Geschichte des dreißigjährigen Krieges. Friedrich Schiller

Geschichte des dreißigjährigen Krieges - Friedrich Schiller


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apostolischer Gewalt einen Reichsfürsten seiner Reichswürden zu entkleiden. Noch in den goldnen Zeiten ihrer geistlichen Herrschaft war den Päpsten dieses Recht widersprochen worden; wie viel mehr in einem Jahrhundert, wo ihr Ansehen bei einem Theile gänzlich gestürzt war und bei dem andern auf sehr schwachen Pfeilern ruhte! Alle protestantischen Höfe Deutschlands nahmen sich dieser Sache nachdrücklich bei dem Kaiser an; Heinrich der Vierte von Frankreich, damals noch König von Navarra, ließ keinen Weg der Unterhandlung unversucht, den deutschen Fürsten die Handhabung ihrer Rechte kräftig zu empfehlen. Der Fall war entscheidend für Deutschlands Freiheit. Vier protestantische Stimmen gegen drei katholische im Kurfürstenrathe mußten das Uebergewicht der Macht auf protestantische Seite neigen und dem österreichischen Hause den Weg zum Kaiserthron auf ewig versperren.

      Aber Kurfürst Gebhard hatte die reformierte und nicht die lutherische Religion ergriffen; dieser einzige Umstand machte sein Unglück. Die Erbitterung dieser beiden Kirchen gegen einander ließ es nicht zu, daß die evangelischen Reichsstände den Kurfürsten als den Ihrigen ansahen und als einen solchen mit Nachdruck unterstützten. Alle hatten ihm zwar Muth zugesprochen und Hilfe zugesagt; aber nur ein apanagierter Prinz des pfälzischen Hauses, Pfalzgraf Johann Casimir, ein calvinischer Eiferer, hielt ihm Wort. Dieser eilte, des kaiserlichen Verbots ungeachtet, mit seinem kleinen Heer ins Kölnische, doch ohne etwas Erhebliches auszurichten, weil ihn der Kurfürst, selbst von dem Notwendigsten entblößt, ganz und gar ohne Hilfe ließ. Desto schnellere Fortschritte machte der neupostulierte Kurfürst, den seine bayerischen Verwandten und die Spanier von den Niederlanden aus aufs kräftigste unterstützten. Die Gebhardischen Truppen, von ihrem Herrn ohne Sold gelassen, lieferten dem Feind einen Platz nach dem andern aus; andere wurden zur Uebergabe gezwungen. Gebhard hielt sich noch etwas länger in seinen westphälischen Landen, bis er auch hier der Uebermacht zu weichen gezwungen war. Nachdem er in Holland und England mehrere vergebliche Versuche zu seiner Wiederherstellung gethan, zog er sich in das Stift Straßburg zurück, um dort als Domdechant zu sterben; das erste Opfer des geistlichen Vorbehalts, oder vielmehr der schlechten Harmonie unter den deutschen Protestanten.

      An diese kölnische Streitigkeit knüpfte sich kurz nachher eine neue in Straßburg an. Mehrere protestantische Domcapitularen aus Köln, die der päpstliche Bannstrahl zugleich mit dem Kurfürsten getroffen hatte, hatten sich in dieses Bisthum geflüchtet, wo sie gleichfalls Präbenden besaßen. Da die katholischen Capitularen in dem Straßburger Stifte Bedenken trugen, ihnen als Geächteten den Genuß ihrer Präbenden zu gestatten, so setzten sie sich eigenmächtig und gewaltsam in Besitz, und ein mächtiger protestantischer Anhang unter den Bürgern von Straßburg verschaffte ihnen bald die Oberhand in dem Stifte. Die katholischen Domherren entwichen nach Elsaß-Zabern, wo sie unter dem Schutz ihres Bischofs ihr Capitel als das einzig rechtmäßige fortführten und die in Straßburg Zurückgebliebenen für unecht erklärten. Unterdessen hatten sich diese Letztern durch Aufnahme mehrerer protestantischer Mitglieder von hohem Range verstärkt, daß sie sich nach dem Absterben des Bischofs herausnehmen konnten, in der Person des Prinzen Johann Georg von Brandenburg einen neuen protestantischen Bischof zu postulieren. Die katholischen Domherren, weit entfernt, diese Wahl zu genehmigen, postulierten den Bischof von Metz, einen Prinzen von Lothringen, zu dieser Würde, der seine Erhebung sogleich durch Feindseligkeiten gegen das Gebiet von Straßburg verkündigte.

      Da die Stadt Straßburg für das protestantische Capitel und den Prinzen von Brandenburg zu den Waffen griff, die Gegenpartei aber mit Hilfe lothringischer Truppen die Stiftsgüter an sich zu reißen suchte, so kam es zu einem langwierigen Kriege, der, nach dem Geiste jener Zeiten, von einer barbarischen Verheerung begleitet war. Umsonst trat der Kaiser mit seiner höchsten Autorität dazwischen, den Streit zu entscheiden: die Stiftsgüter blieben noch lange Zeit zwischen beiden Parteien getheilt, bis endlich der protestantische Prinz für ein mäßiges Aequivalent an Geld seinen Ansprüchen entsagte und also auch hier die katholische Kirche siegreich davon ging.

      Noch bedenklicher war für das ganze protestantische Deutschland, was sich, bald nach Schlichtung des vorigen Streits, mit Donauwörth, einer schwäbischen Reichsstadt, ereignete. In dieser sonst katholischen Stadt war unter Ferdinands und seines Sohnes Regierung die protestantische Religionspartei auf dem gewöhnlichen Wege so sehr die herrschende geworden, daß sich die katholischen Einwohner mit einer Nebenkirche im Kloster des heiligen Kreuzes begnügen und dem Aergerniß der Protestanten ihre meisten gottesdienstlichen Gebräuche entziehen mußten. Endlich wagte es ein fanatischer Abt dieses Klosters, der Volksstimme zu trotzen und eine öffentliche Procession mit Vortragung des Kreuzes und fliegenden Fahnen anzustellen; aber man zwang ihn bald, von diesem Vorhaben abzustehen. Als dieser nämliche Abt, durch eine günstige kaiserliche Erklärung ermuntert, ein Jahr darauf diese Procession wiederholte, schritt man zu offenbarer Gewalt. Der fanatische Pöbel sperrte den zurückkommenden Klosterbrüdern das Thor, schlug ihre Fahnen zu Boden und begleitete sie unter Schreien und Schimpfen nach Hause. Eine kaiserliche Citation war die Folge dieser Gewalttätigkeit; und als das aufgebrachte Volk sogar Miene machte, sich an den kaiserlichen Commissarien zu vergreifen, als alle Versuche einer gütlichen Beilegung von dem fanatischen Haufen rückgängig gemacht wurden, so erfolgte endlich die förmliche Reichsacht gegen die Stadt, welche zu vollstrecken dem Herzog Maximilian von Bayern übertragen wurde. Kleinmuth ergriff die sonst so trotzige Bürgerschaft bei Annäherung des bayerischen Heeres, und ohne Widerstand streckte sie die Waffen. Die gänzliche Abschaffung der protestantischen Religion in ihren Mauern war die Strafe ihres Vergehens. Die Stadt verlor ihre Privilegien und wurde aus einer schwäbischen Reichsstadt in eine bayerische Landstadt verwandelt.

      Zwei Umstände begleiteten diesen Vorgang, welche die höchste Aufmerksamkeit der Protestanten erregen mußten, wenn auch das Interesse der Religion weniger wirksam bei ihnen gewesen wäre. Der Reichshofrath, ein willkürliches und durchaus katholisches Tribunal, dessen Gerichtsbarkeit ohnehin so heftig von ihnen bestritten wurde, hatte das Urtheil gefällt, und dem Herzog von Bayern, dem Chef eines fremden Kreises, hatte man die Vollstreckung desselben übertragen. So constitutionswidrige Schritte kündigten ihnen von katholischer Seite gewaltthätige Maßregeln an, welche sich leicht auf geheime Verabredungen und einen gefährlichen Plan stützen und mit der gänzlichen Unterdrückung ihrer Religionsfreiheit endigen konnten.

      In einem Zustande, wo das Recht der Stärke gebietet und auf der Macht allein alle Sicherheit beruht, wird immer der schwächste Theil der geschäftigste sein, sich in Vertheidigungsstand zu setzen Dieses war jetzt der Fall auch in Deutschland. Wenn von den Katholiken wirklich etwas Schlimmes gegen die Protestanten beschlossen war, so mußte, der vernünftigsten Berechnung nach, der erste Streich vielmehr in das südliche als in das nördliche Deutschland schlagen, weil die niederdeutschen Protestanten in einer langen unterbrochenen Länderstrecke mit einander zusammenhingen und sich also sehr leicht unterstützen konnten, die oberdeutschen aber, von den übrigen abgetrennt und um und um von katholischen Staaten umlagert, jedem Einfall bloßgestellt waren. Wenn ferner, wie zu vermuthen war, die Katholiken die innern Trennungen der Protestanten benutzen und ihren Angriff gegen eine einzelne Religionspartei richten würden, so waren die Calvinisten, als die Schwächern und welche ohnehin vom Religionsfrieden abgeschlossen waren, augenscheinlich in einer nähern Gefahr, und auf sie mußte der erste Streich niederfallen.

      Beides traf in den kurpfälzischen Landen zusammen, welche an dem Herzog von Bayern einen sehr bedenklichen Nachbar hatten, wegen ihres Rückfalls zum Calvinismus aber von dem Religionsfrieden keinen Schutz und von den evangelischen Ständen wenig Beistand hoffen konnten. Kein deutsches Land hat in so kurzer Zeit so schnelle Religionswechsel erfahren, als die Pfalz in damaligen Zeiten. In dem kurzen Zeitraum von sechzig Jahren sah man dieses Land, ein unglückliches Spielwerk seiner Beherrscher, zweimal zu Luthers Glaubenslehre schwören und diese Lehre zweimal für den Calvinismus verlassen. Kurfürst Friedrich der Dritte war der Augsburgischen Confession zuerst ungetreu geworden, welche sein erstgeborner Sohn und Nachfolger, Ludwig, schnell und gewaltsam wieder zur herrschenden machte. Im ganzen Lande wurden die Calvinisten ihrer Kirchen beraubt, ihre Prediger und selbst die Schullehrer ihrer Religion aus den Grenzen verwiesen, und auch noch in seinem Testamente verfolgte sie der eifrig evangelische Fürst, indem er nur streng orthodoxe Lutheraner zu Vormündern seines minderjährigen Prinzen ernannte. Aber dieses gesetzwidrige


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