Es tut sich was im Landschulheim. Marie Louise Fischer
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Marie Louise Fischer
Es tut sich was im Landschulheim
SAGA Egmont
Es tut sich was im Landschulheim
Genehmigte eBook Ausgabe für Lindhardt og Ringhof A/S
Copyright © 2017 by Erbengemeinschaft Fischer-Kernmayr, (www.marielouisefischer.de) represented by AVA international GmbH, Germany (www.ava-international.de)
Originally published 1978 by F. Schneider, Germany
All rights reserved
ISBN: 9788711719725
1. Ebook-Auflage, 2017
Format: EPUB 3.0
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Willkommen auf Burg Rabenstein
Die großen Ferien waren vorüber, und Herr und Frau Heuer brachten ihre Tochter Leona gemeinsam ins Landschulheim zurück. Noch war Sommer, und die Sonne strahlte von einem fast südlichen blauen Himmel. Herr Heuer hatte das Dach seines Kabrioletts zurückgeschlagen. Während sie über die Autobahn fuhren, waren die Fahrgeräusche so stark, daß sie schreien mußten, um sich zu verständigen.
Leona war es nur recht so, denn sie hatte keine große Lust zu reden. Zu viele Gedanken schossen ihr gleichzeitig durch den Kopf. Die Ferien waren wunderschön gewesen. Beide, der Vater und die Mutter, hatten sich bemüht, ihr die Zeit zu Hause so angenehm wie möglich zu machen. Allerdings war Frau Heuer wieder in ihren Beruf zurückgekehrt, so daß sie tagsüber allein gewesen war. Aber dafür wurden die Abende und die Wochenenden um so schöner. Bei gutem Wetter war sie in den verschiedenen Bädern Münchens gewesen und hatte Tennis gespielt, um ihre neu erworbenen Kenntnisse nicht einrosten zu lassen. Gelangweilt hatte sie sich nie. Drei Wochen war sie zusammen mit ihren Eltern verreist. Leona kam sich undankbar vor, weil sie trotzdem nicht ganz glücklich gewesen war. Es hatte eine Zeit gegeben, und die lag gar nicht so lange zurück, in der ihre Eltern schlecht miteinander auskamen. Damals hatte Leona sich in ihrem Element gefühlt. Die Mutter hatte bei ihr Trost und Rat, der Vater Verständnis gesucht. Aber nun, wo sie sich wieder so gut verstanden, kam sie sich wie ein störender Dritter vor.
Auch jetzt, als sie hinter ihnen im Auto saß, fühlte sie sich wie ein etwas überflüssiges Anhängsel. Vater und Mutter riefen sich immer wieder ein fröhliches Wort zu und lachten sich an. Natürlich wendete sich die Mutter auch manchmal ihr zu, und Leona erwiderte ihr Lachen mit einem etwas gezwungenen Lächeln. Sie zweifelte nicht daran, daß ihre Eltern sie lieb hatten. Aber sie war überzeugt, daß sie ohne sie genauso vergnügt gewesen wären.
Jetzt fragte sie sich, ob andere Mädchen das genauso empfanden. Wahrscheinlich nicht, gab sie sich selber zur Antwort, wahrscheinlich lag es daran, daß ihre Eltern noch so jung waren. Sie hatten als halbe Kinder geheiratet, wie der Vater oft zu sagen pflegte. Jedenfalls würden sie sie bestimmt nicht vermissen, wenn sie wieder im Landschulheim war. Tränen des Selbstmitleids stiegen ihr in die Augen, aber sie schluckte sie tapfer hinunter.
Bei Siegsdorf bogen sie von der Autobahn ab, die Straße schlängelte sich bergauf, und sie durchquerten Wangen, ein malerisches Dörfchen, das Leona wohlbekannt war; hierher pflegten die Rabensteiner zum Einkaufen und „Conditorn“ zu gehen.
Schon tauchte vor ihren Augen hoch über dem Dorf Burg Rabenstein auf, ein mächtiges mit Türmen und Zinnen geschmücktes Gebäude, an dem zu Ehren des Schulbeginns die schwarz-rot-goldene Fahne der Bundesrepublik und die weiß-blaue des Freistaates Bayern lustig im Ostwind flatterten.
In diesem Augenblick geschah etwas, was Leona selber nicht für möglich gehalten hatte; ihr Herz begann aus Freude vor dem Wiedersehen schneller zu schlagen. „Drück auf die Tube, Vati!“ rief sie.
„Ich tu mein Bestes!“ gab er zur Antwort und schaltete in den zweiten Gang zurück. Die Straße war jetzt sehr steil geworden.
„Hast du’s auf einmal so eilig?“ fragte die Mutter.
Leona wollte sie nicht kränken. „Ich möchte bloß rechtzeitig zum Abendbrot kommen“, behauptete sie.
Der Vater warf einen Blick auf die Uhr im Armaturenbrett. „Das schaffst du leicht.“
„Ja, aber vorher muß ich noch auspacken und so!“
„Jedenfalls sind dein Vater und ich sehr froh, daß du dich so gut im Landschulheim eingelebt hast“, sagte Frau Heuer und blickte Leona über die Schulter an.
„War gar nicht so schwer.“
„Sag das nicht. Du warst sehr tapfer, Leona. Besonders, wo du anfangs doch so dagegen warst.“
„Erinnere mich nicht daran!“ wehrte Leona ab; sie hatte ihren Eltern zwar verziehen, daß sie sie gegen ihren Willen ins Landschulheim gesteckt hatten, aber sie dachte nicht gern daran.
Frau Heuer sah, wie sich das Gesicht ihrer Tochter verdüsterte. „Wir haben auch eine Überraschung für dich“, sagte sie schnell, „eigentlich wollten wir es dir erst beim Abschied mitteilen, aber … nicht wahr, Peter … wir können es ihr auch schon jetzt sagen!“
„Einverstanden.“
„Was ist es?“ fragte Leona gespannt.
„Du weißt, daß wir anfangs Anweisung gegeben hatten, daß du in ein Dreierzimmer kommst. Wir hatten es nur gut gemeint, das mußt du uns glauben, du warst ein solcher Einzelgänger und …“
Leona unterbrach sie. „Hör auf mit der alten Leier, bitte, die kann ich inzwischen schon singen!“
„Entschuldige, ich wollte nur erklären … na, jedenfalls darfst du im neuen Schuljahr in ein Zweierzimmer übersiedeln.“
Sie hatte erwartet, Leona würde sich erleichtert bedanken, aber Leona schwieg.
Hastig und ein wenig unsicher fügte Frau Heuer hinzu: „Natürlich nur, wenn du magst!“
„Vielleicht weißt du nicht, mit wem du zusammenziehen sollst?“ fragte der Vater.
Damit hatte er den springenden Punkt getroffen. Leona hatte blitzschnell überlegt, wer für sie als Zimmerkameradin in Frage käme: weder Alma und Sabine, mit denen sie bisher das Zimmer geteilt hatte, denn die beiden waren Freundinnen und würden sich nicht trennen wollen. Genauso stand es mit Claudia und Marga. So blieb also nur noch Ilse Moll, aber die war eine solche Schlampe, daß das Zusammenleben mit ihr bestimmt eher eine Strapaze als ein Vergnügen sein würde. Die anderen Mädchen waren entweder älter als vierzehn Jahre oder jünger.
Dennoch antwortete Leona rasch: „Ach, das wird sich schon ergeben. Jedenfalls danke ich euch herzlich für euer Angebot.“
„Du mußt nicht, wenn du nicht willst“, wiederholte Frau Heuer.
„Wie werd ich denn nicht wollen! Wenn ihr eine Ahnung hättet, wie schwierig es ist, zu dreien in einem nicht eben großen Zimmer zu hausen.“
„Dir hat es jedenfalls nicht geschadet“, stellte der Vater fest.
„Danke für die Blumen. Ich bin eben ein verträglicher Mensch.“
Der Vater wollte etwas sagen, hatte schon den Mund geöffnet, schloß ihn dann aber wieder. Gerade noch rechtzeitig war ihm klargeworden, daß es nicht richtig gewesen wäre, Leona ausgerechnet jetzt, kurz vor dem Abschied, noch zu ärgern.
Währenddessen überlegte Leona, ob sie nicht doch lieber im Zimmer mit Alma und Sabine bleiben sollte. Erst jetzt wurde ihr klar, wie wohl sie sich dort gefühlt hatte. Die beiden