Das Glück. Artur Brausewetter

Das Glück - Artur Brausewetter


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      Artur Brausewetter

      Das Glück

      und andere Novellen

      Saga

      Ebook-Kolophon

      Artur Brausewetter: Das Glück. © Artur Brausewetter. Alle Rechte der Ebookausgabe: © 2015 SAGA Egmont, an imprint of Lindhardt og Ringhof A/S Copenhagen 2015. All rights reserved.

      ISBN: 9788711487648

      1. Ebook-Auflage, 2016

      Format: EPUB 3.0

      Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach Absprache mit Lindhardt und Ringhof und Autors nicht gestattet.

      SAGA Egmont www.saga-books.com - a part of Egmont, www.egmont.com.

I. Die Adebare.

      1.

      Der Pfarrer öffnete das Fenster seiner Arbeitsstube. Der weiche Atem der Juninacht umspielte seine Stirn — leise knisterte es in den Blättern des dunklen Ahornbaumes, klang es aus dem Rieseln des Taues, der langsam von Blatt zu Blatt fiel — jenes melodische, geheimnisvolle Klingen, welches wie eine Botschaft aus anderer Welt in stillen Sommernächten durch die schlummernde Erde bebt. — Über ihr brütete dumpfe Schwüle, aber die feiernde Stille, die sich in ihr um so ernster und andächtiger wiedergab, tat dem Manne am Fenster wohl.

      Er atmete tief auf, als wolle er neues Leben, neue Andacht aus der schweigenden Einsamkeit trinken; er fühlte seinen Kopf freier, seine Seele ruhiger.

      Er war an seinen Schreibtisch getreten, die wiederkehrenden Gedanken auf das Papier zu bannen, die unterbrochene Arbeit mit frischen Kräften aufzunehmen.

      Da durchschnitten schrille Töne die andächtige Stille — ein schmetterndes, klapperndes Durcheinander verstimmter Blasinstrumente tobte durch die Nacht — gedämpft zwar, aber laut und aufdringlich genug, die Weihe des Friedens jäh zu durchbrechen.

      Dem Pfarrer stieg eine dunkelrote Zorneswelle in das bleiche Angesicht — er schloss das Fenster, aber er kehrte nicht zu seiner Arbeit zurück — in ruheloser Erregung schritt er durch das kleine Zimmer.

      „Noch immer finden sie kein Ende — und so geht es fort, bis die Sonne deinem Tage scheint — mit diesem rohen Lärme begrüssen sie deinen Sonntag! — Ich aber — — ich soll Geduld lernen, — und es wird mir so schwer, sie zu üben. Ich soll für sie beten, — und mein empörtes Herz kann dem Wunsche nicht wehren, dass aus jener Wolkenwand da drüben ein Blitz zuckte und sie strafte — sie alle, die nicht hören, sich nicht bekehren wollen zu dem Ernste deines Wortes.“

      Er hatte es nicht mehr vor sich hin geflüstert — laut hatte er es in der aufwallenden Leidenschaft seines noch jungen, wenig geprüften Herzens in die Nacht gerufen — aber das letzte Wort erstarb ihm auf der Zunge — — lähmendes Entsetzen legte sich auf seine Glieder.

      War er die Antwort auf seine Bitte — jener lange, fahle, grüne Blitz, der die Wolken plötzlich durchschnitt, wie eine glühende Geissel über ihren Rücken dahinzuckte und niederzitterte in den Schoss der Erde, als wollte er ihn zerklüften mit einem kurzen, vibrierenden Schlag, — die Antwort — jener Donner, der mit feierlicher Majestät über den Erdboden rollte, als wolle er bestätigen, was sein flammender Vorläufer gedroht, — die Antwort jenes Meer sich einander verzehrender Feuer, das jetzt am Himmel auf und nieder wogte, bald in flammender Lohe sich emporbäumte, bald mit rasender Geschwindigkeit zur Tiefe fuhr — wie in verzückter Freude über das Toben des Donners und das Heulen des Sturmes, die ihr Kampfspiel mit knatternder Musik begleiteten.

      Das alles — so ernst und eindringlich es sprach — die lustige Gesellschaft da drüben in dem Dorfkruge störte es wenig. Die verstimmten Blasinstrumente nahmen den Kampf mit dem Rasen der Elemente auf — nur um so lauter und schriller stiessen sie ihre schnelle Tanzweise in die Nacht hinaus.

      Es war eine erschreckende Disharmonie — wie herausfordernder Hohn schien es dem Pfarrer, wenn in das momentane Schweigen der entfesselten Nacht die hohlen, klappernden Töne des Galopps klangen, nach dem sie dort jauchzend, kreischend tanzten.

      — — Er hatte die Feder beiseite gelegt, die kaum beendete Predigt von sich geschoben und war in sein Schlafzimmer getreten. — — —

      In ruhigem Schlummer auf ihr Bett gestreckt lag ein junges Weib, den linken entblössten Arm unter den Hals gestützt, den rechten schlaff an die Seite gelehnt. Langsam und friedlich hob sich die leise wogende Brust unter dem weissen Nachtgewande.

      Immer greller zuckten die Blitze, immer lauter tobte der Donner, — und auch hier die wilden Weisen, die ihm die Herrschaft streitig machten.

      „Und sie kann schlafen,“ flüsterte er mehr verstimmt als freudig.

      Sie hörte ihn nicht. Ein glückseliges Lächeln spielte um die leise geöffneten Lippen — er verklärte das edle Angesicht; wie der Widerschein eines beglückenden Traumes flog es über die scharf ausgeprägten Züge, aus denen selbst der Schlaf den trübenden Hauch ernsterer Sorge nicht zu tilgen vermochte.

      Aber dieses Lächeln verjüngte sie wie ein kurzer Sonnenblick den Herbst; es küsste das nicht regelmässige, für seine Jugend überernste Antlitz mit der Weihe einer eigentümlichen Schönheit. Das Bild des Friedens, der sinnenden Ruhe, träumte sie vom Glück des Lebens, indem sie sein stürmender Kampf, seine rohe Lust umtobten.

      Und nur dieses letztere sah der Pfarrer — für die Gestalt des Friedens und des Glücks, die ihm der Himmel zur Seite gelegt, hatte er kein Auge.

      „Sie kann schlafen,“ sagte er noch einmal — lauter als das vorige Mal.

      Da hoben sich die dunklen Lider; aus dem dichten Schleier, der die braunen Augen umhüllte, traf ihn ein kurzer, erschrockener Blick.

      „So spät?“ flüsterten ihre Lippen noch trunken im Schlafe, aber das verklärende Lächeln war verschwunden — es war Herbst geworden auf dem ernsten Antlitze.

      Doch der Schlaf gab sein Recht nicht preis; mildernd umfasste sie sein weicher Arm, und mildtätig schloss er ihr die müden Augen. Nur ruhig war er nicht mehr und friedlich. Sie stöhnte oft im Traume — einmal rief sie laut den Namen ihres Mannes und beide Arme wie hilfesuchend nach ihm streckend tastete sie nach seinem Lager wie um sich zu vergewissern, dass er dort sei.

      Er war dort ... mit weit geöffneten Augen lag er schlaflos auf seinem Bette. Er sah die Blitze durch die Zimmer tanzen, er hörte es, wie die Störche, die da drüben auf der Pfarrscheune ihr Nest bauten, aus dem Schlaf aufgeschreckt, ängstlich durch die entfesselte Nacht klapperten.

      Auch als das Gewitter nachgelassen und das Grauen des Morgens die Gesellschaft im Kruge auseinandertrieb, die johlend und lärmend sich trennte, und es mit dem erwachenden Tage wieder still und friedlich um das Pfarrhaus wurde, schlossen sich seine Augen noch nicht zur Ruhe — die Bitternis seines Herzens gönnte ihm keinen befreienden Schlaf.

      2.

      Das fest im Dorfkruge und die durch den Regen aufgeweichten Wege hatten das ihre getan. Der Pfarrer hielt seine Predigt vor einer völlig leeren Kirche.

      Er kehrte sehr missgestimmt heim.

      „Ich wusste es vorher,“ sagte er, „so ist es jeden Sonntag.“

      Seine junge Frau legte das Gesangbuch aus den Händen und tat den leichten Umhang von den zart gebauten Schultern.

      Ein dunkler Ernst beschattete ihre traurigen Züge — nicht jener Ernst nur der inneren Weihe, der uns so friedlich und versöhnend anmutet, wenn wir ihn auf dem Antlitz eines Menschen sehen, der von einem erhebenden Gottesdienste in das alltägliche Leben zurückkehrt und in das Dunkel seines Kampfes und seiner Prosa einen Schimmer des Überirdischen zu tragen scheint — es war ein Ernst, in seiner Verschlossenheit um so schmerzlicher, der aus den braunen Augen zu dem geliebten Manne sprach.

      „Du solltest nicht undankbar sein,


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