Die Teufelin. Фэй Уэлдон

Die Teufelin - Фэй Уэлдон


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      Meine beiden Kinder kommen und gehen, nehmen Nahrung auf, wollen sich hätscheln lassen, aber ich habe ihnen nichts zu geben. Wie könnte ich? Weibliche Teufel haben vertrocknete Zitzen. Es dauert eine Weile, bis man sich ganz und gar zu einem weiblichen Teufel entwickelt hat. Anfangs fühlt man sich total erschöpft, das kann ich Ihnen sagen. Die Wurzeln der Selbstvorwürfe und des guten Benehmens sitzen tief im lebendigen Fleisch. Man kann sie nicht sanft herausziehen, man muß sie herausreißen, und da bleiben so einige Fleischfetzen hängen. Manchmal schreie ich nachts so laut, daß ich die Nachbarn wecke. Die Kinder lassen sich durch nichts aus dem Schlaf schrecken.

      Zum Schluß saugte ich Energie aus der Erde. Ich ging in den Garten, grub die Erde mit einem Spaten um, und machtvolle Kraft stieg durch meine Zehen in meine kompakten Waden und nistete sich in meinen teuflischen Lenden ein: Drang und Reiz zugleich. Es sagte mir, daß das Warten nun ein Ende haben mußte, die Zeit des Handelns war gekommen.

      10

      Carver hauste in einer Hütte unten am Sportplatz von Eden Grove, wo er als eine Art Verwalter tätig war. Er war über sechzig, stoppelbärtig, mit verrunzelter Haut, aber mit strahlend hellen Augen. Die Haut seiner Arme war rot und wie gegerbt, aber über seinem Bauch spannte sie sich weiß und dünn. Die Hütte stand dort, wo Tennisplätze und Aschenbahn aneinanderstießen; eigentlich sollte Carver dort die Rasenmäher und Walzen aufbewahren und von hier aus seinen täglichen Aufsichtspflichten nachkommen. Nun aber blieb er auch über Nacht hier, lag unter einer schmutzigen Decke auf einer Schaumgummimatratze, manchmal schlafend, meistens jedoch nicht. Er war bei der Stadt angestellt – zur Hälfte ein Wohltätigkeitsfall, zur Hälfte machte er sich nützlich. Er meldete Bienenschwärme und vertrieb Kinder und Liebespärchen.

      Es hieß, Carver hätte ein Kind an irgendeinem fernen Strand vor dem Ertrinken gerettet und dabei einen Gehirnschaden erlitten. Aus diesem Grund forderten die Damen von Eden Grove, als sie eine Petition zu seiner Entlassung vorlegten, lediglich seine vorzeitige Pensionierung, anstatt fristlose unehrenhafte Entlassung. Frauen und Mütter, die auf ihrem Weg zu den Geschäften und der Schule an der Sportstätte vorbei mußten, eilten gesenkten Blickes vorüber. Manchmal starrte Carver nur lüstern; manchmal entblößte er sich. Obwohl das niemand tatsächlich gesehen hatte, kannte jeder irgend jemand, der es gesehen hatte.

      Carver beobachtete, wie Ruth die Straße entlang ging. Er mochte das Blitzen ihrer dunklen Augen, ihren schwerfälligen Gang. Sie trippelte nicht wie andere Frauen und Mütter auf kleinen Absätzen daher. Ihre Schuhe waren flach, vielleicht weil ihre Füße zu groß waren, um in etwas anderes zu passen. Carver wußte sehr wohl, daß sie eines Tages auf eine Tasse Tee zu ihm hereinschauen würde. Er wußte stets im voraus, wer in intime Beziehung zu ihm treten würde und daß er, nachdem er eine zukünftige Partnerin erkannt hatte, nichts weiter zu tun hatte – wie alle anderen auch –, als zu warten. Liebe, das war ihm schon immer klar gewesen, war nichts als das vorherige Wissen um Glück oder Schmerz.

      Carver wußte, wie man etwas begehrte, aber nicht zu sehr begehrte; er wußte, wie man hoffte, aber nicht zu ungestüm; wie man wartete, aber nicht zu lange. Carver ließ sich gern im Strom des Schicksals treiben, mit einer leichten Drehung hier und da, einer beiläufigen Wendung, ausgelöst durch Willen und Hoffnung, ein Fisch im Strom der Zeit.

      »Komm rein und trink eine Tasse Tee«, sagte er, dicht am Zaun des Tennisplatzes stehend, als sie vorüberging. Sie kam herein.

      Ruth trank ihren Tee aus einer Tasse mit einem Sprung. In einem Eisenofen brannte ein Holzfeuer, obwohl Sommer war. Dicht aneinandergedrängt, setzten sie sich davor, als ob Winter wäre. Zeitungen lagen als Teppich auf dem Boden. Man hätte aus ihr zwei von seiner Sorte machen können, aber das schien keine Rolle zu spielen. Ihre Augen glitzerten. Er machte eine Bemerkung in dieser Richtung.

      »Sie glitzern, wenn ich weiß, was ich will«, sagte sie.

      »Und was willst du?«

      Es konnte nur Geld oder Sex sein, das wußte er; das waren die beiden wichtigsten Dinge im Leben.

      »Dich«, sagte sie. Sein Arm glitt um ihre Schulter. Sein mageres Gesicht neigte sich zu ihr. Altersschwere Augen starrten in die ihren. Er verstand eine gewisse Sorte Frauen, hatte zu seiner Zeit in seinem Schuppen am Ende des Tennisplatzes mehr als genug mit ihnen zu tun gehabt. Brave Vorstadtfrauen, ordentlich gekleidet und sauber gewaschen, die etwas jenseits von jeglicher Erniedrigung suchten, so daß es ans Mystische grenzte, waren in seinen Schuppen getrippelt gekommen. Männer und Frauen, in unerlaubter vorübergehender Liebe, die sich durch die Flüsse der Zeit wanden und schlängelten. Daran war nichts Falsches. Doch die hier war anders; sie besaß andere Gründe, die er nicht verstand.

      Aus den Muttermalen an ihrem Kinn sprossen Haare. Nun, ihm wuchsen Haare aus den Nasenlöchern. Ihre Brüste waren wie Kissen. Er legte seinen alten Kopf darauf. Sie lächelte. Er machte sich keine Sorgen über seine sexuellen Möglichkeiten. Um Erektionen konnten sich junge Männer sorgen; falls notwendig, würden Finger und Hände auch für sie reichen. Doch als es dann soweit war, zitterte und weinte er, der geladene Gast, ausgesperrt durch eigene Schuld, draußen in der Kälte stehend, während drinnen alles warm und weich war.

      »Ich kann nicht«, sagte er. »Irgend etwas stimmt nicht. Warum bist du gekommen?«

      »Dies war der erste Schritt«, sagte sie. »Das Brechen der ersten Regel.«

      »Was für eine Regel?« Er kannte sich aus mit Regeln. An jedem Eingang der Sportstätte hing ein mit Vorschriften übersätes Brett. Carver hatte Schwierigkeiten mit dem Lesen. Früher mal hatte er es gekonnt, jetzt nicht mehr.

      »Diskriminierung.« Sie hatte ein leises dunkles Lachen; er mochte es und lachte ebenfalls.

      Carver hatte eine Vision: Durch sich auftürmende Wolken schoß Carver hinaus in den Raum. Er sah Ruth in der Mitte eines anderen Universums stehen, nackt mit herrlichen Gliedern, und um sie herum tanzten in langsamem Rhythmus neue Sterne. Er saugte an ihrem Ursprung, ihrer Quelle, das begriff er; er vergrub seinen Kopf im Fleisch, und es duftete nicht nach den natürlichen Säften der Schöpfung, sondern nach der Existenz an sich. Dafür war er nicht stark genug. Er war für die alte Welt gemacht, nicht für die neue.

      Er war ein armer alter Mann; er bebte vor Liebe und Lust; seine Augen verdrehten sich weißlich, elektrische Entladungen knisterten durch sein Hirn, schwächten es, wie sie es von Anfang an stets getan hatten. Visionen erschöpfen altes Fleisch. Er sank auf die Knie. Er fiel.

      Ruth betrachtete voller Erstaunen den auf dem Boden liegenden Körper. Carver hatte einen Anfall; er tat ihr leid, aber sie konnte kaum etwas für ihn tun.

      Ruth war sehr mit sich zufrieden. Sie und dieser sich windende Alte hatten zusammen ein Kreuzfundament geschaffen, auf dem sie ihr neues Leben errichten würde, so wie eine Polsterung auf ihrem Maschennetz ruht. Das Netz bestand aus Schmerz und Vergnügen, Demütigung und Triumph, Verklärung und Erniedrigung, ordentlich ineinander verwoben: Die Konstruktion würde ein erstaunliches Gewicht, erstaunliche Belastungen auszuhalten haben. Hier und da gab es immer noch kleine Lücken, durch die sie rutschen konnte. Sie mußte vorsichtig sein.

      Das Schäumen und Zucken hörte auf. Carver lag in der Wärme seiner Exkremente und schlief ruhig und fest. Ruth nahm die Zigaretten aus dem offenen Päckchen auf dem Tisch, steckte sie in die Tasche und marschierte auf die Hauptstraße zu, um Erdnußbutter und einige Mehrfachzwischenstecker einzukaufen und ein Taxi für den nächsten Morgen zu bestellen; eine große schlichte Frau in vernünftigen Schuhen mit einem Einkaufskorb in der Hand, von der man erwartete, daß sie dankbar war für das, was sie hatte.

      11

      Na schön! Mit wievielen hatte Mary Fisher in ihrem Turm wohl schon geschlafen? Wahrscheinlich waren es gar nicht so viele. Sie ist zu wählerisch. Bestimmt nicht mit dem Gärtner, sonst wären dessen Finger grüner, seine Lohntasche dicker.

      In der Vergangenheit vielleicht ein paar Millionäre, hin und wieder mal ein Verleger, Leute, die ihr behilflich waren weiterzukommen. Sie werden ihre ergrauenden mächtigen Häupter neben ihr Köpfchen auf die Gänsedaunenkissen gelegt haben.

      Mit


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