Wenn der Rechte kommt. Anny von Panhuys

Wenn der Rechte kommt - Anny von Panhuys


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      Anny von Panhuys

      Wenn der Rechte kommt

      Frauen-Roman

      Saga

      Wenn der Rechte kommt

      © 1951 Anny von Panhuys

      Alle Rechte der Ebookausgabe: © 2016 SAGA Egmont, an imprint of Lindhardt og Ringhof A/S Copenhagen

      All rights reserved

      ISBN: 9788711592311

      1. Ebook-Auflage, 2016

      Format: EPUB 3.0

      Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach Absprache mit Lindhardt und Ringhof und Autors nicht gestattet.

      SAGA Egmont www.saga-books.com – a part of Egmont, www.egmont.com

      I

      Brigitte Hellmer lehnte am Fenster und blickte mit umflorten Augen hinaus.

      Unschön und plump legte sich das aus feinem, schwarzem Tuch gearbeitete Trauerkleid um ihre schmale Gestalt, und das straff zurückgerissene blonde Haar ließ die Stirn eckig erscheinen. Wie seltene Juwelen leuchteten die großen grauen Augen aus dem sehr schmalen Gesicht, und die blassen Lippen waren fest zusammengepreßt, als müßten sie viele bittere Worte zurückhalten.

      Vor acht Monaten hatte man Brigitte Hellmers Vater zu Grabe getragen, und die reichste Erbin weit und breit sann sich unfroh und verdrossen in ihre Zukunft hinein.

      Sie war die Besitzerin des großen Hofgutes, dessen Wohnhaus dem Aussehen und dem Umfang eines Schlosses gleichkam.

      Fabian Hellmer war ein Bauer gewesen, ein harter, dickköpfiger Bauer. Sein Vater hatte einst Knechtsdienste auf dem Kreuzhof getan, doch seine kraftvolle, breite Gestalt gefiel der verwitweten Kreuzbäuerin, und sie machte ihn zum Herrn und Besitzer ihres Reichtums. Sein Sohn Fabian war ein rauher Mann gewesen. Ein zartes Stadtfrauchen, das er sich heimholte, starb bald unter seinen groben Händen, und ihr Kind, die schmale Brigitte, ward ein verschüchtertes Mädelchen, das kaum zu antworten wagte, wenn die polternde Stimme des Vaters sie um etwas befragte.

      Zwischen Vater und Tochter hatte stets ein Hauch von Fremdsein geschwebt. Fabian Hellmer hatte für seine einzige Tochter eine Erzieherin und später einen Hauslehrer besoldet, aber die Bildung, die Brigitte genoß, hatte sie nur noch empfindlicher gegen die Schroffheiten ihres Vaters gemacht.

      Aber die Testamentseröffnung hatte sie, die sich nun fast frei wähnte, von neuem in Fesseln gelegt. Zum Vormund ihrer zwanzig Jahre ernannte Fabian Hellmer seinen Vetter, den ehemaligen Schullehrer und späteren Häuseragenten Wendt. Er erhielt eine Wohnung auf dem Kreuzhof, dazu ein Monatsgeld, und sollte ein Drittel des Vermögens und ständigen Wohnsitz auf dem Hofe erhalten, falls Brigitte nicht drei Monate nach ihrer Mündigkeit verheiratet war.

      „Weibsvolk gehört früh unter Männerleitung!“ hieß es in dem Testament.

      Brigitte sann jetzt, wie schon so oft vorher, über den letzten Willen des Vaters nach. Ein Drittel ihres Vermögens hätte sie gern hergegeben an Karl Wendt und seine Frau; aber daß die beiden, wenn sie bis zu dem von ihrem Vater genannten Termin nicht heiraten würde, zeitlebens ihre Hausgenossen bleiben sollten, das verdroß sie und schuf ihr Stunden der Angst. Sie haßte den plumpen Onkel und die süßlich und falsch lächelnde Tante, sehnte den Tag herbei, an dem das Paar den Kreuzhof verlassen würde.

      Aber dazu war wenig Aussicht; in ihr fast nonnenhaft zurückgezogenes Leben war noch kein Mann getreten, der ihr Herz hätte lauter schlagen lassen. Sie war ja auch häßlich. Tante Matilde sagte es ihr oft, allzudeutlich.

      Brigitte starrte durch die Scheiben, ein Auto fuhr vor der kurzen Freitreppe an. Onkel und Tante waren im nahen Frankfurt gewesen. Gleich darauf öffnete sich die Tür.

      Die mollige Mathilde Wendt trat ein. „Hast ja noch kein Licht, Gitta, spinnst wohl wieder ein bißchen?“ Sie lachte. „Ich habe dir etwas Hübsches mitgebracht, einen schicken Mantel, er wird dir gut stehen, Kind.“

      Ihr Mann trat hinter ihr ein. „Mache Brigitte nicht eitel, Frauchen, mir gefällt an ihr besonders ihre Einfachheit, sie paßt zu ihrem stillen, zurückhaltenden Wesen.“

      Die mollige Frau schaltete das elektrische Licht ein. „Wollen auspacken!“ rief sie ihrem Manne zu, der, mit breitem, häßlichem Lächeln um die wulstigen Lippen, einen Pappkarton öffnete und ihm einen schwarzen Mantel entnahm. Die Frau hielt den Mantel hoch. „Bitte, mein Herz, probe gleich einmal an, ich bin sicher, du siehst famos in diesem Modellstück aus.“

      Brigitte unterdrückte einen Seufzer. Weshalb die Tante sich immer noch bemühte, sie hübsch anziehen zu wollen? Sie sah ja doch in allem unschön aus.

      Sie ließ sich in den Mantel helfen. „Ich mag solche Schulterkragen nicht“, sagte sie müde, „man sieht dick und unförmig darin aus.“

      Mathilde Wendt lachte wie über einen Scherz. „Unter uns können wir doch offen reden, Gitta. Du bist hundemager, und so ein Schulterkragen macht breiter, läßt deine Figur üppiger erscheinen.“ Ihre Stimme ward zum zärtlichen Flüstern. „Armes Mädelchen, du bist nun einmal ein häßliches graues Entlein, jetzt sei aber wenigstens klug und versuche so gut auszusehen, wie dir nur irgend möglich. Willst doch einmal heiraten wie alle jungen Mädchen, und wenn du dir ein bißchen Mühe gibst, gefällst du vielleicht einem ...“ Sie zuckte die Achseln. „Na, ja, reiche Mädchen bleiben überhaupt nicht sitzen.“

      Himmel, wie oft mußte sie aus dem Munde der Tante ähnliches hören. Sie erwiderte bitter: „Ich möchte nicht um meines Geldes willen geheiratet werden!“

      Die hellbraunen, etwas schräg liegenden Augen der Frau blinzelten. „Aber, Brigitte, rede doch nicht dergleichen, die Männer, die um des Geldes willen heiraten, sind die bravsten und abhängigsten.“

      „Lassen wir das Thema, Tante, ich jedenfalls möchte keinen Mann, der nur mein Geld heiratet.“

      „Dann wirst du damit rechnen müssen, ledig zu bleiben“, brummte Karl Wendt mehr laut als rücksichtsvoll.

      Seine Frau schalt: „Täppischer Bär, deine Wahrheitsliebe in Ehren, aber sie geht doch zu weit.“ Sie klopfte ihn auf die Schulter. „Dein Onkel ist ein guter Kerl und ein Ehrenmann, Gitta, aber er plappert alles heraus, was er denkt, und das ist unklug.“ Sie lächelte. „Ich besitze ja leider denselben Fehler, aber dir kann es nur angenehm sein, denn reiche Menschen bekommen so selten die Wahrheit zu hören. Bei uns beiden brauchst du wenigstens keine Hinterhältigkeiten zu wittern. So, meine liebe Gitta, und nun freue dich über den Herbstmantel, er kleidet dich großartig. Wenn wir ausgehen, ziehst du ihn an, sonst beleidigst du mich, die ich dir doch eine Freude machen wollte.“

      Brigitte nickte. „Ich weiß, ich weiß — und wenn dir daran liegt, werde ich den Mantel tragen. Bei einer unscheinbaren Motte, wie ich es bin, ist’s ja ganz gleich, was sie trägt.“

      Karl Wendt trat mit wuchtigem Schritt vor sie hin. „Es kann nicht lauter schöne Menschen auf der Welt geben, und wenn mal ein Mädchen nicht heiratet, schadet das auch nichts. Wir leben ja so nett und gemütlich zusammen, und wenn unser Fritz später heimkommt, aus Spanien, wird er dir ein Bruder und Freund werden.“

      Brigitte antwortete nicht. Sie hatte gar kein Verlangen nach der Rückkehr von Fritz Wendt, dem Sohn des Paares. Sie wußte nur, daß er als Junge brutal und selbstsüchtig, als junger Mann rücksichtslos und eingebildet gewesen. Seit einem Jahre reiste er für eine spanische Weinfirma in Spanien. Fritz Wendt als Hausgenosse im Kreuzhof reizte sie gar nicht.

      Frau Mathilde ging zur Tür. „Ich will mich heute um das Abendessen kümmern, die Wirtschafterin ist sehr nachlässig mit den Mahlzeiten. Es kommt fast gar nichts mehr auf den Tisch, was ich gern esse, trotzdem ich ihr doch meine Wünsche mitteile.“

      „Da teile mir deine Wünsche mit, Tante Matilde, damit ich sie unserer guten Marie übermittle, du weißt, sie hält sich immer nur an meine Anordnungen.“

      „Das


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