Berufliche Belastungen bewältigen. Группа авторов

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Aggression?

      Feindliche Aggression beginnt mit der Absicht zur Verletzung.

      Aggression kann sich sowohl nach außen richten, wenn sie andere Menschen zum Ziel hat, als auch nach innen, wenn autoaggressiv selbstschädigendes Verhalten eine entgegengesetzte Form der Beziehungsgestaltung annimmt. Soziale Beziehungen entwickeln dadurch eine ganz andere Dynamik. Von einem aktiv aggressivem Verhalten kann ein passiv-aggressives Verhalten abgegrenzt werden. Dieses Angriffsmuster besteht in den gelernten Aggressionsstilen, sprachlos zu werden, zu weinen oder die Schuld auf andere zu schieben. Mit dem Begriff Autoaggression wird selbstschädigendes Verhalten bezeichnet, bei dem die betreffende Person die Aggression gegen sich selbst lenkt. Die individuellen »Aggressionsvorlieben« sind für Breakwell auch sozial gelernte und individuell entwickelte Formen, in bestimmten Situationen Aggressionen auszudrücken (vgl. Breakwell 1998, S. 60 ff.).

      Der professionelle Umgang mit Menschen in emotionalen und körperlichen Ausnahmesituationen in den vielen Situationen, in denen das Aggressionspotenzial der Beteiligten aktiviert ist, etwa durch Angst oder Bedrohung, ist schwierig, denn aktivierte Impulse von Kampf oder Flucht (fight or flight) betreffen auch die HelferInnen. Vielleicht liegt in einzelnen Einrichtungen sogar ein aggressionsförderndes Klima vor. Aber wo endet der Selbstschutz oder das Verständnis für die Handlungen anderer und wo beginnt tatsächlich eine schädigende Absicht? Mit der Vermittlung aufhellenden Hintergrundwissens und durch die Enttabuisierung des Themas lassen sich aggressiv-gewalttätiges Verhalten und dessen Folgen im beruflichen Alltag reduzieren und verhindern.

      Gerd Mietzel beschreibt unter der Überschrift »Aggression und ihre Erklärung« diese verschiedenen Aspekte fachlicher Zugänge zum Phänomen, die im Folgenden kurz dargestellt werden (vgl. Mietzel 2000, S. 205 ff.). LeserInnen werden in seinem Werk »Wege in die Psychologie« alsbald mit der Frage konfrontiert, ob sie die pessimistische Einstellung zur menschlichen Natur mit Wiliam Golding nach dem Ende der Dreharbeiten zu Herr der Fliegen oder mit Sigmund Freud nach seinen Beobachtungen des ersten Weltkrieges teilen:

      Sind Menschen von Natur aus gewalttätig?

      An diese Frage schließt Mietzel die Erläuterung Sigmund Freuds an, dass nämlich der Triebtheorie neben einem Lebenstrieb (Eros) auch ein Todestrieb (Thanatos) als Antagonist hinzuzufügen sei:

      »Wir nehmen an, daß die Triebe des Menschen nur von zweierlei Art sind, entweder solche, die erhalten und vereinigen wollen – wir heißen sie erotische […] – und andere, die zerstören und töten wollen; wir fassen diese als Aggressionstrieb […] zusammen. […] Übrigens handelt es sich […] nicht darum, die menschliche Aggressionsneigung völlig zu beseitigen; man kann nur versuchen, sie so weit abzulenken, daß sie nicht ihren Ausdruck im Kriege finden muß.« (Freud, zit. in Mietzel 2000, S. 297 f.)

      Staut also ein Organismus aggressive Tendenzen auf, drängt es nach (selbst-)zerstörerischem Verhalten – so dieses triebtheoretische Verständnis. Die Aggressionsbereitschaft von Menschen bindet diese jedoch nicht zwangsläufig zu gewalttätigem Verhalten, denn in verschiedenen Situation differenzieren sich die Umgangsformen mit dem Phänomen. Ebenso reagieren Menschen individuell unterschiedlich stark auf ähnliche Bedingungen. Sie stellen sich die Frage, ob aggressives Verhalten vorteilhaft ist oder in bestimmten Situationen nicht angebracht erscheinen mag.

      Ein weiterer Aspekt sind die Formen der Abwehr, etwa wenn KlientInnen, durch Belastung und Krise ausgelöst, ein Schutzverhalten zeigen. So wird die Regression gegen Ängste und Überforderung genutzt. Doch wodurch unterstützen die HelferInnen das regressive Verhalten bewusst oder unbewusst? KlientInnen werden z. B. mehr gemocht, wenn sie sich kooperativ zeigen und machen, was vorgeschlagen wird, wenn sie akzeptieren, dass die HelferInnen wissen, was das Beste ist. Sich darauf einzulassen reduziert Stress auf Klientenseite. Doch was ist, wenn die Betroffenen durch die verstärkte Regression noch mehr verharren und Hilfeprozesse stagnieren? Hier wird das Erfordernis der Selbstständigkeitsförderung sichtbar: Wie können Fachkräfte professionell mit regressivem Verhalten umgehen und welche Wirkung zeigt ihr Handeln?

      Daneben können drei Formen von Aggression unterschieden werden: Offene Aggressionen, wie etwa brachiale oder verbale Gewalt, existieren neben verdeckten Aggressionen, etwa wenn ein/e KlientIn für sein/ihr Verhalten bestraft wird, und stellvertretenden Aggressionen, etwa gegen schwächere Beteiligte.

      Kennen Sie Beispiele zu den drei Formen? Überlegen Sie bitte für die drei Kategorien von Aggression Lösungen.

      Im weiteren Text fasst Mietzel die Frustrations-Aggressions-Hypothese nach Dollard und Miller (1939) zusammen mit der Erkenntnis:

      1. Aggression ist immer eine Folge einer Frustration.

      2. Frustration führt immer zu einer Form von Aggression.

      Frustriert fühlen sich etwa HelferInnen, wenn sie sich, um die Erreichung eines fachlichen Ziels bemüht, in ihrem zielgerichteten Handeln blockiert erleben. In ihren beruflichen Situationen erleben sie dann auch Aggression, deren Ausleben zur Frustration einer anderen Person führt oder das Frustrationsgefühl der Fachkraft weiter verstärkt. Aggression mündet also in reaktivem Verhalten, das wiederum Frustration freisetzt usw. Frustrierend ist vielleicht die Enttäuschung bei einer/einem SozialarbeiterIn, wenn die Befriedigung seines/ihres eigenen Bedürfnisses nach Wertschätzung durch das Verhalten eines/einer Jugendlichen verhindert wird. Aggressives Verhalten dient dazu, das Subjekt, das der Bedürfnisbefriedigung im Wege steht, herauszufordern, häufig ohne Rücksicht auf mögliche Verletzungen der Personen. Die Stärke der Aggressionsreaktion steht dabei im Verhältnis zur vorherigen Frustrationsstärke. Die Spirale von Frustration und Aggression beginnt bei einer harmlos erachteten Bemerkung und mündet dann in Rache.

      Aber: Lösen Frustrationen automatisch immer Aggressionen aus?

      In Erweiterung ihrer Hypothese beziehen Dollard und Miller die Erkenntnis mit ein, dass Frustration auch der Grund für Ärger, Angst, Isolation oder Niedergeschlagenheit werden könne. So leitet sich die Stärke bestrafenden Verhaltens nicht zwangsläufig aus der Intensität des Frustrationserlebnisses ab. Es kommt auf die Wahrnehmung und Vermutung an, die der Emotion und der Reaktion vorweggehen. Wenn also Bedürfnisse etwa ohne nachvollziehbare Gründe blockiert werden, wirkt das individuell auf die Aggression der Betroffenen. Wenn z. B. eine Klientin in die Beratungsstelle kommt und erfährt, sie müsse warten, weil der Sozialarbeiter nun eine Tasse Kaffee trinken gehen will, reagiert sie wahrscheinlich aggressiver, als wenn sie erfahren würde, dass der Sozialarbeiter gerade einen Schwächeanfall erlitten hat. Auch der Alltag der HelferInnen ist davon geprägt, wenn etwa am Ende eines langen Arbeitsprozesses die KlientInnen die Beratung einfach abbrechen. Es werden Fragen wichtig wie:

      • Wieviel Zeit und Kraft wurde investiert?

      • Was ist die Begründung für den Abbruch der Hilfe?

      • Welche Erwartung hatte die Fachkraft an den Verlauf der Hilfe gehabt?

      • Wie ist die Fachkraft in ihr Team integriert?

      Können Sie ergänzen?

      Es kommt also in als bedrohlich empfundenen Situationen auf die individuelle Entscheidung an. So mag es sogar zu einer o. g. Aggressionsumleitung kommen. Das heißt, dass die Person oder der Umstand, die zu einer Frustration geführt hat, nicht zwangsläufig Opfer der bevorstehenden Aggression werden muss. Stattdessen wird eine andere Person mit aggressivem Verhalten angegangen.

      Einem kognitiven Aspekt des Phänomens folgt Mietzel, wenn er im weiteren Verlauf erläutert, dass die Annahme, dass Aggression, wie jedes soziale Verhalten, durch Beobachtung, Nachahmung und Lernen am Erfolg reproduziert wird, der Erklärung von Aggression hinzuzufügen sei. Wenn sich Menschen der Bedeutung der Konsequenz ihrer Handlung bewusst sind, nutzen sie Verhaltensweisen, die Verhaltensbeobachtungen und sichtbare resultierende Konsequenzen einbeziehen.

      Frage: Welche situativen Bedingungen/Voraussetzungen können das gewalttätige Verhalten gegenüber alten Menschen in einem Pflegeheim fördern?

      Davon ausgehend, dass aggressives Verhalten von Vorbildern nachgeahmt wird, so erläutert Mietzel sein Verständnis von Albert Banduras Ansatz, gilt es zu berücksichtigen, dass »solche Nachahmung


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