Was jetzt zu tun ist. Hannes Androsch

Was jetzt zu tun ist - Hannes Androsch


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      HANNES ANDROSCH

       WAS JETZT ZU TUN IST

      in Zusammenarbeit mit Bernhard Ecker

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      Den nächsten Generationen gewidmet, auf dass sie Antworten auf die großen Fragen ihrer Zeit finden.

       Inhalt

       EINLEITUNG

       Aus Krisen lernen: Wiederaufbau und „Generation Corona“

       1.BILDUNG hat Vorrang

       Alle Chancen für einen Neustart nutzen

       2.DIGITALISIERUNG ohne Anschluss

       Die Zukunft selbst in die Hand nehmen

       3.KLIMA UND ENERGIEWENDE anpacken

       Keine Tabus und Schluss mit dem Selbstbetrug

       4.MIGRATION betrifft uns alle

       Das xenophobe Spiel beenden

       5.POPULISMUS enttarnen

       Sozialdemokratie, bitte aufwachen!

       6.EUROPA nach Merkel

       Zusammenhalt ist wichtiger denn je

       7.WELT(UN)ORDNUNG: China statt USA?

       Warum es kein Entweder-oder gibt

       8.UNSERE ZUKUNFT nach der Krise

       Budget und Schulden: Was jetzt zu tun ist

       Literatur

       EINLEITUNG

       Aus Krisen lernen: Wiederaufbau und „Generation Corona“

      Eines der großen Leitmotive Österreichs ab 1945 war der Wiederaufbau. Ein Land in Trümmern, eine Wirtschaft in Auflösung, eine zerschundene Bevölkerung aus Ausgebombten, Ausgehungerten, Heimkehrern, Vertriebenen, Perspektivlosen – wie aus dieser Situation jemals wieder Zukunft und Miteinander entstehen sollten, war am Ende des Zweiten Weltkriegs auch den größten Optimisten ein Rätsel. Bürgerkriegsähnliche Zustände und jahrelanges, ja Jahrzehnte währendes Elend schienen ebenso im Bereich des Möglichen wie ein Wiederaufstieg im Geist des Zusammenhalts.

      75 Jahre nach Gründung der Zweiten Republik wird wieder von Wiederaufbau und Zusammenhalt gesprochen, es werden europaweit Pläne für die Wiederbelebung der Wirtschaft gewälzt. Zum Jubiläum Ende April gab es weder Feste noch sonstige Feierlichkeiten, weil Großveranstaltungen in der Corona-Krise grundsätzlich verboten waren. Mit der Covid-19-Pandemie wurde uns nicht nur die Verletzlichkeit unserer als selbstverständlich angesehenen Zivilisation vor Augen geführt. Die Krise und ihre Folgen werden nicht einfach wieder verschwinden. Mit ihnen hat eine neue Zeitrechnung, die „Zeit danach“, begonnen.

      Natürlich ist es kein Krieg, der gegen das Virus geführt wurde und wird, wie forsche Politiker uns weismachen wollen. Daher ist auch die Analogie zum Wiederaufbau und den großen wirtschaftlichen Hilfsprogrammen der Nachkriegszeit unscharf. Dennoch ist klar, dass 2020 eine Zäsur ungeahnten Ausmaßes darstellt. In einer ganzen Reihe von europäischen Ländern schrumpft die Wirtschaft so stark wie seit der Weltwirtschaftskrise 1929 nicht mehr, in Österreich voraussichtlich um minus acht Prozent. Eine Rückkehr zur „alten Normalität“ wird es nicht geben. Gefragt sind jetzt Ideen für eine „neue Normalität“ – und die Erinnerung daran, dass dieses Land vor einem Dreivierteljahrhundert aus der größten Katastrophe auferstand, die Europa und die Welt bis dahin gesehen hatten: dem Zweiten Weltkrieg.

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      Dieses Buch setzt fort, was mit meinem 2013 erschienenen Buch Das Ende der Bequemlichkeit begonnen wurde. Damals ging es um eine Mahnung an die österreichische Politik, aufgrund von Versäumnissen in zentralen Bereichen nicht den Anschluss zu verlieren. Was jetzt zu tun ist ist der Versuch einer Gebrauchsanweisung, wie diese Blockaden, die unser Land lähmen, zu lösen sind, verbunden mit einem ganz konkreten Blick in die Zukunft, der die aktuellen Problemlagen und Herausforderungen fokussiert. Selbst das voluminöseste Rückhaltebecken nützt nichts, wenn der Abfluss verstopft ist. Wir wissen zwar längst, was zu tun wäre, sind aber nicht willens oder auch fähig, es auch zu tun.

      National, europaweit und noch mehr global wurden Zusammenarbeit und Kooperation in den letzten Jahren durch nationale Egozentrismen bis hin zu Feindschaft und Renationalisierung ersetzt. In Österreich führte xenophobe und klientilistische Polarisierung zunehmend zur Spaltung des politischen Lebens und der Gesellschaft. Ein Indikator dafür ist die Tatsache, dass wir zwischen 2016 und 2020 schon die fünfte Regierung haben. Unser europafeindliches Verhalten hat uns innerhalb der Europäischen Union zum Außenseiter gemacht. Die gar nicht mehr so schleichende Orbánisierung, zum Ausdruck gekommen in unnötigen legistischen Maßnahmen, stellt zunehmend unsere Grundrechte in Frage, wie der Verfassungsgerichtshof festgestellt hat.

      Österreichs Weg der Pandemiebekämpfung darf, mit einigen Monaten Abstand betrachtet, bisher als gesundheitspolitisch erfolgreich gelten, vor allem dank seiner hervorragenden Spitäler und Altenpflegeeinrichtungen, insbesondere in Wien. Dennoch hat der Umgang mit der Krise Fehlentwicklungen in unerwarteter Dichte zum Vorschein gebracht. Autoritäre Maßnahmen wie etwa die gesetzwidrige Schließung der Bundesgärten in Wien während des Shutdowns, die gerichtlich wieder aufgehobenen drakonischen Strafen für Spaziergänger oder der vehemente Wunsch von ÖVP-Politikern nach Handyüberwachung zeigen, wie dünn das Eis der Demokratie ist, wenn sich die Gelegenheit zur Notmaßnahme bietet. In Ischgl hat man dagegen wochenlang Missbrauch geduldet. Bevor die Regierung dann drastische Maßnahmen setzte, wurde noch schnell der Rechtsanspruch auf Entschädigung im Epidemiegesetz ausgehebelt. Bei Sebastian Kurz’ Auftritt im Kleinwalsertal Mitte Mai wurde deutlich, dass die für alle anderen rigoros ausgelegten Regeln nicht mehr gelten, wenn es der eigenen Heldenverehrung dient.

      › Durch die extrem bürokratischen und zu langsamen Hilfen hat man ein langsames Ausbluten der heimischen Volkswirtschaft riskiert.

      Die so genannten Hilfsinstrumente, ohnehin im Verhältnis deutlich geringer dimensioniert als in Deutschland und in der Schweiz, waren von Beginn an stumpf. Bis Mitte August 2020 sind nach wie vor erst rund zehn Prozent der in Aussicht gestellten 50 Milliarden Euro ausbezahlt. Zum Vergleich: In der Schweiz waren schon nach wenigen Wochen 15 Milliarden Franken in der Wirtschaft und 271 Millionen Franken bei den Kunstschaffenden angekommen. Die staatlichen Garantien für Hilfskredite sind in Österreich so formuliert, dass sie praktisch wertlos sind. Durch diese extrem bürokratischen und zu langsamen Hilfen für in Not geratene Unternehmen hat man ein langsames Ausbluten der heimischen Volkswirtschaft riskiert. Es fehlen nach wie vor


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