Economists4Future. Группа авторов

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unterdrückt.

      Mithilfe des basho-Frameworks möchte ich demgegenüber eine neue Oberfläche des Erkennens visualisieren, die nun nicht mehr allein vom rationalen, sondern von allen fünf Formen des Erkennens besiedelt und damit von mehreren Habitaten des Erkennens geprägt ist. Starke tektonische Kräfte in den Tiefen erfahrungsrelationalen Erkennens machen dies möglich: Sie können neue kreative Normalitäten ausbilden, sodass der begriffliche Verstand in neue Entscheidungsarchitekturen eingelassen wird und sein vormals starres Gerüst Bruchstellen erleidet. In der Folge weist auch das rationale Erkennen kein bruchloses Fundament mehr auf, sondern vermag ebenfalls aufzubrechen. Doch statt sich nur in Gestalt katastrophaler Eruptionen oder verheerender Erdbeben wandeln zu können, wird es von tektonischen Kräfte, die aus Dynamiken der tieferen Erkenntnisschichten herrühren, wie eine Kontinentalplatte in einen strikt begrenzten Teil der Erkenntnisoberfläche verschoben. In den so freigewordenen Bereichen können nun das gewöhnliche, das sinnstiftende und das spontane Erkennen ihrerseits an die Oberfläche treten und so eigene Habitate ausbilden. Die Dynamik, die der Gesamtoberfläche ihre Gestalt neu verleiht, ergibt sich aus dem Wirken des Gemeinsinns am Rande hin zur radikalen Imagination. Denn genau durch ihn beginnen sich die Tragfähigkeit als auch die Flexibilität der Erkenntnisschichten zuallererst auszubilden. Das basho-Framework ist für mich deswegen auch Sinnbild einer neuen Gemeinsinn-Ökonomie. Dabei stellt es ausdrücklich kein neues, erfahrungsunabhängiges Modell der Ökonomie dar, sondern eine sinnstiftende Imagination. Als solche soll es Menschen nicht erneut in ihrer Kreativität des Erkennens einschränken, sondern neue Spielräume schaffen, um dieser visuell und sprachlich Ausdruck zu verleihen.

      In diesem Raum tritt nun auch das radikal Imaginäre offen zutage: Von den jeweils inneren Verwerfungslinien aller Erkenntnisweisen vermag der Blick frei und unverstellt in dessen dynamische Tiefe zu gleiten. Dies meint, dass jede Erkenntnisweise – statt sich zur Monokultur aufzuweiten – ausdrücklich vermittelt, dass sie selbst nur ein spezifisch Gewordenes darstellt, bereits mehr oder weniger gegenüber den stets dynamischen Erfahrungen der Gegenwart verhärtet. Wie in geologischen Aufschlüssen lässt sich dabei an den Bruchlinien jeder Erkenntnisform erforschen, wie die je spezifischen Verhärtungen einst in vergangenen dynamischen Tätigkeiten ihren Ursprung nahmen.

      Zugleich lässt sich durch Bewegungen zwischen den einzelnen Bereichen des Erkennens antizipieren, wie sich diese Verhärtungen in Gegenwart und Zukunft auch wieder auflösen und umgestalten können. Gewiss fällt der Übergang des radikal Imaginären hin zum spontanen Erkennen dabei am flachsten aus – im basho-Framework verdeutlicht durch die durchlässige Linie –, vermag der Gemeinsinn doch hier jeden Tag aufs Neue nah an den Erfordernissen der dynamischen Wirklichkeit zu wirken. Zugleich braucht es die Einsicht, dass sich dessen Fläche stets nur als flexibel, ja geradezu labil erweist und deswegen keine dauerhaften Veränderungen von Denk- und Handlungsgewohnheiten begründen kann. Demgegenüber erweist sich das Habitat des sinnstiftenden Erkennens bereits als deutlich stabiler, da es Gewohnheiten zu verfestigen ebenso wie zu verflüssigen versteht und so strukturellen Wandel dessen, was Normalität genannt wird, im Strom der Zeit ermöglicht. Die Bereiche des unbewussten und vor allem des rationalen Erkennens dagegen fallen wie von hohen und steilen, felsenartigen Klippen jäh zum radikal Imaginären hinab. Hier bietet sich kein seichter Übergang, denn die postulierte Unabhängigkeit des Erkennens von gegenwärtiger beziehungsweise überhaupt aller Erfahrung erlaubt diesen Übergang nur im Sinne eines Absturzes.

       DIE BILDUNG ZU REFLEXIVER FREIHEIT

      Und dennoch: Das basho-Framework hilft, das rationale und das gewöhnliche Erkennen als auf einem ausgebildeten unteren Erkenntnismantel ruhend zu verstehen, der insbesondere durch das sinnstiftende Erkennen eine mächtige Tragfähigkeit ausbilden kann. Zugleich vermag dieser Mantel aufgrund der Aktivitäten des Gemeinsinns nun wie auf dem radikal Imaginären frei zu gleiten. Dieses Imaginäre symbolisiert dabei seinerseits zunächst die erlernbare Freiheit, an keinerlei bestimmte Form des Erkennens gebunden zu sein. Zugleich verweist es auf die immer wieder neu zu kultivierende Fähigkeit, sich für alle anderen Weisen des Erkennens frei entscheiden zu können.

      Lässt sich die Welt nur berechnen und durch Kalküle und Modelle steuern? Können wir uns auf die quasiautomatischen Reaktionen eines festgefügten begrifflichen Verstandes verlassen? Braucht es den tiefgehenden strukturellen Wandel hin zu einer neuen kreativen Normalität? Braucht es die Fähigkeit, die Not der Mitmenschen in spontan empathischer Fürsorge zu lindern? Indem – vor allem junge – Menschen lernen dürfen, solche Entscheidungen zu treffen, kann das Erkennen für sie zu einer grundsätzlich offenen, selbst-reflexiven Tätigkeit werden.

      Economists4future haben verstanden: Alles gesellschaftlich Gewordene, die Dynamik der Gegenwart und die Möglichkeiten der Zukunft sind ein reicher Schatz und eine schwere Bürde zugleich. Nur indem sie sich offen begegnen, können sie in einer »kreativen Gegenwart« gemeinsam gestaltet werden. Dies halte ich für den eigentlichen Kern einer radikal neuen ökonomischen Bildung, die eine tatsächliche, reflexive Biodiversität des Erkennens zur Grundlage haben sollte, in der sich ökonomische Theorie und Praxis wechselseitig bedingen und befruchten.

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      Prof. Dr. Silja Graupe ist Ökonomin wie Philosophin und Gründungsmitglied der die Wirtschaftswissenschaften vom Kopf auf die Füße stellenden Cusanus Hochschule für Gesellschaftsgestaltung.

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      »Weit wesentlicher für die Zukunft aber wird sein, diese ›reine Lehre‹ endlich umzustellen auf eine realistische Ökonomik, in der die ökonomischen Entwicklungen und deren Folgen und die eigene Gestaltungskraft reflektiert werden. Hierin stehen Ökonom*innen in der Verantwortung, der sie sich nicht entziehen können.«

      Katrin Hirte

image DAS DOPPELTE REFLEXIONSPROBLEM

      Wie die Ökonomik ihren Gegenstand verfehlt und sich ihrer Wirkung auf ihn entzieht

      In diesem Beitrag wird die These vertreten, dass in den Wirtschaftswissenschaften ein grundsätzliches und zugleich doppeltes Reflexionsproblem besteht. Es ist mitverantwortlich für die mittlerweile desaströsen Folgen des Wirtschaftens – fatal für den Großteil der Menschen auf der Erde und katastrophal für den Zustand des Planeten.

      Dieses Reflexionsproblem besteht zuerst in einer unreflektierten Gleichsetzung: Die Bewirtschaftung der Erde als Sphäre des Ressourcenumgangs wird mit der Sphäre der Ökonomie als Organisations- und Regulationsstruktur dieses Umgangs gleichgesetzt. Dies ermöglicht es, ökonomische Verhältnisse als quasinatürliche zu vermitteln. Nichts signalisiert dieses Problem so deutlich wie der beliebte Begriff »Marktwirtschaft«: »Wirtschaft« steht für die Sphäre des Bewirtschaftens und »Markt« für die Sphäre der ökonomischen Regelung dieses Wirtschaftens – wobei »Markt« im heutigen Ökonomieverständnis sogar synonym für eine angebliche Selbstregelung dieser Sphäre steht. Aber Bewirtschaftung gleicht eben nicht automatisch einer Marktökonomie, genau wie Produktionsmittel nicht automatisch Kapital sein müssen und Arbeit nicht Lohnarbeit sein muss. Vielmehr wurde die Bewirtschaftung der Ressourcen der Erde durch die Menschen in eine Marktökonomie umgewandelt. Die Regelungen dazu haben hauptsächlich Ökonom*innen geschaffen.

      Hierin besteht das zweite Reflexionsproblem der Ökonomik: Sie blendet ihre eigene aktiv mitgestaltende Rolle in diesem Prozess aus – sei es hinsichtlich der Bestimmung dessen, was ein Bruttosozialprodukt ist, der Festlegung, welche Regeln für Unternehmen gelten, oder der Entwicklung von Berechnungsformeln für Finanzmarktprodukte. Durch all diese Bestimmungen werden sowohl die Bewirtschaftungssphäre als auch die ökonomische


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