Die Roggenmuhme. Nataly von Eschstruth

Die Roggenmuhme - Nataly von Eschstruth


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      Nataly von Eschstruth

      Die Roggenmuhme

      Humoristischer Roman

      11. und 12. Tausend

      Saga

      Die Roggenmuhme

      German

      © 1910 Nataly von Eschstruth

      Alle Rechte der Ebookausgabe: © 2016 SAGA Egmont, an imprint of Lindhardt og Ringhof A/S Copenhagen

      All rights reserved

      ISBN: 9788711472873

      1. Ebook-Auflage, 2016

      Format: EPUB 3.0

      Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach Absprache mit Lindhardt und Ringhof und Autors nicht gestattet.

      SAGA Egmont www.saga-books.com – a part of Egmont, www.egmont.com

      I.

      Die Fenster in dem kleinen Dorfwirtshaus standen weit offen, und dennoch brütete eine so unerträgliche Hitze in dem niedrigen, kleinen Raum, dass der behäbige Wirt sein abgeschabtes Lederkäppchen längst von dem grauen Haar gezogen und an den Nagel neben die Tür gehängt hattte! —

      Alle guten Geister, war das eine Hitze!

      Fliegen, zahllos wie die Sterne am Himmel, schwirrten um die Öllampen, welche, seit langem nicht geputzt, von den niederen Deckenbalken herabbaumelten, — surrten über den blank gescheuerten Tischen, an deren einem die schwarze Lene, der Wirtin Töchterlein, rank, schlank und lang wie der Tag vor Johanni, eine Schüssel voll Kirschen entkernte.

      Obwohl Lene weder die Schönste, noch Reichste im Dorfe genannt werden konnte, war sie doch in diesem Augenblick fraglos mehr umschwärmt als das dollarschwerste Milliardärstöchterlein, aber anstatt sich dieser Tatsache zu freuen und es ihren Verehrern hoch anzurechnen, dass sie mehr ein bescheidenes Verlangen nach Kirsch- wie nach Edelsteinen trugen, schlug sie unwirsch mit dem Küchenmesser in den dicksten Haufen hinein und räsonierte: „Elende Viehcher; fallt man immer ’rinn in’n Pott und kocht mit; rausfischen tu ich euch schon lang nicht wieder!“ — und dann strich sie mit der safttriefenden Hand über das erhitzte Gesicht und stöhnte: „Wenn doch man endlich ein Gewitter käm’, Vater!“

      Matthies Pries machte eine melancholische Handbewegung: „Dass mir der Roggen zusammengeschlagen wird und ein Hochwasser gar Haus und Hof wegputzt? — Gott bewahre uns. Die Sonne geht klar und rot unter, da behalten wir noch die Hitze. Setz dich unter die Holunder draussen, dann hast du’s bald kühler!“

      „Da ist kein Platz für mich!“ grollte Lene. „Hast ja schon den Tisch für die Herrnleut hingestellt!“

      „Bis die kommen, hat’s noch eine Weile Zeit!“

      „Oder grad nicht! Ich hör schon des Försters Waldmann! Die bissige Kröte spricht mal wieder unsern Phylax an!“

      Der Wirt war hastig über die Schwelle getreten und schaute voll erwachenden Interesses die stille Dorfstrasse hinab.

      Richtig, da blitzt schon der Gewehrlauf des Herrn Oberförsters über dem Lattenzaun der Wegbiegung auf, noch ein paar Schritte und die hohe, stramme Gestalt im sommerlichen grünen Leinenkittel und dem Strohhut mit den Fuchszahntroddeln schreitet dem behaglich kühlen Plätzchen unter den Holunder-, Flieder- und Jasminbüschen des Wirtsgartens entgegen. Aber er kommt heute nicht allein.

      An seiner Seite taucht eine zweite Gestalt auf, schlank, elegant, im hellen, städtischen Zivil. — Die blauen Augen blicken ernst, beinahe etwas melancholisch, der Blick schweift umher, wie bei dem vielbesungenen Wanderer, welcher vom Gebirge herkommt und vergeblich nach dem Glück sucht.

      Der Oberförster hat Matthis Pries erblickt und nickt ihm jovial zu: „Heute bin ich um eine ‚Piep Tobak‘ früher zur Stelle, Alterchen, und zweierlei bring ich noch mit, einen heidenmässigen Durst und hier unseren jungen Gutsherrn, dem es zu einsam in dem grossen Haus ist, seit die gnädige Frau Mutter ins Bad gereist ist.“

      Der Wirt hat einen devoten Kratzfuss gemacht und dankt hocherfreut für die hohe Ehre des Besuchs, Laurit Stormy aber reicht ihm sehr freundlich die Hand und sagt, während sein Blick das niedere, weissgetünchte Häuschen unter dem tiefhängenden Strohdach mustert: „Es soll sich abends sehr gemütlich hier im Garten sitzen, Pries. Der Herr Oberförster erzählte mir, dass sich noch mehr Herren einstellen?“

      Vater Matthis sah noch geschmeichelter aus. „Und ob, gnädiger Herr! — Da kommt immer noch der Schullehrer, ein sehr gescheiter Mann, der anno siebzig dabei war und auch sonst viel seltsames Zeug aus seinen Büchern zu erzählen weiss, und der alte Stur Böderson, der ehemals als Kapitän mit der „Anka Marianne“ in allen Wassern gefahren hat und bei einem vollen Glas gern sein Garn spinnt! Na, und dann der Herr Oberförster, die Herren Forsteleven und der junge Volontär vom Gutshof —“

      „Schon gut, schon gut!“ — Herr Stormy lüftete den Hut und trat tief aufatmend in den Schatten des Gartens, dessen grüngestrichenes Tor der Wirt im Vorausschreiten geöffnet hatte: „Das ist ja eine sehr angenehme Gesellschaft, und eine frischere Abendbrise weht soeben auch von der See herauf, — da wird es sich gewiss recht gut sitzen, bis der Vollmond zum Heimweg leuchtet!“ —

      Der Oberförster hing sein Gewehr an einen grossen verrosteten Nagel der Laube, an dem sich bei vorgerückter Abendzeit noch eine Laterne zu schaukeln pflegte, kommandierte seine beiden Dachshunde unter den Tisch und schob dem jungen Gutsbesitzer einen Stuhl hin.

      „Nehmen Sie Platz, Herr Leutnant! — Es ist alles sehr primitiv hier bis auf die Getränke, die sind kühl, frisch und gut; das haben wir dem alten Sünder hier mit der Zeit angewöhnt!“ Der Wirt lachte, und Laurit Stormy setzte sich nieder. „Leutnant!“ wiederholte er mit einem etwas wehmütigen Lächeln. „Sie erinnern mich durch diesen Titel an eine schönere Zeit, mein lieber Oberförster! In der Regel nennt man uns Reserveoffiziere sehr selten so, und doch ist man mit dem einen Jahr in Königs Rock oft inniger verwachsen, als wie mit der langen Zeit der Lehr- und Wanderjahre eines Landwirts!“

      „Sie wären lieber in dem bunten Tuch stecken geblieben, gnädiger Herr!“

      „Fraglos!“

      „Und warum taten Sie es nicht?“ Der Oberförster entwickelte einen riesigen Tabaksbeutel aus der Jagdtasche und begann die Pfeife zu stopfen. Laurit Stormy zuckte resigniert die Achseln. „Ich ward zum Landwirt bestimmt, noch ehe mein Onkel Baron v. Helmsdorf hier starb und mich als seinen Paten und Sohn der einzigen Schwester zum Universalerben machte!“

      „Soweit ein ganz nettes Pöstchen!“ nickte der greise Nimrod und pinkte eifrig an seinem Feuerstein, den er aus Pietät immer noch mal den Schwefelhölzchen vorzog, wenn er Zeit dazu hatte. „Aber hätte sich das denn nicht mit der Offizierskarriere vereinen lassen?“

      „Ganz gewiss! genau so gut wie bei vielen anderen! Aber der gute Onkel war ein Sonderling und setzte seinen besonderen Stolz darein, dass ich das Gut selber praktisch bewirtschaften solle, damit es auf der Höhe und der Familie erhalten bleibe! Er hielt nicht viel von Inspektorenregimes, wenn die Herren weit vom Schuss sind!“

      „Sehr richtig! — kann man ihm nachfühlen!“ nickte der Oberförster, und da sich der Wirt, der respektvoll wartend noch zur Seite stand, leise mahnend räusperte, legte er die Pfeife momentan aus der Hand und klopfte den verstreuten Tabak vom Knie.

      „Ja so! Vater Pries hat Angst, dass wir verdursten! Ist auch höchste Zeit! Was befehlen Sie denn, Herr Leutnant? Gleich das kalte Bier hinter die Krawatte giessen, wo wir eben ein ganzes Stück Wegs in der Hitze marschiert sind? Das taugt nichts. Ich habe alle Finessen dieses weltfremden Lunaparks schon ausprobiert und bitte, versuchshalber in meine Fusstapfen zu treten! Zuerst mal einen ‚kleinen Mampe halb und halb mit Karlchen‘ — und dann den edlen Gerstensaft frisch vom Füsschen!“

      Laurit Störmy lächelte. „Lunapark!! Gott erbarme sich! Man sieht, dass


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