Transfer im schulischen Drittspracherwerb des Spanischen. Lukas Eibensteiner
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Lukas Eibensteiner
Transfer im schulischen Drittspracherwerb des Spanischen
Wie L2-Kenntnisse des Englischen, Französischen und Lateinischen den L3-Erwerb von perfektivem und imperfektivem Aspekt im Spanischen beeinflussen
Narr Francke Attempto Verlag Tübingen
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Anhang mit ausgewählten Untersuchungsmaterialien (online auf
ISSN 2197-6384
© 2021 • Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG
Dischingerweg 5 • D-72070 Tübingen
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ISBN 978-3-8233-8435-9 (Print)
ISBN 978-3-8233-0250-6 (ePub)
Danksagung und Widmung
Die vorliegende Monographie wurde von der Philosophischen Fakultät der Universität Mannheim als Dissertation angenommen. Sie wäre ohne die Unterstützung zahlreicher Menschen nicht möglich gewesen.
An erster Stelle möchte ich meinen beiden Betreuern danken, die mich in den letzten Jahren begleitet haben und mir immer mit gutem Rat zur Seite gestanden sind. Lieber Peter, dank dir konnte ich in einem vertrauten Umfeld meine ersten wissenschaftlichen Schritte tätigen. Dir verdanke ich auch die Stoßrichtung gen Mehrsprachigkeitsdidaktik und Drittspracherwerb sowie meine Liebe zu den kleineren romanischen Sprachen. Dafür möchte ich dir vielmals danken! Lieber Hannes, du hast mich in meiner Zeit in Mannheim wissenschaftlich großgezogen. Du hast mich bei meinen ersten Tagungen begleitet, meine ersten PowerPoint-Folien und Artikel Korrektur gelesen sowie meine ersten methodischen Entwürfe kritisch begutachtet und mit mir diskutiert. Du hast all meine Projekte ständig wertgeschätzt und bestmöglich gefördert. Dir verdanke ich meine psycholinguistische und empirische Ausrichtung sowie die Möglichkeit, mich wissenschaftlich voll entfalten zu können. Du hast mich in allen Belangen unterstützt und bist immer für mich da gewesen. Dafür bin ich dir zu unendlichem Dank verpflichtet!
Darüber hinaus möchte ich allen Kolleg*innen danken, die mit mir Fragen diskutiert haben, die mich im Rahmen dieser Arbeit beschäftigt haben. Auch dem Research und Study Centre und dem Romanischen Seminar der Universität Mannheim sowie den dort tätigen wissenschaftlichen Hilfskräften danke ich für ihre Unterstützung. Des Weiteren sei allen Lehrer*innen und Schüler*innen, ohne die die vorliegende Arbeit nicht hätte durchgeführt werden können, mein Dank ausgesprochen. ¡Muchas gracias!
Schließlich möchte ich mich noch bei meiner Familie bedanken, die mir in all den Jahren eine unglaubliche Stütze war. Ihr habt mich in all meinen Entscheidungen unterstützt und seid mir in allen Lebenslagen zur Seite gestanden. Das Vertrauen, das ich euch entgegenbringe, und der Rückhalt, den ich bei euch habe, sind unbezahlbar. Ich danke euch für die unendliche Liebe, die ihr mir Tag für Tag entgegenbringt. Euch soll diese Arbeit gewidmet sein.
1 Einleitung
In Deutschland haben im Schuljahr 2018/19 fast 500.000 Schülerinnen und Schüler1 allein an allgemeinbildenden Schulen fremdsprachlichen Unterricht im Fach Spanisch erhalten (vgl. Statistisches Bundesamt 2019). Spanisch ist damit nach Englisch, Französisch und Latein diejenige Fremdsprache, die in dieser Schulform am meisten unterrichtet wird – Tendenz steigend. An deutschen Schulen wird Spanisch in der Regel als Dritt- oder Viertsprache angeboten (vgl. Bär 2012: 37). Dies bedeutet, dass Spanischlernende nicht bei null anfangen, sondern auf zahlreiche sprachliche Wissensressourcen zurückgreifen können. „Es wäre [daher] in höchstem Maße unvernünftig und unökonomisch, diese Wissensressourcen nicht im Fremdsprachenunterricht zu verwerten – ignorieren läßt sich vorhandenes Sprachwissen ohnehin nicht“ (Müller-Lancé 2006b: 462). Die Didaktiken der romanischen Sprachen plädieren deshalb nicht umsonst für eine Implementierung sprachvernetzender Ansätze in den Fremdsprachenunterricht (vgl. Fernández Ammann et al. 2015; Leitzke-Ungerer et al. 2012; Meißner/Reinfried 1998a; Klein/Stegmann 1999; Reimann 2016; Rückl 2016). Mehrsprachigkeitsdidaktische Lehrwerke (vgl. Holzinger et al. 2012) und die Integration solcher Ansätze in die meisten Lehrpläne (vgl. Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur Rheinland-Pfalz 2012) sind diesbezüglich wichtige Meilensteine, auch wenn weitere Maßnahmen ergriffen werden müssen.
Ein wesentliches Merkmal dieser sprachvernetzenden Ansätze stellt das Ziel dar, das Transferpotential der Lernenden optimal zu nutzen. Obwohl es Studien im Bereich der romanistischen Fremdsprachendidaktik gibt, die sich unter anderem mit Transfer befassen (vgl. beispielsweise Bär 2009), findet sich kaum Grundlagenforschung, die Transferphänomene zwischen den im deutschsprachigen Raum häufigsten Schulfremdsprachen aus einer (psycho-)linguistischen Perspektive untersucht. Diesem Forschungsdesiderat wird sich das vorliegende Werk widmen.
Die Unterscheidung der beiden spanischen Vergangenheitstempora perfecto simple und imperfecto stellt ein großes Problem für deutschsprachige Lernende des Spanischen dar. Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass es die Opposition von perfektivem und imperfektivem Aspekt im Deutschen nicht gibt. Obwohl zahlreiche Untersuchungen vorhanden sind, die sich mit dem Zweitspracherwerb dieser beiden Tempora beschäftigt haben (vgl. Comajoan 2014; Salaberry 2008), finden sich kaum Studien, die explizit deutschsprachige Lernende oder den schulischen Kontext erforschen (vgl. Hinger 2016, 2017 und Diaubalick/Guijarro-Fuentes 2016, 2017, 2019 für zwei Ausnahmen). Darüber hinaus gibt es keine Studien, welche das Spanische als Drittsprache fokussieren und den Einfluss von sprachlichem Vorwissen auf den Erwerb des perfecto simple und des imperfecto analysieren. Gerade dieses sprachliche Vorwissen stellt aber eine große Hilfe beim Erwerb des Spanischen dar. Während es im Deutschen die Unterscheidung zwischen perfektiv und imperfektiv nicht gibt, können die Lernenden prinzipiell sowohl auf das Englische (progressive-Form) als auch auf das Französische (passé composé, passé simple, imparfait) oder das Lateinische (Perfekt, Imperfekt) zurückgreifen. Inwiefern germanophone Spanischlerner von diesem Vorwissen beeinflusst werden bzw. es für den Erwerb der Unterscheidung von perfecto simple und imperfecto nutzen können, stellt die Leitfrage der vorliegenden Arbeit dar.
Zur Beantwortung dieser übergeordneten Forschungsfrage werden quantitative und qualitative Methoden trianguliert. Das Untersuchungssetting beinhaltet einen C-Test, mündliche Sprachproduktionsdaten, semantische Interpretationsaufgaben in drei Sprachen, einen Fragebogen sowie eine stimulated-recall-Reflexionsaufgabe. Die Studie wurde mit 109 germanophonen, schulischen Lernenden des Spanischen als Drittsprache (L3) durchgeführt. Die Ergebnisse der Untersuchung deuten darauf hin, dass der sogenannte L2-Status sowie sprachstrukturelle und typologische Faktoren für die Wahl der Transferbasis entscheidend sind. Da zwischen dem Deutschen und dem Spanischen hinsichtlich der Unterscheidung von perfektiv/imperfektiv keine sprachstrukturellen Ähnlichkeiten bestehen, transferieren die Lernenden ihr aspektuelles Wissen aus einer Zweitsprache (L2), das heißt aus dem Englischen oder dem Französischen. Dieses Resultat, dass im L3-Erwerb primär das L2-System transferiert wird bzw. dass typologische Faktoren eine wichtige Rolle spielen, steht im Einklang mit zahlreichen Studien und Modellen, wie beispielsweise dem Rollen-Funktions-Modell (vgl. Williams/Hammarberg 1998), dem L2-Status-Faktor-Modell (vgl. Bardel/Falk 2007) oder dem Typological Primacy Model (vgl. Rothman 2010a). Diese gängigen Transfermodelle werden mit der Default Past Tense Hypothesis von Salaberry (2000, 2008), die den L2-Erwerb von perfektiv/imperfektiv im Spanischen beschreibt, verknüpft. Die Verzahnung von Salaberrys Hypothese mit den Transfermodellen ermöglicht eine Ausweitung derselben, wodurch sie den Bedürfnissen des L3-Erwerbs gerecht