Die Leiden des jungen Werther. Johann Wolfgang von Goethe
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Johann Wolfgang Goethe
Die Leiden des jungen Werther
Erstdruck: Leipzig (Weygand) 1774. Hier in der zweiten Fassung von 1787. Die Originalschreibweise blieb erhalten.
Impressum
Covergestaltung: Olga Repp
Bearbeitung: Johannes Krüger
Digitalisierung: Gunter Pirntke
Herausgeber: BROKATBOOK Verlag Gunter Pirntke
ISBN: 9783955017910
2015 andersseitig
andersseitig Verlag
Dresden
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Zur Einführung
Die Leiden des jungen Werthers lautet der ursprüngliche Titel des von Johann Wolfgang von Goethe verfassten Briefromans, in dem der junge Rechtspraktikant Werther bis zu seinem Suizid über seine unglückliche Liaison zu der mit einem anderen Mann verlobten Lotte berichtet. Er war nach dem nationalen Erfolg des Dramas Götz von Berlichingen (1773) Goethes zweiter großer, jetzt sogar europäischer Erfolg (1774) und ist, wie der Götz, ebenfalls der literarischen Strömung des Sturm und Drang zuzuordnen.
Die Erstausgabe erschien im September 1774 zur Leipziger Buchmesse und wurde gleich zum Bestseller. 1787 überarbeitete Goethe den Roman, wobei unter anderem das Genitiv-s im Titel entfiel. Der Roman ließ Goethe 1774 gleichsam über Nacht in Deutschland berühmt werden und gehört zu den erfolgreichsten Romanen der Literaturgeschichte.
Die Handlung des Romans ist insofern autobiografisch, als Goethe hier seine platonische Beziehung zu der bereits inoffiziell verlobten Charlotte Buff literarisch verarbeitete. Das Motiv für den tragischen Ausgang dieser Liebe, die Selbsttötung Werthers, lieferte Goethe der Suizid seines Freundes Karl Wilhelm Jerusalem, Gesandtschaftssekretär in Wetzlar. Der hatte sich in eine verheiratete Frau verliebt, Elisabeth Herdt, geb. Egell (1741–1813), die für ihn unerreichbar blieb. Sie war seit 1768 die Gemahlin von Philipp Jakob Herdt (1735–1809), dem Geheimen Sekretär bei der Gesandtschaft des kurpfälzischen Fürstentums Pfalz-Lautern in Wetzlar. Die literarische Figur der Lotte im Roman trägt auch Züge der schwarzäugigen Maximiliane von La Roche, einer weiteren Bekanntschaft des jungen Goethe aus der Entstehungszeit des Romans. Trotz solcher Nähe des Romans zur Realität bleibt Goethes Werther ein fiktionaler, literarisch komponierter Text – weder bloße Selbstaussprache noch Schlüsselroman.
Die Handlung erstreckt sich über den Zeitraum vom 4. Mai 1771 bis 24. Dezember 1772.
Der junge Werther hat seinen Heimatort verlassen, um für seine Mutter eine Erbschaftsangelegenheit zu regeln und so zugleich eine unglückliche Liebesgeschichte hinter sich zu lassen. Er bezieht zunächst Quartier in einer Stadt, danach im benachbarten idyllischen Dorf „Wahlheim“ (Garbenheim) und genießt es, in der freien Natur umherzustreifen und seine Eindrücke immer wieder in kleinen Zeichnungen zu verarbeiten. Eines Tages lernt er den sympathischen Amtmann S. kennen, einen Witwer und Vater von neun Kindern, der ihn zu sich nach Hause einladen möchte. Werther schiebt den Besuch jedoch auf und hat ihn bald vergessen. Auf der Fahrt zu einem Tanzvergnügen mit anderen jungen Leuten macht die Kutschgesellschaft beim Haus des Amtmanns Halt, um dessen Tochter Lotte abzuholen. Werther sieht sie, umringt von ihren acht jüngeren Geschwistern, denen sie ihr Abendbrot von einem Brotlaib abschneidet, und ist tief beeindruckt von dieser Szene, vor allem aber von dem schönen Mädchen, das hier ganz die Mutterrolle übernommen hat. Während des Balls, dem Ziel des gemeinschaftlichen Ausflugs, fordert Werther Lotte auf, mit ihm den zweiten Kontretanz zu tanzen – sie sagt ihm den dritten zu. Als Lottes Freundinnen das glückliche Einverständnis bemerken, das Lotte und Werther beim Tanzen zeigen, erinnern sie Lotte an einen gewissen Albert. Auf Werthers Nachfrage erklärt ihm Lotte, Albert sei „ein braver Mensch, mit dem sie so gut als verlobt“ sei. Im Verlauf des Abends zieht ein Gewitter auf. Werther und Lotte betrachten anschließend vom Fenster aus die noch regenfeuchte, erfrischte Natur. Beiden kommt das gleiche Gedicht in den Sinn, die Ode Frühlingsfeier von Klopstock. Werther interpretiert dies als Ausdruck ihrer Seelenverwandtschaft und sucht von nun an immer öfter die Nähe Lottes.
Als Lottes Verlobter, Albert, von einer Geschäftsreise zurückkehrt, ändert sich Werthers Stimmung allmählich. Es entsteht ein Dreiecksverhältnis, in dem Lotte Werther zunächst als eine „Heilige“ erscheint, in deren Nähe Werther keine Begierde empfindet. Anfangs ist Werthers Beziehung zu Lotte also ohne Zwang von außen rein platonischer Natur. Albert und Werther freunden sich zunächst an und führen mehrere Diskurse miteinander, z. B. auch über den Selbstmord oder die „Krankheit zum Tode“, die Schwermut. Dabei wird der Unterschied zwischen beiden Charakteren – Werther voll stürmischer Gefühle, Albert der besonnene Traditionalist – sehr deutlich. Als Werther aber bemerkt, dass er seinen starken Gefühlen für Lotte aus Rücksicht auf Albert nicht nachgeben darf, verlässt er den Ort fluchtartig, ohne sich zu verabschieden. Auslöser dafür ist ein sehr emotionales Gespräch, in dem deutlich wird, dass Lotte ihrer verstorbenen Mutter am Sterbebett zugesagt hat, Albert zu ehelichen (Ende des I. Buches).
Werther arbeitet eine Zeit lang bei einem Gesandten am Hofe. Die Pedanterie seines Vorgesetzten und die bornierte Enge der höfischen Etikette lassen ihn jedoch erkennen, dass er in jener Gesellschaft nur eine Außenseiterrolle spielen und sich nicht mit ihr identifizieren kann. Als er eines Tages vom Grafen C. aus einer adeligen Runde vorsichtig hinauskomplimentiert wird, da sich viele Gäste von der Anwesenheit Werthers, eines Bürgerlichen, gestört fühlen, und als daraufhin über Werthers Fauxpas in aller Öffentlichkeit getratscht wird und auch seine neue, Lotte etwas ähnelnde Bekannte, das „Fräulein von B..“, ihm schonend beizubringen versucht, dass er zu übermütig und sich seines bürgerlichen Standes nicht genügend bewusst sei, fühlt er sich wie „zerstört“. Nachdem er kurz zuvor auch noch erfahren musste, dass Lotte und Albert inzwischen geheiratet haben, ohne ihn vorher informiert und zur Hochzeit eingeladen zu haben, bittet er schließlich um seine Entlassung vom Hofe, reist ab und hält sich zunächst bei einem ihm besonders gewogenen Fürsten auf. Dort bleibt er nur wenige Wochen, fährt dann in seinen Heimatort und kehrt schließlich nach Wahlheim zurück.
Werther beginnt bald erneut, Lotte regelmäßig zu besuchen. Unbewusst kokettiert Lotte immer wieder mit Werthers Gefühlen, z. B. indem sie ihren Kanarienvogel erst an ihren Lippen und anschließend an seinen picken lässt und so Werthers Leidenschaft zusätzlich entfacht. Weil dieser ihr Angebot ablehnt, „die Seligkeit einer wahren Freundschaft [zu] genießen“, und weil im Dorf bereits über die beiden geredet wird, fühlt sich Lotte bedrängt und bittet Werther, auch auf Alberts Wunsch hin, vier Tage zu warten und sie erst zu Weihnachten wieder zu treffen.
Als Werther Lotte trotzdem vor Ablauf dieser Frist in Alberts Abwesenheit aufsucht und ihr aus seiner Ossian-Übersetzung Gedichte (Die Gesänge von Selma) vorliest, werden die beiden, wie früher bei der Klopstock-Szene, von ihren Gefühlen überwältigt. Doch sobald Werther Lotte leidenschaftlich zu umarmen und küssen beginnt und damit den rein platonischen Charakter der Beziehung in Frage stellt, reißt diese sich verwirrt los, flüchtet und schließt sich im Nebenzimmer ein. Um Lottes Ehre und Ehe nicht weiter zu gefährden, beschließt Werther, sie nicht weiter zu behelligen und sich das Leben zu nehmen. In einem letzten Brief an Lotte äußert Werther die Zuversicht, dass er Lotte in einem anderen Leben wiedersehen werde. Um Mitternacht vor Heiligabend schießt er sich an seinem Schreibtisch mit einer von Albert ausgeliehenen Pistole in den Kopf. Am nächsten Morgen wird er tödlich verwundet aufgefunden. Gotthold Ephraim Lessings Bürgerliches Trauerspiel „Emilia Galotti“ liegt aufgeschlagen auf seinem Pult. Gegen zwölf Uhr mittags erliegt er seiner schweren Verletzung. Ein christliches Begräbnis bleibt dem Selbstmörder verwehrt (Ende des II. Buches).
Wilhelm Amberg: Vorlesung aus Goethes „Werther“, 1870
Goethe wählte die Form des Briefromans, die erst gegen Ende des zweiten Teils durch Kommentare des fiktiven „Herausgebers“ abgelöst wird. Jean-Jacques Rousseaus Julie ou la Nouvelle Héloïse hatte dreizehn Jahre zuvor bewiesen, welch besonderer Effekt