Die Teufelin. Фэй Уэлдон

Die Teufelin - Фэй Уэлдон


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Aber Liebe ist, verglichen mit Haß, ein farbloses Gefühl. Sie macht kribbelig und rastlos und elend.

      Meine Kinder kommen aus dem sommerlichen Garten ins Haus. Ein Geschwisterpaar. Der Junge ähnelt ein bißchen meiner Mutter, und genau wie sie jammert er ganz gern. Das Mädchen, groß und plump wie ich, ist von einer Rachsucht, hinter der sich die Verzweiflung von zuviel Gefühl verbirgt. Hund und Katze folgen den beiden. Das Meerschweinchen raschelt und schnüffelt in seiner Ecke herum. Gerade eben habe ich seinen Käfig saubergemacht. Die Schokolade für die Mousse blubbert und schmilzt in der Kasserolle. Das ist das Glück, die Vollkommenheit des häuslichen Lebens in der Vorstadt. Damit sollten wir zufrieden sein: Das ist unser Schicksal. Aus der Gosse ungezügelter Begierden auf den glatten Rasen ehelicher Liebe.

      Das sagen Sie, hörte ich meine Mutter antworten, als ihr der Priester auf dem Sterbebett das ewige Leben in Aussicht stellte.

      4

      Bobbos Mutter Brenda schlich außen um das Haus ihres Sohnes, Nightbird Drive Nr. 19, herum. Sie neigte zu neckischen Streichen, eine Veranlagung, die sie ihrem Sohn nicht vererbt hatte. Brenda wollte Ruth überraschen, indem sie plötzlich ihre Nase gegen das Küchenfenster drückte. »Huhu, da bin ich«, würden ihre Mundbewegungen durch das Glas hindurch ausdrücken. »Das Monster, die Schwiegermutter!« So konnte sie gleich den Stachel ziehen, was ihre problematische Rolle in der Familie anbelangte, und, wie sie glaubte, dem Abend zu einem guten Start verhelfen; jede eventuell vorhandene Spannung würde sich in Gelächter auflösen.

      Brendas kleine Absätze bohrten sich in die gepflegte Rasenfläche, was beiden nicht bekam. Das Gras war frisch gemäht. Ruth machte es Spaß, den Rasen zu mähen. Mit kräftiger Hand konnte sie den Rasenmäher schieben; die Arbeit war rasch und mühelos getan, während ihre kleineren Nachbarinnen schwitzten und jammerten und sich mit Gras abplagten, das sie aus dem allwöchentlich widerlegten Glauben heraus, Rasenmähen wäre Männersache, hatten zu hoch wachsen lassen.

      Bobbos Mutter spähte durch das Küchenfenster, wo die dampfende Pilzsuppe auf einen Schuß Sahne und Sherry wartete, und nickte beifällig. Sie mochte es, wenn ordentliche Arbeit geleistet wurde – so lange es ein anderer tat. Sie schaute durch die offenen Verandatüren ins Speisezimmer, wo der Tisch für vier Personen gedeckt war und die Kerzen in ihren Haltern steckten, wo das Silberbesteck poliert und die Anrichte abgestaubt war und seufzte vor Bewunderung. Ruth verstand sich aufs Putzen. Sie brauchte nur mit ihren kraftvollen Fingern einmal drüberzureiben, und schon verschwanden alle Flecken. Brenda war auf eine elektrische Zahnbürste angewiesen, wenn sie ihr eigenes Silber auf Hochglanz bringen wollte – eine langwierige, ermüdende Sache –, und das war vielleicht auch das einzige, worum sie Ruth beneidete: ihr Geschick im Silberputzen.

      Bobbos Mutter beneidete Ruth nicht um deren Ehe mit Bobbo. Brenda liebte Bobbo nicht, hatte ihn nie geliebt. Sie mochte Bobbo ganz gern, mochte auch ihren Gatten ganz gern, aber auch da waren ihre Gefühle recht flüchtiger Natur.

      Die Luft war angefüllt vom Duft der Nachtschattengewächse.

      »Wie hübsch sie alles macht«, sagte Bobbos Mutter zu ihrem Mann Angus. »Bobbo hat wirklich Glück gehabt!« Angus war auf dem Weg stehengeblieben und wartete darauf, daß sich die neckische Laune seiner Frau legen und sie aufhören würde, in Fenster zu spähen. Brenda trug ein beiges Seidenkleid und goldene Armreifen und gab sich gerne zeitlos. Angus trug einen bräunlich karierten Anzug, ein ockerfarbenes Hemd und eine Krawatte mit blauen Punkten. Ganz gleich, wie reich oder arm sie gerade sein mochten, Brenda sah stets eine Spur zu elegant und Angus ein bißchen absurd aus. Brenda hatte eine kleine Stupsnase und weit auseinanderstehende Augen, Angus eine große fleischige Nase und eng zusammenstehende Augen.

      Bobbo trug graue Anzüge und weiße Hemden und farblose Schlipse, stets darauf bedacht, ernsthaft und neutral zu wirken, seine Zeit abzuwarten und seine Macht zu verbergen. Seine Nase war gerade und kräftig, und seine Augen hatten genau den richtigen Abstand.

      Brenda schaute in das Wohnzimmer, wo die beiden Kinder vor dem Fernsehapparat saßen. Die Reste eines frühen Abendessens standen auf dem Tisch. Die Kinder waren gewaschen, gekämmt und bereit fürs Bett. Sie schienen glücklich, aber reizlos, doch was konnte man bei einer Mutter wie Ruth schon erwarten?

      »Sie ist eine so gute Mutter«, flüsterte Brenda und winkte Angus näher heran, damit er die Kinder ebenfalls bewundern konnte. »Man muß einfach Respekt vor ihr haben.«

      Brenda streifte die Erde von ihren Absätzen und ging zur Waschküche herum, wo Bobbo gerade ein gebügeltes gefaltetes Hemd von einem ordentlichen Stapel nahm. Er stand in Unterhemd und Unterhose da, aber hatte Brenda ihn nicht oft genug gebadet, als er noch ein kleiner Junge war? Kann eine Mutter vor der Blöße ihres Sohnes zurückschrecken?

      Die hübschen kleinen Bißwunden am Oberarm ihres Sohnes bemerkte Brenda nicht; oder vielleicht tat sie es und hielt sie für Insektenstiche. Ganz sicher konnten sie nicht von Ruths Zähnen stammen, die groß, schwer und regelmäßig waren.

      »Sie ist so eine gute Ehefrau«, sagte Bobbos Mutter, fast zu Tränen gerührt. »Sieh nur, wie sie gebügelt hat!« Bobbos Mutter bügelte nur im äußersten Notfall. In guten Zeiten lebten sie und Angus gern in Hotels, aus dem schlichten Grund, weil es dort einen umfassenden Service gab. »Und was für ein guter Ehemann Bobbo doch geworden ist!« Falls sie ihren Sohn für narzißtisch hielt, weil er so lange in den Spiegel starrte, so behielt sie das für sich.

      Doch Bobbo schaute in den Spiegel, betrachtete seine klaren, edlen Augen, seine intelligente Stirn und die leicht zerbissenen Lippen, ohne sich selbst wirklich wahrzunehmen: Er sah nur den Mann, den Mary Fisher liebte.

      Während Bobbo sich ankleidete, arbeitete er in seinem Kopf eine Geldskala für den Liebesakt aus. Er fühlte sich wohler, wenn er einen finanziellen Maßstab an die Dinge anlegen konnte. Nicht, daß er geizig gewesen wäre: Er gab mit Vergnügen Geld aus. Er hatte lediglich das Gefühl, daß Leben und Geld ein und dieselbe Sache waren. Sein Vater hatte ihm das oft genug zu verstehen gegeben.

      »Zeit ist Geld«, pflegte Angus zu sagen und trieb seinen Sohn aus dem Haus in die Schule. »Leben ist Zeit, und Zeit ist Geld.« Manchmal mußte Bobbo laufen, weil das Geld für den Bus fehlte. Manchmal fuhr er im Rolls-Royce mit Chauffeur.

      Im Laufe von Bobbos Kindheit hatte Angus zwei Millionen verdient und drei verloren. Ein Leben voller Höhen und Tiefen für einen heranwachsenden Knaben! »In der Zeit, die du dafür brauchst«, pflegte er zu dem Kleinen zu sagen, der sich mit ungeübten Fingern abmühte, seine Schnürsenkel zu binden, »könnte ich tausend Pfund verdienen.«

      Wollte man die Liebe geldmäßig erfassen, dachte Bobbo, so müßte man die Summe der durch Liebe verlorengegangenen Arbeitszeit plus verbrauchte Energie dem genossenen Vergnügen plus erneuerte Kreativität gegenüberstellen. Der Koitus eines Kabinettsministers, wie mickrig auch immer, konnte sich auf ungefähr 200 Dollar belaufen, während eine Hausfrau es, ganz gleich wie energiegeladen sie zu Werke ging, lediglich auf kümmerliche 25 Dollar bringen würde. Ein Schäferstündchen mit Mary Fisher, die nicht nur gut verdiente, sondern auch eine leidenschaftliche Geliebte war, wäre ungefähr 500 Dollar wert. Mit seiner eigenen Frau ließ es sich auf 75 Dollar einstufen, aber da es relativ häufig dazu kam, ergab sich unglücklicherweise eine Wertminderung. Je öfter man mit einer bestimmten Person ins Bett ging, so glaubte Bobbo, desto weniger war es wert.

      Bobbos Mutter zog erneut ihre Absätze aus dem gepflegten Rasen, winkte ihrem Gatten und machte sich mit ihm zusammen zum Hauseingang auf. Sie warf einen Blick in den Salon und erblickte Ruths mächtigen Rücken über einen Plattenspieler gebeugt; sie stellte gerade eine Auswahl an Musik für die Zeit vor und nach dem Essen zusammen.

      Ruth richtete sich auf und knallte mit dem Kopf gegen den Eichenbalken über dem Kamin. Das Haus war für kleinere Bewohner entworfen worden.

      Gerade als Ruths Schwiegermutter ihre Nase gegen die Scheibe pressen und ihr Späßchen treiben wollte, drehte sich Ruth um. Selbst durch die verzerrende Fensterscheibe hindurch konnte man deutlich erkennen, daß sie geweint hatte. Ihr Gesicht war aufgedunsen und ihre Augen verschwollen. »Der Vorstadt-Blues!« murmelte Brenda Angus zu. »Selbst die Glücklichsten leiden darunter!« Sie


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