Die Teufelin. Фэй Уэлдон
Teppich abgeleckt hatte, nachdem der Hund Harness die Avocadosoße unter dem Küchentisch aufgeschlabbert und Ruth sich im Badezimmer eingesperrt hatte, wo sie ihr innerstes Wesen veränderte, packte Bobbo seinen vornehmen Handkoffer. Er war aus echtem rötlichbraunem Leder mit Messingbeschlägen und unnötig schwer.
»Wohin gehst du?« fragte Ruth, aus dem Badezimmer kommend.
»Ich verlasse dich und ziehe zu Mary Fisher«, sagte Bobbo, »bis du gelernt hast, dich besser zu benehmen. Ich ertrage das nicht, all diese Szenen und die schlechte Laune wegen nichts und wieder nichts.«
»Für wie lange?« erkundigte sich Ruth nach kurzer Pause, aber Bobbo machte sich nicht die Mühe zu antworten. »Und warum?« fragte sie. »Ich meine, warum wirklich?« Aber sie wußte die Antwort auch so. Weil Mary Fisher einssechzig war, selbständig, ohne Kinder, ohne Haustiere mit Ausnahme eines Kakadus oder so was in der Art, weil sie nicht die Hände rang und man mit ihr überall hingehen konnte, ohne sich schämen zu müssen. Und bei dieser Aufzählung fehlte noch die geheimnisvolle Macht der Liebe, die die ungezogene kleine Mary Fisher in Bobbos Brustkorb entfacht hatte.
»Und was ist mit mir?« fragte Ruth. Die Worte ergossen sich ins Universum, um sich mit Myriaden von »Und was ist mit mir?«, ausgestoßen von Myriaden anderer Frauen, die an diesem Tag von ihren Männern verlassen wurden, zu vereinigen. Frauen in Korea und Buenos Aires und Stockholm und Detroit und Dubai und Taschkent, allerdings nur selten in China, wo das Verlassen eine strafbare Handlung darstellt. Klangwellen sterben nicht. Sie sind für immer und ewig unterwegs. All unsere Sätze sind unsterblich. Unser nutzloses Blöken umkreist das Universum bis in alle Ewigkeit.
»Was mit dir ist?« sagte Bobbo; eine Frage, auf die es ohnehin keine Antwort gab. Bobbo war allerdings freundlich genug hinzuzufügen: »Ich schicke dir Geld«, während er seine Hemden packte. Sie waren gebügelt und so ordentlich gefaltet, daß er damit keinerlei Schwierigkeiten hatte. »Du wirst den Unterschied gar nicht merken, ob ich hier bin oder nicht. Du beachtest mich so gut wie gar nicht, wenn ich hier bin, und die Kinder überhaupt nicht.«
»Die Nachbarn werden es mitkriegen«, sagte Ruth. »Sie werden mit mir noch weniger sprechen, als sie es ohnehin schon tun. Sie halten Unglück für ansteckend.«
»Hier handelt es sich genaugenommen nicht um Unglück«, sagte Bobbo, »sondern lediglich um die Konsequenzen deiner Handlungen. Wie auch immer, ich rechne sowieso damit, bald wieder zurück zu sein.«
Sie glaubte das nicht, denn er nahm auch den großen grünen Segeltuchkoffer mit; und die Krawatten, die er nur bei speziellen Anlässen trug.
Dann verließ er das Haus, und Ruth blieb allein zurück, auf dem herbstgrünen Teppich zwischen den avocadofarbenen Wänden. Und am Morgen ging die Sonne auf und warf ihre schrägen Strahlen durch die Panoramafenster, wobei deutlich wurde, daß diese geputzt werden müßten und Ruth sie nicht putzen würde.
»Mama«, sagte Nicola, »die Fenster sind dreckig.«
»Wenn dir das nicht gefällt«, sagte Ruth, »dann putze sie halt.«
Nicola putzte sie nicht. Mittags rief Bobbo vom Büro aus an und teilte ihr mit, daß er Mary Fisher einen Antrag gemacht und sie ihn angenommen hatte. Er würde also nicht zurückkommen. Er meinte, Ruth sollte Bescheid wissen, damit sie eigene Pläne machen könnte.
»Aber –«, sagte Ruth. Er hatte aufgelegt. Die Scheidungsgesetze waren erst kürzlich liberalisiert worden, so daß es nicht mehr nötig war, daß beide Ehepartner ihre Zustimmung zu der Trennung geben mußten. Einer genügte.
»Mama«, sagte Andy, »wo ist Papa?«
»Weg«, sagte Ruth, und Andy gab dazu keinen Kommentar ab. Das Haus lief auf Bobbos Namen. Der Kauf war ohnehin nur möglich gewesen, weil Angus und Brenda Hilfestellung geleistet hatten. Ruth war mit leeren Händen in die Ehe gegangen. Sie hatte lediglich ihre Größe und ihre Kraft mitgebracht, und diese Dinge besaß sie immer noch.
»Wo ist das Abendessen?« erkundigte sich Nicola kurz darauf, aber da war kein Abendessen. Also strich sie Erdnußbutter auf Brotscheiben und reichte sie herum. Sie benützte das Brotmesser, um die Erdnußbutter aus dem Glas zu kratzen, und schnitt sich dabei in den Finger, wobei Blut auf die geschmierte Brotscheibe tropfte, aber niemand sagte etwas deswegen.
Schweigend aßen sie.
Nicola, Andy und Ruth verzehrten ihr Essen vor dem Fernseher. Kleine Grüppchen essen so, Frauen und Kinder, wenn die Welt auseinanderbricht.
Schließlich murmelte Ruth irgendwas.
»Was hast du gesagt?« fragte Nicola.
»Auf den Müll geworfen«, sagte Ruth. »Das passiert schlichten tugendhaften Gemütern. Sie werden auf den Müll geworfen.«
Nicola und Andy verdrehten die Augen und schauten gen Himmel.
Sie hielten sie für verrückt. Oft genug hatte ihr Vater gesagt: »Eure Mutter ist verrückt.«
Am Morgen gingen Nicola und Andy in die Schule.
Einige Tage später rief Bobbo an und teilte mit, daß er Ruth und den Kindern erlauben würde, erst einmal weiter in dem Haus zu wohnen, obwohl die Räumlichkeiten ganz offensichtlich zu groß für sie wären. In einer kleineren Wohnung würden sie sich wesentlich wohler fühlen.
»Was meinst du mit ›erst einmal‹?« fragte sie, aber er gab darauf keine Antwort. Er sagte, er würde ihr bis auf weiteres 52 Dollar pro Woche zahlen, was 20 Prozent über dem legalen Minimum läge. Dank der neuen Gesetzgebung, durch die Zweitfrauen fairer behandelt wurden, mußte er lediglich seine Kinder unterstützen. Von gesunden Frauen aus erster Ehe konnte man erwarten, daß sie sich auf eigene Beine stellten.
»Ruth«, sagte Bobbo, »du hast sehr gute, sehr solide Beine. Du wirst schon durchkommen.«
»Aber das Haus samt Haushalt kostet mindestens 165 Dollar die Woche«, sagte Ruth.
»Eben deswegen muß es ja auch verkauft werden«, sagte Bobbo. »Aber vergiß nicht, daß sich die Kosten durch meine Abwesenheit senken. Frauen und Kinder verbrauchen nicht annähernd soviel wie Männer. Die Statistiken beweisen das. Abgesehen davon, jetzt, wo die Kinder in der Schule sind, wo sie eigentlich schon fast erwachsen sind, kannst du ruhig wieder arbeiten gehen. Es ist nicht gut für eine Frau, wenn sie zu Hause vermodert.«
»Aber die Kinder werden auch mal krank; das halbe Jahr über sind Schulferien; und außerdem gibt es keine Arbeit.«
»Für diejenigen, die arbeiten wollen, gibt es immer Arbeit«, sagte Bobbo. »Das weiß doch jeder.«
Er telefonierte vom Turm aus. In einer Ecke des großen Raumes neigte Mary Fisher ihren hübschen Nacken und schrieb süße Worte über die Natur der Liebe nieder.
»Ganz plötzlich bewegten sich seine Finger, und sie spürte, wie seine Fingerspitzen provozierend über ihre Haut strichen, auf die bebenden zarten Konturen ihres Mundes zu«, schrieb Mary Fisher, und dann legte Bobbo den Telefonhörer und sie ihre Feder nieder, und sie besiegelten ihre gemeinsame Zukunft mit einem Kuß.
9
Mary Fisher lebt mit meinem Mann Bobbo in ihrem Turm und schreibt über die Natur der Liebe und sieht keinen Grund, weshalb nicht jeder glücklich sein sollte.
Weshalb sollte sie einen Gedanken an uns verschwenden? Wir sind machtlos und arm und ohne jede Bedeutung. Dieses »Jeder« schließt uns nicht mal ein.
Ich wage zu behaupten, daß Bobbo manchmal nachts aufwacht, und sie fragt dann, was los ist, und er sagt, ich denke an die Kinder, und sie sagt, besser so, wie es jetzt ist, ein klarer Bruch, und du siehst sie gar nicht mehr, und er glaubt ihr, weil Andy und Nicola nicht zu den Kindern gehören, die einem das Herz bluten lassen, schon gar nicht einem, dessen haarige Beine gerade mit Mary Fishers kleinen seidigen Beinchen verschlungen sind.
Und sollte er jemals sagen: »Ich frag mich, wie Ruth zurechtkommt«, dann wird sie ihm den Mund mit einem Scheibchen Räucherlachs und einem Schluck Champagner stopfen und