Zum poetischen Werk von Salvatore A. Sanna. Группа авторов

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      per la sua cornice

      che ti rimette l’infanzia

      e ti fa sognare

      un viaggio

      di là da essa.

      In dieses Land

      komme ich auf der Suche

      nach einer versiegten Quelle

      Jede Begegnung mit Menschen

      ist wie ein Vorwurf

      fremden Gebarens

      anderen Denkens

      Es gibt ein Meer

      oval in seinem Rahmen

      das mich in die Kindheit versetzt

      und träumen läßt

      von einer Reise

      aus ihr heraus.12

      Erinnerung macht der Dichter nicht zuletzt an menschlichen Begegnungen und Beziehungen fest. Gerade auch in dieser Hinsicht spielt Sardinien eine wichtige Rolle. Erinnerungen an Personen aus dem engeren familiären Umfeld beziehen sich häufig auf eine Zeit, die Kindheit und Jugend, die in Sardinien verbracht wurde. Manchmal sind Erinnerungen an geliebte Menschen miteinander verwoben oder verschachtelt, wie in einem Liebesgedicht, in dem, wie es heißt, „unsichtbare Erinnerungen“ in der menschlichen Begegnung und in der Erfahrung mit den Dingen ans Licht kommen. Die Begegnung mit dem Vater des lyrischen Ichs in Sardinien und die Vertrautheit mit ihm ermöglichen der Fremden, der Geliebten des lyrischen Ichs, die Erinnerung an ihren eigenen, verstorbenen Vater wieder sehr gegenwärtig werden zu lassen:

      Erano i frutti ancora

      verdastri dell’orto

      presso lo stagno

      che mio padre tagliava

      a fette per te. Forse

      vedevi in lui il tuo

      scomparso nelle falde

      d’un tempo barbarico

      Discreta ne seguivi il rito

      nell’attesa infantile

      del gusto inconsueto

      Si creava un accordo

      per memorie invisibili

      e con fierezza ostentavi

      a noi del nucleo

      la tua appartenenza.

      Es waren die noch grünen

      Früchte aus dem Garten

      unten am Teich

      die mein Vater in Scheiben

      zerlegte für dich. Vielleicht

      sahst du in ihm den deinen

      der im Schlund barbarischer Zeit

      entschwand

      Diskret verfolgtest du den Ritus

      in kindlicher Erwartung

      ungewohnten Geschmacks

      Ein Einklang stellte sich her

      über unsichtbare Spuren

      und voller Stolz zeigtest du

      uns vom Kern

      daß du dazu gehörtest.13

      In einem anderen Gedicht wird im Dialog mit einem „Du“ die eigene Kindheit erinnert:

      È difficile spiegarti il senso

      delle pietre

      che rafforzano il muro

      del convento

      Su quel muretto

      ci camminavo

      da ragazzo

      cercando l’equilibrio

      Le mie uscite notturne

      mi riconducono

      in quella strada

      a pochi metri da casa

      E mi vien di tentare.

      Es ist schwer

      dir den Sinn der Steine

      zu erklären

      die die Klostermauer stützen

      Auf dieser kleinen Mauer

      lief ich als Kind

      mühsam das Gleichgewicht haltend

      Meine nächtlichen Spaziergänge

      führen mich von neuem

      in diese Straße

      nur wenige Meter von zu Hause

      Und wieder muß ich es versuchen.14

      Das Erinnern ist das zentrale Thema besonders in dem Band Mnemosyne. Dort heißt es:

      I ricordi balzano fuori

      dal fondo della terra

      come le talpe in primavera

      […].

      Die Erinnerungen schnellen empor

      aus dem Erdgrund

      wie die Maulwürfe im Frühling

      […].15

      Die Gestalt der Mnemosyne, die dem Band den Namen gibt, gilt in der griechischen Mythologie als die Personifikation der Erinnerung und als die Mutter der neun Musen.

      Vor diesem Hintergrund mag die Metapher des Maulwurfs ungewöhnlich erscheinen. Der Maulwurf ist ein Tier, das in der Erde gräbt, im Untergrund bleibt. Die beim Graben anfallende Erde schiebt er mit dem Kopf beziehungsweise dem Rüssel an die Erdoberfläche, wodurch die typischen, circa 25 cm hohen Erdhaufen entstehen. Der Maulwurf sieht schlecht. Seine kleinen Knopfaugen nehmen nur Unterschiede zwischen Hell und Dunkel wahr. Auch der Gehörsinn ist beim Maulwurf wenig ausgeprägt. Stattdessen kann er mit den Haaren „hören“. Sie nehmen kleinste Erschütterungen, Schwingungen, Bewegungen, ja sogar Luftdruckveränderungen auf. Der Maulwurf gräbt komplexe Tunnelsysteme, die bis 200 m lang werden und bis 70 cm tief unter der Erde liegen. Auch viele Erinnerungen bleiben zunächst einmal im Verborgenen, im Unbewussten. Der Maulwurf „schnellt“, wie es in dem Gedicht heißt, „im Frühling herauf“, vielleicht angelockt durch das Sonnenlicht, vielleicht aus Neugierde. Auf ähnliche Weise kommen manchmal auch Erinnerungen unversehens ans Licht. Gedichte können solche Lichtblicke im Dunkeln sein. Sie fangen Erinnerungen ein.

      Kunst ist – so gibt uns der Mythos zu verstehen – geformte, inkarnierte Erinnerung. Kunst und Literatur führen uns durch das Labyrinthsystem der Erinnerung. Die Erinnerungsarbeit wird in Salvatore A. Sannas Lyrik kombiniert mit einer Identitätsarbeit.

      2. Dichten als Identitätsarbeit

      Im ersten Lyrikband Salvatore A. Sannas – Fünfzehn Jahre Augenblicke – sind die Gedichte, die sich auf die Erfahrung in Deutschland beziehen, und jene, die sich auf seine ursprüngliche Heimat Sardinien beziehen, klar getrennt. Man hat den Eindruck, dass Deutschland für das lyrische Ich ein Terrain ist, auf dem es neue Erfahrungen sammelt, mit neuen sinnlichen Eindrücken konfrontiert ist, neue Begegnungen macht. Sardinien hingegen erscheint als Chiffre einer früheren, einer vergangenen Zeit. Das, was als Kontrast erscheinen mag – Kontrast zwischen Vergangenheit und Gegenwart, Kontrast zwischen Sardinien und Deutschland, Kontrast zwischen Deutschland und vielen anderen Orten, von denen in Salvatore A. Sannas Gedichten die Rede ist –, erweist sich, betrachtet man sein Gesamtwerk, tatsächlich als Zusammenspiel. Aus diesem Zusammenspiel von Verschiedenem und bisweilen Gegensätzlichem konstituiert sich in Salvatore A. Sannas Lyrik


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