Das Haus im Schatten. Paul Rosenhayn

Das Haus im Schatten - Paul Rosenhayn


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Sie etwas?“ flüsterte der Detektiv.

      „Nein!“

      „Betrachten Sie die Fenster der zweiten Etage!“

      Der Hausbesitzer sah angestrengt hinauf. Plötzlich stieß er einen Ruf der Überraschung aus. „Ich sehe Licht am Mittelfenster.“

      „Ist es das Treppenhaus?“

      „Ja!“

      „Also kommen Sie!“

      Der Detektiv packte seinen Klienten am Arm und zog ihn in das Dunkel des gegenüberliegenden Hauseinganges zurück. Der Hausbesitzer starrte hinüber und bemerkte einen Lichtschein, der nacheinander im ersten Stockwerk und im Parterre aufleuchtete. Auf einmal war alles dunkel. Ein knackendes Geräusch ließ ihn sich zur Seite wenden. Neben ihm stand Joe Jenkins, in der Hand den schußbereiten Revolver.

      Nach einer Weile ging langsam die Tür des gegenüberliegenden Hauses auf, und heraus trat ein alter Mann mit weißem Bart in gebückter Haltung. Er schaute aufmerksam nach links und rechts und wollte eben den Weg in der Richtung nach der Rue Montmartre einschlagen, als plötzlich ein Pfiff ertönte. Joe Jenkins hatte ihn ausgestoßen. Im gleichen Moment sprangen von rechts und links zwei Männer — es waren die Assistenten des Detektivs — auf den Mann zu und packten ihn am Arm.

      „Kommen Sie“, sagte Jenkins halblaut. „Es war die höchste Zeit.“

      Er lief mit einigen Sätzen über die Straße und fragte den Hausbesitzer, der ihm unmittelbar gefolgt war:

      „Erkennen Sie diesen Mann?“

      Der Angeredete sah den Weißbärtigen verwundert an und sagte dann:

      „Nein!“

      „Einen Augenblick.“ Der Detektiv drückte auf den Knopf seiner Taschenlaterne, leuchtete dem Manne ins Gesicht und riß ihm mit einem einzigen Ruck den Bart herunter.

      „Kennen Sie ihn jetzt?“

      Der Hausbesitzer stand einen Augenblick wie erstarrt. Er sah dem Mann ins Gesicht und sagte dann mit zitternder Stimme: „Ja, ich erkenne ihn. Es ist mein Mieter, Herr Granard.“

      „Guten Abend, Herr Michalowski“, ertönte in diesem Moment die Stimme des Detektivs. „Es tut mir leid, Sie so rücksichtslos stören zu müssen. Allein: es ist mein Beruf, wie Sie wissen. Dieser brave Herr, den Sie so elegant mit 38 000 Franken hereingelegt haben, hat mich beauftragt, seine Interessen zu vertreten. Und da konnte ich natürlich nichts anderes tun, als seinen Auftrag ausführen.“

      Der Angeredete sah dem Detektiv ins Gesicht, stieß einen Wutschrei aus und wollte in die Tasche fassen. „Hände hoch“, schrie Jenkins. Im gleichen Moment zog er seinen Revolver und legte ihn auf Herrn Granard an, der dem Befehl augenblicklich nachkam.

      „Sie müssen nämlich wissen,“ fuhr Jenkins fort, „daß Herr Michalowski und ich alte Bekannte sind. Wir haben uns dreimal getroffen: einmal vor sechs Jahren in Marseille, einmal vor zwei Jahren bei dem großen Prozeß in Pondicherry, und zum drittenmal heute in Paris. Ich war von vornherein überzeugt, es mit Herrn Michalowski zu tun zu haben. Es gibt nämlich keinen Menschen in Europa, der so geschickt wie er in seinem Fache ist. Nämlich, Herr Michalowski ist von Beruf Falschmünzer. Spezialität: Tausendfrankennoten. Sie haben wohl die Güte, Herr Michalowski, meinem Klienten, den Sie in so geschickter Weise betrogen haben, sein Eigentum zurückzugeben. Sie haben ihm 96 000 Franken ausgezahlt und haben dagegen 38 500 Franken erhalten. Das wäre soweit ganz schön, aber leider sind die 96 000 Franken falsch. Ja,“ fuhr er fort, zu dem Hausbesitzer gewendet, der zitternd daneben stand, „leider kann ich es Ihnen nicht verhehlen: das Geld, das Ihnen dieser Herr gegeben hat — dies Geld hat er selbst gemacht. Ebenso wie die 38 000 Franken, die in der Brieftasche steckten, die Sie gefunden haben und die zufällig den gleichen Betrag aufweisen, den Sie Herrn Granard für den Rückkauf Ihres Hauses bezahlt haben. Falsch waren auch die 25 000 Franken, die Herr Michalowski alias Granard der Teppichfirma Montholon frêres bezahlt hat.“

      Der Hausbesitzer blickte abwechselnd auf den Detektiv und auf seinen Mieter. „Aber wozu das alles?“ fragte er schließlich.

      „Wozu?“ antwortete Jenkins, „die Sache ist einfach genug. Es war diesem Herrn von vornherein nur darum zu tun, von Ihnen die 38 500 Franken in gutem Gelde zu erhalten. Daher der ganze Schwindel mit dem Hauskauf. Er traute sich mit seinen Tausendfrankennoten nicht so recht an die Öffentlichkeit, weil er wußte, daß man ihm auf der Spur war. Daher dieser Umweg mit dem Hauskauf. Dann: die Erwerbung der Teppiche. Herr Michalowski hat sie gekauft und mit fünfundzwanzig falschen Tausendfrankenscheinen bezahlt, offenbar in der Absicht, sie nach einiger Zeit der Teppichfirma zum Rückkauf wieder anzubieten. Inzwischen wird er vermutlich erfahren haben, daß man das gefälschte Geld erkannt hatte. Stimmt es, Herr Michalowski?“

      „Ja!“ sagte dieser kleinlaut.

      „Nun sehen Sie wohl. Also man hatte die Fälschung erkannt, und Herr Michalowski mochte fürchten, daß man ihm auf der Spur war. Daher überließ er Ihnen die Teppiche für ein paar hundert Franken. Auch aus sonstigen Gründen mag ihm der Boden hier zu heiß geworden sein. Er beabsichtigte deshalb, sich morgen früh auf Ihren Scheck 38 500 Franken zu holen und damit in die weite Welt zu gehen. Die Firma Montholon frêres würde wahrscheinlich in einigen Tagen den Verbleib ihrer Teppiche aufgefunden haben, und Sie hätten alsdann das Vergnügen gehabt, diese wieder herauszugeben.“

      „Es ist unglaublich“, murmelte der Hausbesitzer.

      „Leider muß ich Ihnen Ihre Kreise stören, Herr Michalowski“, fuhr Mr. Jenkins fort. „Sie haben wohl die Güte, den Scheck auf 38 500 Franken, den Ihnen dieser Herr gegeben hat, augenblicklich herauszugeben, falls Sie nicht auf der Stelle verhaftet werden wollen.“

      Der Falschmünzer murmelte ein paar unverständliche Worte, faßte dann in die Brusttasche und brachte ein zusammengefaltetes Stück Papier zum Vorschein, das er dem Detektiv übergab.

      „Ist dies Ihr Scheck?“ fragte dieser den Hausbesitzer.

      „Ja!“ antwortete der Gefragte.

      „Hier gebe ich Ihnen Ihr Eigentum zurück“, fuhr Mr. Jenkins fort. „Und nun zu Ihnen, Herr Michalowski. Ich denke, Sie haben einige Ursache, den kommenden Morgen nicht in Paris zu verleben. An der Ecke steht ein Auto. Meine beiden Assistenten werden sich ein Vergnügen daraus machen, Sie ohne Aufenthalt an die Gare du Nord zu begleiten. Dort wollen Sie freundlichst ein Billett lösen, das Sie auf direktem Wege nach Rußland befördert, woher Sie gekommen sind. Was Ihre Teppiche betrifft, so werden wir sie morgen der Firma Montholon frêres wieder zustellen. Und nun gute Nacht, Herr Michalowski. Es ist halb sech. Um sechs Uhr fünfzehn Minuten geht ein sehr guter Zug nach Deutschland, der direkten Anschluß an den Zug nach Leningrad hat. Meine Assistenten werden dafür sorgen, daß Sie diesen Zug noch rechtzeitig erreichen. Ich selbst werde die Ehre haben, Sie zum Auto zu führen.“

      Der Schlag des Autos flog krachend zu, und Jenkins wandte sich an seinen Klienten, der neben ihm stand und kein Wort hervorbrachte. „Ich denke, wir gehen ebenfalls schlafen“, meinte er. „Ich erwarte Sie morgen früh um zehn Uhr in meiner Wohnung, damit wir den kleinen Rest der Angelegenheit in Ruhe besprechen können.“

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