Wenn das Leben foul spielt. Thorsten Legat
THORSTEN
LEGAT
in Zusammenarbeit mitHubert Meyer
Wenn das Leben foul spielt
VERLAG DIE WERKSTATT
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Lotzestraße 22a, D-37083 Göttingen
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Satz und Gestaltung: Verlag Die Werkstatt
ISBN 978-3-7307-0144-7
InhaltEine menschliche KanonenkugelMein Vater war ein SchweinFlucht aus der FamilieKampf in GummistiefelnMein Ersatzvater hieß GerlandWie ich ein »harter Hund« wurdeDer Profi als PopstarBochum, ich komm’ aus dir …Kabinengeflüster (1)Die Lüge des Bochumer KindesEin Eskimo namens RehhagelEuropacupsieg – und Beate ist sauerKabinengeflüster (2)Keine zwanglose HochzeitDeutscher Meister mit BremenBasler und die Spione des AltenEin Wunder und viel Frust in der Champions LeagueKönig Otto hinterfotzigDFB-Pokalsieg mit dem SV WerderFrankfurt, das große MissverständnisKabinengeflüster (3)Spätzle ist kein GeflügelKabinengeflüster (4)Wie ich meinen Engel fandDinge, auf die ich nicht stolz binUnd plötzlich auf SchalkeKabinengeflüster (5)Verletzungen verletzen die SeeleEin Krüppel voller SelbstmitleidDrogen und FitnessAus dem Spieler wird ein TrainerMeine Trainer – von Gerland bis StevensIch bin ein totaler AutofreakLegat gegen den Rest der Welt?Thorsten Legat: Persönliche Daten
Eine menschliche Kanonenkugel
Kann ein Mensch fliegen? Nun, es kommt darauf an, was man darunter versteht. Nehmen wir einmal Sven Hannawald zu seinen besten Zeiten. Er war ein Skiflieger, weil seine Sprünge manchmal über 150 Meter gingen. Dabei hob er ab von der Sprungschanze, für die auch der norwegische Begriff »Bakken« benutzt wird.
Mehr als 150 Meter waren es nicht, die ich an diesem grauen Nachmittag geschafft hatte. »Etwa 100 Meter«, schätzte ein Zeuge später. Und vom Bakken abgehoben bin ich auch nicht. Ich saß vielmehr auf meinen Backen, als der katapultartige Vortrieb begann.
Skiflieger bringen es auf eine Anlaufgeschwindigkeit von etwas mehr als 100 km/h. Das Letzte, woran ich mich erinnern konnte, war, dass die Tachonadel bei 205 km/h stand. Dann überfiel mich der Sekundenschlaf.
Sekundenschlaf? Aus einer tiefen Bewusstlosigkeit wachte ich erst Stunden später auf der Intensivstation auf.
Die Polizei rekonstruierte den Unfall später so: Der Fahrer des VW Sharan stieß mit dem Wagen etwas seitlich versetzt gegen den Auflieger eines fahrenden Sattelzugs. Durch die Wucht des Aufpralls wurde der Mann durch die Windschutzscheibe etwa hundert Meter weit über die Autobahn A2 geschleudert. Der Unfall geschah um 17:25 Uhr am 10. September 2002.
Als ich die Scheibe durchschlug, schlitzte mir das zerbrochene Glas den Hals auf Höhe des Kinns so stark auf, dass ich rund drei Liter Blut verlor. Dazu brach ich mir den siebten Halswirbel. Aber auch wenn sich das jetzt vielleicht merkwürdig anhört: Ich hatte Glück.
Was vom Auto übrig blieb. Kaum zu glauben, dass ich den Crash überleben konnte.
Zunächst wirkte sich positiv aus, dass ich den Auflieger seitlich versetzt getroffen hatte und nicht voll aufgefahren war. Sonst wäre ich sofort mausetot gewesen. Außerdem bestätigten mir die Ärzte, dass mich mein enormer Muskelaufbau, den ich im Anschluss an meine Profikarriere betrieben hatte, vor einer Querschnittslähmung bewahrte. Am Tag des Unfalls wog ich 108 Kilo – das waren etwa 20 Kilo Muskelmasse mehr als noch zu meiner aktiven Zeit als Fußballer.
Bleibt vielleicht die Frage, wie weit ein Hannawald mit diesem Gewicht gekommen wäre.
Aus der Bewusstlosigkeit aufzuwachen, ist schon ziemlich abgefahren. Ich wusste nichts mehr von meinem unfreiwilligen Job als lebende Kanonenkugel. Man wird langsam wach, undeutliche Konturen nehmen Gestalt an, und man kämpft mit Erinnerungslücken. Weil ich unsicher war, hielt ich mich an das, was ich noch wusste. Zuletzt hatte ich im Wagen gesessen. Dort war ich jetzt nicht mehr. Das war klar. Und vor mir stand eine Krankenschwester.
»Hey, Schwester, wo ist mein Auto? Ich muss doch nach Bremen.«
Drei lange Wochen lag ich im Evangelischen Krankenhaus in der Nähe von Hamm. Zeit genug, um mir Gedanken zu machen, wie es für mich weitergehen sollte. Oft starrte ich an die Decke und grübelte.
Nach Bremen, wo ich die größten Erfolge meiner