Lore kommt für alles auf- Roman einer Tanzkapelle. Axel Rudolph

Lore kommt für alles auf- Roman einer Tanzkapelle - Axel Rudolph


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morgen nach. Auguste,“ liest Erlenkamp und läßt erbittert das Papier sinken. „Sie kommt wirklich! Nicht einmal die paar Sommertage kann man hier in Ruhe verleben!“

      „Erlenkamp, du bist ein grober Hunne!“ sagt Lore Glant empört. „Freu dich lieber, daß deine Frau kommt! Das ist doch wirklich nett!“

      „Sehr nett,“ bestätigt Albrecht Erlenkamp gehorsam. Sein Gesicht sieht aus wie ein Nokturno.

      3. Kapitel

      „Einen Tisch für Herrn Imperiali!“ ruft der Geschäftsführer diensteifrig einem der weißbeschürzten Kellner auf der überfüllten Terrasse des Hotels Kongen af Danmark zu. Silvester Begas wendet sich auf dem Podium ein wenig um und blickt unwillig nach dem lauten Rufer. Er sieht gerade noch, wie Geschäftsführer und Kellner zwei Herren an einen reservierten Tisch komplimentieren. Der eine dieser beiden Herren ist der Manager Mallik in höchsteigener Person, der andere ein südländisch aussehender, sehr breitschultriger und gewichtiger Herr, dem augenscheinlich in erster Linie die Dienstbeflissenheit der Hotelangestellten gilt. Silvester Begas ärgert sich ein wenig. Wenn Seine Majestät der Gast hin und wieder so wenig musikalisches Verständnis zeigt, mitten in einer Rhapsodie laut zu lachen oder zu plaudern — dagegen kann man nichts machen. Daß aber die Hotelangestellten so wenig Rücksicht auf die Kapelle nehmen, das ist unverschämt. Gleich darauf aber erhellt sich seine Miene wieder, und ein glückliches Lächeln tritt in seine Augen. Sein über die Menge schweifender Blick hat Lore gefunden, die an einem kleinen Ecktischchen ihren Eiskaffee löffelt und in stiller, schwärmerischer Bewunderung zu ihm emporschaut.

      „Was ist das für ein Gewächs, mit dem Mallik da zusammensitzt?“ fragt Silvester Begas, als die Pause begonnen hat, halblaut, Beppo von Pollinger anschauend. Beppo hat eine italienische Mutter gehabt — daher der fremdländische Vorname — und außerdem eine sogenannte gute Kinderstube. Er zeigt gern seine guten Formen und legt entschiedenen Wert darauf, daß man bei der Anrede das Wörtchen „von“ nicht vergißt. Was zur Folge gehabt hat, daß die lustigen Kameraden ihn nicht mehr Pollinger, sondern „Oberpollinger“ nennen. Seine feudalen Passionen haben aber auch ihr Gutes. Beppo ist in allen gesellschaftlichen Fragen das Konversationslexikon der Kapelle. Er ist Spezialist in Bekleidungsfragen, kennt den Gotha auswendig, studiert in jeder Stadt sofort nach der Ankunft gründlich die Hotellisten und die Zeitungsnotizen über „Gesellschaftliches“ und ist — wo immer man gerade sein mag — fabelhaft im Bilde über die anwesenden Prominenten. Auch diesmal vermag er auf Silvesters fragenden Blick ohne Zögern Auskunft zu geben.

      „Senhor Imperiali aus Lima, Hotelgast, schwerreich, soll einer der bedeutendsten Reichmeier Perus sein.“

      „Wie kommt denn Mallik zu dem?“

      „Wie kommt Kuh ...“ Beppo erinnert sich noch im letzten Augenblick seiner guten Erziehung und verschluckt das Weitere. „Vielleicht ist er geschäftlich mit ihm bekannt. Mallik hat doch früher in Südamerika gearbeitet.“

      „Bombenbrillant als Busennadel,“ stellt Silvester fest, einen diskreten Blick nach dem Herrn aus Lima werfend. „Kostet ’ne Stange Geld, falls er echt ist.“

      „Wird schon,“ meint Beppo respektvoll. „Nach der Katzenbuckelei der Hotelleute zu urteilen, muß dieser Senhor Imperiali wirklich ein Krösus erster Gilde sein und fabelhafte Trinkgelder geben.“

      „Tun Hochstapler auch,“ brummt Silvester trokken und schlendert zu Lores Tisch hinüber, um während der Pause dort seinen Kaffee zu trinken.

      Auch Hans Böge durchquert die Terrasse, um unten auf der Strandpromenade schnell eine Zigarette zu rauchen. Als er an dem Tisch des Managers vorüberkommt, bemerkt er, daß Mallik und der fremde Herr gerade zu ihm hinsehen, und grüßt höflich. Herr Mallik ist augenscheinlich glänzender Laune, denn er erwidert den leichten Gruß Böges mit Herzlichkeit und raunt seinem Nachbar ein paar Worte zu, die der Peruaner mit lebhaftem Kopfnicken beantwortet.

      „Kommen Sie nur immer ’ran, Herr Böge!“ winkt Mallik leutselig. „Nehmen Sie einen Drink mit uns! Herr Böge — Herr Imperiali.“

      „Ehrt. Aber ich möchte nicht stören. Wollte nur eben eine Zigarette ...“

      „Oh, bitte, bitte! Nehmen Sie eine von meinen Zigarren, Herr Böge!“ Der reiche Mann aus Peru hält mit Grandezza dem Musiker eine großmächtige Zigarrentasche hin. Coronas — stellt Hans im stillen fest, mit Ehrfurcht die Bauchbinde der dankend angenommenen Zigarre betrachtend. Kostet in Berlin im Hotel ganze drei Märker das Stück. Der Mann seheint’s zu haben.

      „Herr Böge ist ein ganz famoser Junge, mein lieber Imperiali,“ plaudert Mallik gönnerhaft, dem jungen Musiker ein Zündholz hinreichend. „Nicht nur als Künstler, sondern auch als Mensch. Liebling der Damen, was, Böge? Veni, vidi, wuppdi! Gebrochene Herzen pflastern seinen Weg!“

      Hans Böge wehrt mit etwas süßsaurem Gesicht ab. Die Geschichte mit Madame Yvonne sitzt ihm noch in den Gliedern.

      „Man kommt allmählich in die Jahre, wo man anfängt, vernünftig zu werden, Herr Mallik.“

      „Daß ich nicht lache! Vernünftig? Sie? Wer hat Ihnen denn den Floh ins Ohr gesetzt? Etwa der gute Begas?“

      „Das weniger.“

      „Bleiben Sie, wie Sie sind!“ Mallik liebäugelt mit der Flasche, aus der eben der Ober den Benediktiner einschenkt. „Sie sind eine Nummer in Ihrer Art, Böge. Die lieben kleinen Mädchen kommen doch nur Ihretwegen.“

      „Soll das bedeuten, daß Sie mir eine Extrazulage zur Gage geben wollen?“ Hans hat sein sanftestes Gesicht aufgesetzt. „Ich nehme dankend an.“

      „Geschäftsmann ist er auch noch!“ Mallik prustet vor Vergnügen. „Von Zulage habe ich kein Wort gesagt. Nee, nee — aber sonst: Bleiben Sie, wie Sie sind! Wäre jammerschade, wenn ein Kerl wie Sie unter die Mucker ginge.“

      „Oh, bitte, ich finde es sehr — wie sagt man — sehr wert der Anerkennung, was Herr Böge vorhin sagte,“ mischte sich Herr Imperiali in seinem harten Deutsch ein. „Frauen — sehr schön. Zuviel Frauen — sehr unvernünftig. Auf Ihre Gesundheit, Herr Böge!“

      Hans tut dankend Bescheid, und der gute Likör löst seine ohnehin lockere Zunge. „Freut mich, daß Sie mir beistimmen, mein Herr. Zum Muckertum habe ich wahrhaftig kein Talent, aber was zuviel ist, ist zuviel. Ich selber wäre vielleicht noch lange nicht dahinter gekommen, aber die Lore ... ich meine Fräulein Glant ...“

      „Mann!“ lacht Mallik laut. „Sie werden doch nicht unter den Pantoffel kriechen!“

      Hans Böge wird plötzlich hitzig. „Was heißt hier Pantoffel! Lore Glant ist ein Prachtmädel, eine Frau, wie’s in der ganzen Welt keine zweite mehr gibt!“

      „Die Schwester unseres Akkordionspielers,“ erläuterte Mallik Herrn Imperiali. „Ganz nett, aber nichts für einen verwöhnten Geschmack. Da drüben sitzt sie übrigens. Die Dame neben Silvester Begas.“

      „Lore Glant ist die schönste Frau, die ich je gesehen,“ erklärt Hans Böge energisch und schüttet vor Begeisterung ein zweites Glas Benediktiner hinunter.

      Senhor Imperiali hat neugierig zu dem kleinen Ecktischchen hinübergeblickt. Silvester Begas verabschiedet sich eben von Lore, da die Pause zu Ende geht und seine Musiker bereits beginnen, sich wieder auf dem Podium zu sammeln. Lore Glant hat sich in ihrem Stuhl ein wenig hintenübergelegt. Ihr schlanker Arm streckt sich lang aus, als sie dem Kapellmeister die Hand reicht. Die anmutige Bewegung zeigt einen Augenblick die Schönheit ihrer schlanken Figur. Golden liegt die Sommersonne auf ihrem Haar.

      „Oh, bitte,“ sagt Senhor Imperiali, seine Zigarre vom rechten in den linken Mundwinkel schiebend. „Ich glaube, Herr Böge hat recht. Diese junge Dame ist wirklich eine Schönheit,“

      Ein Fünkchen glimmt dabei ganz hinten in seinen dunklen Augen auf.

      *

      „Hast du Lust, mit in die Bar zu kommen, Lore?“ fragt gegen Mitternacht Silvester


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