Anna Karenina. Лев Толстой
überzeugt, daß du dieses ganze Einmaleins des Forstwesens beherrschst. Das ist denn doch nicht so leicht. Hast du die Bäume gezählt?«
»Wie soll man denn die Bäume zählen?« fragte Stepan Arkadjewitsch lachend, in dem dauernden Bemühen, den Freund aus der üblen Stimmung herauszubringen.
»Vermöchte selbst ein hoher Geist zu zählen
Der Sterne Strahlen und des Sandes Körner?«
deklamierte er.
»Ja, ja, aber Rjabinins hoher Geist kann es. Und kein Händler kauft einen Wald, ohne vorher die Bäume gezählt zu haben, wenn ihm nicht jemand den Wald umsonst gibt, so wie du. Deinen Wald kenne ich. Ich bin jedes Jahr dort zur Jagd, und dein Wald ist fünfhundert Rubel auf einem Brett die Deßjatine wert, und er gibt dir nur zweihundert und in einzelnen Raten! Das heißt, du hast ihm gegen sechzigtausend Rubel geschenkt.«
»Na, hör nur auf mit diesen abenteuerlichen Berechnungen«, erwiderte Stepan Arkadjewitsch in klagendem Tone. »Warum hat mir denn niemand so viel geboten?«
»Weil dieser Mensch mit den anderen Händlern in heimlichem Einvernehmen steht; er hat ihnen Abstandsgeld gezahlt. Ich habe mit ihnen allen zu tun gehabt und kenne sie. Das sind keine soliden Geschäftsleute, sondern Gauner. Auf ein Geschäft, bei dem ihm ein Gewinn von zehn, fünfzehn Prozent in Aussicht steht, läßt sich der gar nicht ein; er wartet, bis er eine Ware, die einen Rubel wert ist, für zwanzig Kopeken kaufen kann.«
»Na, na, hör auf! Du bist schlechter Laune.«
»Durchaus nicht«, erwiderte Ljewin finster; sie langten gerade beim Hause an.
Vor der Haustür stand bereits ein mit starkem Eisenbeschlag und festen Ledersitzen versehener Bauernwagen, davor ein wohlgenährtes Pferd, mit breiten Kumtriemen straff angeschirrt. Auf dem Wagen saß, mit fest angezogenem Leibgurt, ein von Gesundheit strotzender junger Gehilfe, der bei Rjabinin auch die Stelle eines Kutschers versah. Rjabinin selbst war schon im Hause und kam den Freunden im Vorzimmer entgegen.
Er war ein Mann in mittleren Jahren, von hohem Wuchs, hager, mit Schnurrbart, das vortretende Kinn glatt rasiert, mit trüben, herausstehenden Augen. Er trug einen langschößigen blauen Rock, an dem hinten die Knöpfe wunderlich tief angesetzt waren, und hohe Stiefel, die um die Knöchel herum Falten bildeten und an den Waden gerade und glatt waren; darüber hatte er noch große Gummischuhe gezogen. Er fuhr sich mit dem Taschentuche ringsum über das Gesicht, schlug die Rockschöße übereinander, die auch ohnedies schon sehr gut saßen, begrüßte die Eintretenden mit einem Lächeln und streckte seinem Verkäufer Oblonski die Hand in eigentümlicher Weise hin, als ob er etwas greifen wollte.
»Nun, da sind Sie ja gekommen«, sagte dieser, ihm die Hand gebend. »Das ist schön.«
»Ich wagte nicht, Euer Durchlaucht Befehlen ungehorsam zu sein, obwohl der Weg überaus schlecht ist. Ich bin positiv den ganzen Weg zu Fuß gegangen, aber ich bin zur bestimmten Zeit hier eingetroffen. Ergebenster Diener, Konstantin Dmitrijewitsch«, wandte er sich an Ljewin und bemühte sich, auch dessen Hand zu haschen. Aber Ljewin, der ein sehr finsteres Gesicht machte, tat, als bemerke er seine Hand gar nicht, und nahm die Schnepfen aus der Jagdtasche. »Ah, Sie haben sich am Weidwerk vergnügt? Was ist das wohl für eine Art von Vögeln?« fügte Rjabinin hinzu, indem er die Waldschnepfen geringschätzig ansah. »Sie sind sicherlich sehr wohlschmeckend.« Und er wiegte mißbilligend den Kopf hin und her, als zweifle er stark daran, daß die kleinen Tierchen die darauf verwendeten Mühen und Kosten lohnten.
»Willst du in mein Zimmer gehen?« fragte Ljewin seinen Freund auf französisch mit finster gerunzelter Stirn und fuhr dann nach dessen Zustimmung auf russisch fort: »Geht in mein Zimmer, da könnt ihr ungestört miteinander verhandeln.«
»Sehr wohl, wo Sie wünschen«, sagte Rjabinin in würdevollem, etwas geringschätzigem Tone, wie wenn er zu verstehen geben wollte, daß wohl andere Leute in Verlegenheit sein könnten, wie sie mit einem jeden umzugehen hätten, daß aber für ihn irgendwelche Verlegenheit nie in Frage komme.
Beim Eintreten in Ljewins Arbeitszimmer blickte Rjabinin gewohnheitsmäßig umher, wie wenn er mit den Augen das Heiligenbild suche; als er es aber gefunden hatte, bekreuzte er sich nicht. Er betrachtete die Bücherschränke und Bücherregale, und mit derselben Miene des Zweiflers wie bei den Schnepfen lächelte er wieder geringschätzig und wiegte mißbilligend den Kopf hin und her, denn hier konnte er unter keinen Umständen zugeben, daß diese Dinge das viele Geld wert seien.
»Nun, haben Sie das Geld mitgebracht?« fragte Oblonski. »Nehmen Sie Platz!«
»Mit der Zahlung wird es keine Schwierigkeit haben. Ich bin hergekommen, um Sie zu sehen und mit Ihnen zu verhandeln.«
»Worüber ist denn noch zu verhandeln? Aber so nehmen Sie doch Platz!«
»Ich bin so frei«, sagte Rjabinin und setzte sich dergestalt, daß er sich auf eine für ihn höchst unbequeme Weise mit den Ellbogen gegen die Stuhllehne stemmte. »Sie müssen noch etwas ablassen, Fürst. Sie versündigen sich an mir. Aber das Geld habe ich effektiv bereit, bis auf die letzte Kopeke. Die Zahlung wird pünktlich und ohne Verzug erfolgen.«
Ljewin, der unterdes sein Gewehr in den Schrank gestellt hatte, war schon im Begriffe gewesen, hinauszugehen, blieb aber stehen, als er diese Worte des Händlers hörte.
»Sie bekommen ohnehin schon den Wald so gut wie umsonst«, sagte er. »Er ist leider zu spät zu mir gekommen, sonst hätte ich den Preis gemacht.«
Rjabinin stand auf und blickte schweigend und lächelnd Ljewin von unten bis oben an.
»Konstantin Dmitrijewitsch ist gar zu wirtschaftlich«, sagte er, zu Stepan Arkadjewitsch gewendet, mit demselben Lächeln. »Dem kann man effektiv nichts abkaufen. Ich habe mit ihm um seinen Weizen gehandelt und ihm ein schönes Stück Geld dafür geboten.«
»Warum sollte ich Ihnen denn mein Eigentum umsonst geben? Ich habe es weder auf der Erde gefunden noch gestohlen.«
»Aber ich bitte Sie! Zu stehlen ist heutzutage positiv unmöglich. Heutzutage findet effektiv in allen Sachen öffentliches Gerichtsverfahren statt; in allen Sachen geht es höchst anständig zu; gar keine Möglichkeit zum Stehlen. Wir haben als Ehrenmänner miteinander verhandelt. Seine Durchlaucht veranschlagen den Wald zu hoch; ich komme dabei nicht auf meine Rechnung. Ich bitte, mir wenigstens eine Kleinigkeit abzulassen.«
»Ja, ist denn das Geschäft bereits abgeschlossen oder nicht? Wenn es abgeschlossen ist, so ist nicht weiter zu feilschen; wenn es aber noch nicht abgeschlossen ist«, sagte Ljewin, »dann will ich den Wald kaufen.«
Das Lächeln verschwand sofort von Rjabinins Gesicht, und ein habichtartiger, raubgieriger, grausamer Ausdruck trat an dessen Stelle. Mit seinen knochigen Fingern knöpfte er hurtig den Rock auf, wobei das Hemd, die kupfernen Westenknöpfe und die Uhrkette sichtbar wurden, und holte eilig eine dicke, alte Brieftasche hervor.
»Bitte sehr, der Wald ist mein«, erklärte er in bestimmtem Tone, bekreuzte sich hastig und streckte die Hand mit dem Gelde hin. »Nehmen Sie das Geld; der Wald gehört mir. Sehen Sie, so verfährt Rjabinin beim Handel; dem kommt es auf ein paar Groschen nicht an«, fügte er mit finsterem Gesichte hinzu und fuchtelte dabei mit der Brieftasche in der Luft umher.
»Ich würde an deiner Stelle nicht so eilen«, sagte Ljewin.
»Aber ich bitte dich«, erwiderte Oblonski erstaunt, »ich habe ja mein Wort gegeben.«
Ljewin ging aus dem Zimmer und schlug die Tür heftig hinter sich zu. Rjabinin sah nach der Tür hin und wiegte lächelnd den Kopf hin und her.
»Lauter jugendlicher Übereifer! Er ist effektiv noch ganz wie ein Kind! Ich kaufe ja den Wald, das können Sie mir als ehrlichem Manne glauben, ohne Vorteil, nämlich nur so des guten Rufes wegen, damit es heißt, Rjabinin, und nicht irgendein anderer, hat dem Fürsten Oblonski den Wald abgekauft. Gott gebe, daß ich dabei auf meine Rechnung komme. Glauben Sie mir, bei Gott! Wollen Sie nun die Güte haben, mit mir den Vertrag aufzusetzen?«
Eine Stunde darauf setzte sich der Kaufmann, nach dem er sorgfältig