Die Teufelin. Фэй Уэлдон
eigensinnig, und warum wollte er das überhaupt wissen, konnte er es denn nicht einfach hinnehmen?
Bobbo nahm es hin. Ruth kam zum Essen. Sie stolperte und errötete, und die Haare auf ihrer Oberlippe und an ihrem Kinn glänzten im Lichtschein; sie hatte Wein aufs Tischtuch gegossen und die falschen Dinge zu den falschen Leuten gesagt und alles durcheinander gebracht.
»Glauben Sie nicht auch«, hatte sie zu dem Anwalt gesagt, »daß es um so mehr Verbrechen gibt, je mehr Polizei es gibt?« »Sie meinen«, hatte er freundlich erwidert, »je mehr Polizei, desto weniger Verbrechen. Gewiß doch.«
»Nein, ganz gewiß nicht«, sagte Ruth aufgeregt, während ihr der Spinat über das Kinn lief, und Bobbo mußte sie mit einem Tritt unter dem Tisch zum Schweigen bringen.
Manchmal dachte Bobbo, Ruth wäre verrückt. Sie sah nicht nur nicht so aus wie andere Leute, man konnte sich auch nicht darauf verlassen, daß sie sich so wie andere Leute benahm.
Bobbo befürchtete, daß Mary sich ihm gegenüber etwas kühler verhielt, seit sie Ruth kennengelernt hatte. Niemandem tat es gut, in enger Beziehung zu unglücklichen und glücklosen Leuten zu stehen. Liebe, Erfolg, Energie, Gesundheit, Glück drehten sich in engem Kreis, trieben sich aus eigener Energie an, befanden sich jedoch gleichzeitig in einem höchst labilen Gleichgewicht. Ein Körnchen Sand im Getriebe, und die ganze Maschinerie konnte zum Stillstand kommen. Glück und Segen verwandeln sich nur zu leicht in Unheil! Und jetzt liebte er Mary Fisher und liebte sie und liebte sie, und seine Eltern waren zum Dinner gekommen, und seine Frau hatte geweint und eine Szene gemacht und das Essen auf den Boden geworfen, und er hatte nicht das geringste für sie übrig. Ruth stand zwischen ihm und dem Glück: unverrückbar! Hatte es in der ganzen Geschichte der Ehe jemals solche Unverrückbarkeiten gegeben?
Bobbo hatte zu Mary Fisher gesagt: »Mary, empfindest du keine Schuldgefühle, weil du eine Affäre mit einem verheirateten Mann hast?«
Und Mary hatte erwidert: »Ist das, was wir haben, eine Affäre?« Sein Herz hatte entsetzt zu hämmern begonnen, bis sie hinzugefügt hatte: »Ich dachte, es wäre mehr. Es fühlt sich an, als wäre es mehr! Es fühlt sich an, als wäre es für immer.« Die Freude hatte ihn zum Schweigen gebracht, und sie hatte weitergesprochen: »Schuldgefühle? Nein. Liebe entzieht sich unserer Kontrolle. Wir verlieben uns. Niemand trägt daran schuld. Du nicht. Ich nicht. Und ich vermute, weil Ruth nie etwas erwartet, wird sie auch nie etwas bekommen. Wir können unser Leben nicht verderben, weil sie fast ohne Freude geboren wurde. Es war ein Akt der Freundlichkeit deinerseits, als du sie geheiratet hast, und ich liebe dich deswegen, aber jetzt, mein Liebster, sei gut zu mir. Lebe mit mir. Hier, jetzt, für immer!«
»Und die Kinder?«
»Sie sind Ruths Krone und ihre Juwelen. Sie sind ihr ganzer Trost. Sie kann sich so glücklich schätzen. Ich habe keine Kinder. Ich habe niemanden außer dir.«
Sie sagte das, was er hören wollte. Es war hinreißend. Und nun saß er hier an einem Vorstadttisch, zusammen mit seiner Mutter, seinem Vater und seiner Vergangenheit, und dachte an Mary Fisher und wie sehr sie ihn brauchte und sehnte sich nach einer gemeinsamen Zukunft, und dann kam Ruth endlich mit der Suppenterrine herein.
Ruths tapferes Lächeln geriet über der Suppe ins Schwanken. Ihre Schwiegereltern starrten sie in ruhiger freundlicher Erwartung an. Und Ruth schaute auf die drei Hundehaare, die in dem grauen Schaum der durch Sahne verdickten köstlichen Pilzsuppe schwammen.
Der Hund hieß Harness. Bobbo hatte ihn Andy zu dessen achten Geburtstag gekauft. Ruth kümmerte sich um ihn. Harness mochte Ruth nicht. Für ihn war sie eine Riesin, ein Affront gegen die natürliche Ordnung der Dinge. Er akzeptierte das Essen, das sie ihm gab, schlief aber dort, wo sie es ihm verboten hatte, quetschte sich unter Schränke und schnappte nach suchenden Händen, nagte die Polster an und machte gewaltigen Radau, wenn man ihn irgendwo zurückließ, wo er nicht sein wollte. Er haarte, klaute Essen, fraß pfundweise Butter (wenn er welche auftreiben konnte) und kotzte sie sofort wieder aus. An den paar Sonntagen, an denen Bobbo zu Hause war, ging er gern mit Harness im Park spazieren, zusammen mit Andy; Vater und Sohn fühlten sich dann glücklich und wohl. Ruth blieb allein zurück, entfernte mit einem speziellen kleinen, batteriebetriebenen Staubsauger Haare von irgendwelchen Polsterungen und Bezügen. Sie mochte Harness nicht.
»Laß die Suppe nicht kalt werden, Ruth«, sagte Bobbo, als wäre das eine ihrer üblichen Angewohnheiten.
»Haare!« Das war alles, was Ruth hervorbrachte.
»Es ist ein hübscher sauberer Hund«, sagte Brenda. »Uns stört das nicht, oder, Angus?«
»Natürlich nicht«, sagte Angus, den es durchaus störte. Als Kind hatte Bobbo immer einen Hund haben wollen, was Angus stets verhindert hatte.
»Kannst du nicht mal den Hund von der Suppe fernhalten?« fragte Bobbo. Es war falsch, das zu sagen, und er wußte es, kaum daß er es ausgesprochen hatte. Er versuchte bei Ruth die Formulierung »Kannst du nicht mal ...« zu vermeiden, aber es rutschte ihm heraus, wann immer er sich über sie ärgerte, was in letzter Zeit immer häufiger vorkam.
Tränen traten in Ruths Augen. Sie hob die Suppenterrine hoch. »Ich gieß sie durchs Sieb«, sagte sie.
»Das ist eine gute Idee!« sagte Brenda. »Da kann nichts passieren.«
»Bring sofort die Suppe zurück«, rief Bobbo. »Sei nicht albern, Ruth. Das ist schließlich keine Katastrophe. Nichts weiter als drei Hundehaare. Fisch sie einfach raus.«
»Aber vielleicht sind sie vom Meerschweinchen«, sagte Ruth. »Es rannte vorhin über die Anrichte.« Das Meerschweinchen konnte sie von allen Haustieren der Kinder am wenigsten ausstehen. Seine Schultern waren krumm, und seine Augen lagen zu tief. Es erinnerte sie an sich selbst.
»Du bist müde«, sagte Bobbo. »Du mußt müde sein, sonst würdest du nicht solch einen Unsinn reden. Setz dich.«
»Laß sie doch die Suppe durchsieben, Lieber«, sagte Brenda, »wenn ihr das am Herzen liegt.«
Ruth kam bis zur Tür. Dann drehte sie sich um. »Es ist ihm egal, ob ich müde bin oder nicht«, sagte Ruth. »Er denkt gar nicht mehr an mich. Er denkt nur noch an Mary Fisher, wißt ihr, die Schriftstellerin. Sie ist seine Geliebte.«
Bobbo war entsetzt über diese Indiskretion, dieses unloyale Verhalten, gleichzeitig aber auch dankbar. Ruth konnte man nicht trauen. Schon immer hatte er das gewußt.
»Ruth«, sagte er, »es ist meinen Eltern gegenüber äußerst unfair, sie in unsere Familienprobleme zu verwickeln. Sie haben nichts damit zu tun. Hab ausnahmsweise mal Mitleid mit unbeteiligten Außenstehenden.«
»Aber ich hab damit was zu tun«, sagte Brenda. »Dein Vater hat sich niemals so benommen. Ich weiß gar nicht, von wem du das hast.«
»Sei so nett und respektiere meine Intimsphäre, Mutter«, sagte Bobbo. »Das ist das mindeste, was du nach der Kindheit, die ich hatte, tun kannst.«
»Und was hattest du für eine Kindheit?« wollte Brenda wissen und verfärbte sich rosa.
»Deine Mutter hat recht«, sagte Angus. »Ich denke, du solltest dich bei ihr entschuldigen. Aber was fair ist, muß fair bleiben, Brenda. Ich meine, du solltest es den jungen Leuten selbst überlassen, mit ihren Problemen fertig zu werden.«
»Vater«, sagte Bobbo, »es war genau diese Haltung von dir, die mir eine der schrecklichsten Kindheiten verschaffte, die ein Kind nur haben kann.«
Erst kürzlich hatte ihn Mary Fisher über die Ursachen, weshalb er so unglücklich war, aufgeklärt.
»Ich habe deine Mutter niemals unglücklich gemacht«, sagte Angus. »Du kannst über mich sagen, was du willst, aber ich habe einer Frau nie absichtlich weh getan.«
»Dann kann ich nur sagen«, erklärte Brenda, »daß du es zufällig getan hast.«
»Frauen bilden sich immer alle möglichen Sachen ein«, sagte Angus.
»Vor allem Ruth«, sagte Bobbo. »Mary Fisher ist eine meiner besten Klienten. Ich kann mich glücklich