ihnen, dass er am Morgen mit Frau Heltcamps Wagen herumfuhr?«

      »Es hätte mich stutzig machen müssen, jetzt weiß ich es«, gab Carlo Thieß zu. »Aber ich wollte nicht, dass er dahinterkommt, dass ich bei Marina gewesen war. Ich weiß, dass er sehr jähzornig werden konnte.«

      »Welche Erklärung gab er Ihnen?«, drängte der Kommissar.

      »Er sagte, dass er mit Anja noch einen Bummel durch die Nachtlokale gemacht hätte. Schließlich müsse sie so was auch kennenlernen, und dann, in der Schwarzen Katze, hätten sie wieder Patrick Heym getroffen. Er selbst hätte vorher schon einen Streit mit Anja gehabt, und sie hätte ihm dann die kalte Schulter gezeigt und wäre mit Heym weggefahren.

      André wollte nun zu Marina, aber sie schlief schon. Sie hat ihm die Tür nicht geöffnet. Am nächsten Tag hat er mir dann erzählt, was mit Anja passiert war und dass Heym schon verhaftet sei. Aber ich sollte nichts davon sagen, dass ich ihn gesehen hätte. Nun ja, ich hatte ja selber etwas zu verbergen, und Marina hatte mich schon gebeten, ja nichts André zu sagen. Ich habe nicht geahnt, dass er solcher Tat fähig war, sonst hätte ich nicht geschwiegen.«

      »Es hätte auch für Sie recht böse aussehen können, Herr Thieß, wenn er vorher schon geflohen wäre. Sie gehörten zu den Tatverdächtigen«, sagte der Kommissar ruhig.

      »Ich? Mein Gott, das darf doch nicht wahr sein!«

      »Man soll eben nicht lügen in einem solchen Fall.«

      »Ich habe nicht gelogen, ich habe nur geschwiegen. Es tut mir leid. Ich weiß, es klingt billig, aber es tut mir wirklich entsetzlich leid – wegen Anja. Sie ist doch ein Mädchen, das man respektieren muss, und sie war sehr verliebt in André. Es muss schrecklich sein, wenn die erste Liebe so ein Ende nimmt.«

      »Darüber sollten Sie nachdenken und es nicht vergessen.«

      *

      Im Haus Heltcamp


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