Berufliche Belastungen bewältigen. Группа авторов

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wie die Wichtigkeit, sich zu schützen und energisch zurückzuweisen.

      HeilpädagogInnen, SozialarbeiterInnen, Pflegefachkräfte und andere Fachkräfte in den helfenden Berufen stellen sich in diesem Zusammenhang Fragen wie:

      • Wie würde ich meinen beruflichen Gesundheitszustand während der letzten 12 Monate beschreiben?

      • Wodurch wird meine Gesundheit beeinflusst?

      • Was brauche ich, um gesund zu bleiben?

      Doch nicht nur die Berufstätigen selbst sind aufgefordert, möglichst früh aufkommende berufliche Herausforderungen zu erkennen, bevor sie zu Deformationen werden, um diesen entgegenzuwirken und damit ihre Gesundheit zu erhalten. Denn auch die Einrichtungen, in denen sie tätig sind, müssen Strategien und Methoden betrieblicher Gesundheitsförderung umsetzen, damit Gesundheit erhalten bleibt.

      Da herrschende Arbeitsbedingungen eine Hauptdeterminante von Gesundheit darstellen, etwa hinsichtlich sozialer Bindungen zu AdressatInnen, sozialen Rückhalts durch KollegInnen oder Vorgesetzte oder gesundheitlicher Risiken wie Stress, oder auch betreffs Ansehen, Stellung oder Grad der Selbstständigkeit in ihrer Position, bilden sie mit den individuellen Faktoren der Lebensführung und sozialkommunikativen Prozessen zwischen den MitarbeiterInnen einen erheblichen Risikofaktor für Mortalität und Morbidität ab. D. h. Faktoren wie Einrichtungsstrukturen, Compliance und soziale Vernetzung sind gesundheitsrelevant. Nur mittels systematischer Unterstützungsangebote wird es möglich, dass HelferInnen erfahren, wie berufliche Belastungen ihre Gesundheit beeinflussen und wie sie entsprechend handeln können. In Kapitel 8 geht es um Hilflosigkeitserfahrungen. Unter dem Stichwort »interessierte Selbstgefährdung« zeigt die Analyse belastender Faktoren auch die Verantwortung der Einrichtungen auf.

      Aktuelle Bildungsansätze zur Gesundheitsförderung beginnen dort, wo Zielgruppen selbst definieren können, was ihre relevanten beruflichen Belastungen sind und was Ziele gegensteuernder Methoden. Es geht also um eine solche Bildung, die das Ziel hat, Anregungen zu schaffen, Einstellungen und Erfahrungen zu überdenken und neue Fähigkeiten zu entdecken und auszuprobieren. In Kapitel 3 z. B. mündet das Thema Ekel und Scham, als ein interaktionales Phänomen zwischen Fachkraft und Klientel, in der Diskussion notwendiger fachlicher Kompetenzen, die auch im Selbstreflexiven liegen.

      Das erwähnte »empowern« gelingt, wenn berufliche Belastungen überwunden werden, indem Kompetenzen und Selbstvertrauen im Umgang mit diesen vorhanden sind. Aus der Perspektive einer auf Befähigung ausgerichteten Gesundheitsförderung resultiert das Erfordernis, dass so ausgerichtete Gesundheitsförderung

      • die aktuelle berufliche Situation der MitarbeiterInnen zum Ausgangspunkt nimmt,

      • typische Situationen beruflicher Belastungen vieler Fachkräfte entlarvt und

      • Informationen über Entstehungsbedingungen und Maßnahmen zur Bewältigung vermittelt,

      um Fachkräfte zu befähigen, selbstbestimmt zu handeln.

      Neben anderen Konzepten gilt der Empowermentansatz in der Gesundheitsförderung als gesetzt (vgl. Naidoo/Wills 2019, S.164 ff.). Dieser betont im Kontext der Gesundheitsförderung zum einen die Anregung des Individuums zur persönlichen Gestaltung der Arbeitsbedingungen. Hierzu zählt etwa die eigene Trauerarbeit, wie in Kapitel 4 erläutert wird. Ebenso ist mit Staub-Bernasconi aber auch auf den Aspekt von Empowerment hinzuweisen, wonach Befähigung auch zu einer kritischen Auseinandersetzung mit Macht- und Ohnmachtsverhältnissen befähigen muss: »Hilfe zur Selbsthilfe« (Staub-Bernasconi 2011, S. 367). Der Pädagoge Paulo Freire gilt als ein zentraler Begründer dieses befähigenden Bildungsverständnisses. Ausgangspunkt für Maßnahmen ist nach seinem Verständnis die Ausrichtung auf Förderung von Selbstbefähigung und Selbstbestimmung im Umgang mit beruflichen Belastungen: »Der Mensch wird nicht als ein hilfebedürftiges Mängelwesen bezeichnet, sondern in der Möglichkeit, als kompetenter Akteur seiner eigenen Lebensgestaltung aufzutreten.« (Lambers 2018, S. 399) Um Menschen zu einer gesundheitsfördernden Gestaltung ihrer Arbeitswelt zu »empowern«, braucht es zwei Ebenen (vgl. Gollner u. a. 2018, S. 46 ff.):

      1. die Förderung kritischer und artikulierender Kompetenzen auf der individuellen Ebene

      2. die Förderung sozialer Strukturen, die gesundheitsfördernd wirken.

      Der Ausbau von persönlichen Gesundheitskompetenzen, mittels derer es gelingt, berufliche Belastungen zu bewältigen, befähigt zum

      • Erkennen,

      • kritisch Deuten und

      • Handhaben

      von herausfordernden Situationen.

      Doch nicht nur personenorientierte Hilfen »empowern«, sondern auch organisationsorientierte Aspekte befähigen dazu, förderliche Arbeitsbedingungen zu schaffen, etwa mittels Organisationsentwicklung im Bereich Belastungsreduktion durch

      • Veränderung von einrichtungsspezifischen Infrastrukturen oder mit

      • betrieblichem Gesundheitsmanagement durch Implementierung von Gesundheit als betriebliches Ziel in Managementprozessen (vgl. Naidoo/Wills 2018, S. 442).

      Zur erfolgreichen Anwendung dieses Ansatzes ist es aber in jedem Fall nötig, dass die professionell Tätigen die Erkenntnisse in die Praxis übertragen können, indem zunächst verschiedene berufliche Belastungen identifiziert werden. Daraus erwächst die Zuversicht der Fachkräfte, Fähigkeiten zu entwickeln, um angemessen darauf zu reagieren. Es geht darum, dass Menschen diese Informationen als relevant und veränderbar (indeterminiert) einstufen müssen, damit sich Veränderung vollziehen kann. Diese Vorstellung kann durch individuell bedeutungsvolle Praxisbeispiele und aktivierende Fragen angeregt werden. Insofern unterstützt befähigende Gesundheitsförderung den Selbstbildungsprozess der Fachkräfte. Dazu eignen sich mitarbeiterzentrierte Methoden, die

      • die individuelle Bedeutung der Entstehung von Belastungen des Arbeitslebens bewusst werden lassen,

      • eine Änderungsbereitschaft bei den Betroffenen aktivieren und

      • solche Informationen bieten, die Kompetenzen und Kooperationen zur Veränderung entwickeln lassen.

      Wenn Gesundheitsförderung ein dauerhafter Prozess ist, gelingt gerade ein befähigender Ansatz, da er zur Selbstveränderung im Umgang mit beruflichen Belastungen anregt, indem PraktikerInnen kritisch reflektierte Ideen entwickeln, wie kreative Problemlösungsverfahren entstehen können, und nicht dadurch, dass sie auf gegenwärtige Probleme hingewiesen und mit Lösungen versorgt werden.

      Gesundheitsförderung basiert, wie erwähnt, auch auf Partizipation, wenn betroffene Fachkräfte erkennen, dass sie einen Einfluss auf die Arbeitsbedingungen nehmen können, was wiederum »die Umsetzung von gesundheitsförderlichen Aktivitäten« bewirkt (Gollner u. a. 2018, S. 54). Gleichzeitig fördert Partizipation auf einer angemessenen Stufe eine aktive Selbst- und Sozialwahrnehmung, indem bedeutungsvolle Perzepte anderer Individuen und des Selbst konstruiert werden.

      Da die Arbeitszeit nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ einen großen Einfluss auf die Gesundheit von Menschen hat, ist eine möglichst partizipative Gesundheitsförderung nötig. Partizipation vollzieht sich in der Gesundheitsförderung als ein Kontinuum in Anlehnung an Straßburger und Rieger auf 6 Stufen: MitarbeiterInnen

      1. informieren sich: Fachkräfte verschaffen sich ein Verständnis über Zusammenhänge und Maßnahmen im Kontext beruflicher Belastungen.

      2. bringen sich ein: Die Sichtweisen der betroffenen MitarbeiterInnen werden eingeholt und in die Entscheidungsfindung einbezogen.

      3. sind Experten in eigener Sache: Fachkräfte analysieren berufliche Belastungen und mögliche Maßnahmen.

      4. bestimmen mit: Resultierende Gesundheitsförderungsmaßnahmen werden miteinander abgesprochen.

      5. handeln nach eigener Verantwortlichkeit: Die Eigenständigkeit in Bezug auf Bewältigung steht im Vordergrund.

      6. handeln nach eigener Befugnis: Sie sind ermächtigt, nach eigenem Ermessen zu handeln, Gesundheitsförderung wird selbst in die Hand genommen und umgesetzt (vgl. Straßburger/Rieger


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