Ich bin Virginia Woolf. Pola Polanski

Ich bin Virginia Woolf - Pola Polanski


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als Beistand könne ihm nichts passieren.

      „Und? Hat dir die Geschichte gefallen, Inka?“

      „Ja, sehr.“

      Während Maman zufrieden ins Bad verschwand, suchte Inka fieberhaft nach dem Buch, das sie vorhin gelesen hatte. Es war nicht mehr zu finden. Maman musste es irgendwo versteckt haben.

      Die Haustür ging auf, und Rolande kam völlig durchnässt vom Regen herein. Er ließ Jacke und Tasche im Flur fallen, eilte sofort zum Kühlschrank und krallte sich die Doggybags mit Shrimps, die Inka am liebsten mochte. „Deine Klassenlehrerin ist mir heute auf dem Flur begegnet. Sie hat gesagt, du musst die Mathearbeit nächste Woche nachschreiben.“

      Grinsend wischte er sich die nassen Haare aus dem Gesicht und stopfte sich alle Garnelen auf einmal in den Mund.

      6

      Im Urwald

      Inka warf sich in ihrem Bettchen von einer Seite auf die andere und konnte nicht einschlafen. Aus dem Wintergarten dröhnte laute Musik herauf, dazu mischten sich die grellen Schreie von Madame la Souris. Normalerweise war Maman am Vorabend ihrer Sylt-Reise besonders ruhig und ausgeglichen, und Inka hatte erwartet, zum Abschied noch eine ihrer schaurigen Gute-Nacht-Geschichten mit Happy End zu hören. Doch heute Abend war alles anders. Maman war nicht nach oben gekommen. Sie schien sich auch nicht im Mindesten um den Lärm zu kümmern, den sie machte. Die Boxen waren voll aufgedreht, und Maman sang laut zu Me and Ms. Jones von Billy Paul mit. Inka war beunruhigt, traute sich jedoch nicht aufzustehen und nach ihr zu sehen. Also blieb sie liegen. Gegen Mitternacht hörten die Geräusche auf, und Inka fiel in einen unruhigen Schlaf.

      Am nächsten Morgen war Maman wieder ganz die Alte. Sie packte, die Melodie von Me and Ms. Jones pfeifend, ihre Koffer und setzte sich dann gut gelaunt an den Frühstückstisch. Inka bemerkte, dass Mamans Stimme heiser war. Deswegen fahre sie ja immer nach Sylt, entgegnete Maman. Wegen ihres Asthmas. An der Nordsee herrsche ein wohltuendes Reizklima für ihre kranken Bronchien. Während Maman dies sagte, schnitt Rolande Grimassen, als ob er ihr kein Wort glaube. Papá wies ihn zurecht und bat ihn, damit aufhören. Er duldete niemals ein schlechtes Benehmen gegen Maman und nahm sie bei jeder Gelegenheit in Schutz. Maman selbst kümmerte es wenig, ob Rolande sie ernst nahm oder nicht. Sie war in Erzähllaune, und so kam Inka doch noch zu ihrer Abschiedsgeschichte.

      In Nordindien gab es um das 19. Jahrhundert herum eine Tigerin mit Namen Champawat. Sie hatte nicht weniger als vierhundertsechsunddreißig Menschen getötet und es damit ins Guiness-Buch der Rekord geschafft. Im Jahr 1907 wurde sie von Jim Corbett erschossen. Vor fünf Jahren waren Papá und ich in Nordindien unterwegs, und zwar in Rajasthan, das ist an der Grenze zu Pakistan. Wir reisten mit einem kleinen Zweimann-Zelt, was nicht gerade komfortabel war. Als wir unser Lager eines Tages in Jodhpur aufschlugen, erzählten uns andere Touristen, dass sich ein menschenfressender Tiger in der Gegend aufhielt. Er hätte bereits zehn Menschen getötet. Papá glaubte die Geschichte nicht und ging wie jeden Abend ruhig schlafen. Ich dagegen erinnerte mich an Champawat und hob vor unserem Zelt eine fünf Meter tiefe Grube aus. Auf ihren Boden legte ich eine Brocken blutiges Fleisch und deckte die Grube mit Ästen zu. Dann ging ich zu Papá ins Zelt und wartete. Gegen Morgen wurde ich belohnt. Zuerst hörte ich ein lautes Fauchen, dann ein tierisches Gebrüll. Papá richtete sich erschrocken im Bett auf: „Der Menschenfresser!“ Ich sagte nur: „Du wolltest es ja nicht glauben.“ Ich öffnete das Zelt und trat in den grauen Morgen hinaus. Die Äste über der Grube waren durchbrochen. Ich schaute in das Loch. Da hatte ich doch tatsächlich den Tiger gefangen! Wütend fauchte er mich aus seiner Falle an, aber er hatte keine Chance, herauszukommen. So hoch kann kein Tiger springen. Nach Tagesanbruch kam die indische Polizei. Der Menschenfresser wurde erschossen, ich aber wurde am Abend bei einem riesigen Fest, das die Inder mir zu Ehren gaben, als Heldin von Jodhpur gefeiert.

      Maman reiste ab, und Großmutter kam, um zu kochen. Wenn sie da war, gab es geregelte Mahlzeiten: Frühstück, Mittagessen und Abendbrot. Als Maman drei Wochen später von ihrem Aufenthalt auf Sylt zurückkam, war ihre Stimme noch heiserer als bei ihre Abreise. Sie wirkte erschöpft und erschien noch versunkener in sich selbst als sonst.

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