Der Dreißigjährige Krieg (Teil 1-3). Ricarda Huch

Der Dreißigjährige Krieg (Teil 1-3) - Ricarda Huch


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sitzen lassen und ihm selbst das Fleisch vorgeschnitten und den Wein eingeschenkt. Nächtelang habe der Herzog ihm zugesehen, wie er im Laboratorium gemischt und gekocht habe, ja einige behaupteten sogar, er habe ihn umarmt und Herzbruder genannt. Wie aber die Taler und das Gold haufenweise in den Taschen des Adepten verschwunden seien, in seiner Pfanne aber nichts geraten sei, habe ihn der Herzog in billiger Entrüstung am Galgen aufhängen lassen.

      Das habe der Betrüger denn wohl auch verdient, sagte der Fremde mit einem überlegenen Lächeln; ihm könne es so nicht gehen, denn er sei im Besitze des wahren Arkanums, er führe den echten Bräutigam in die Kammer, der die Braut nicht ungesegnet aus dem Feuerbett lassen werde.

      Ach, sagte der Apotheker, das werde ihm auch nicht helfen, an einem Bröcklein oder Häuflein Gold werde sich der Herzog niemals genügen lassen; so viel, wie der haben wolle, könne ein armer Adept gemeiniglich doch nicht produzieren, da müsse er schon mit dem Teufel im Bunde stehen. Er hatte kaum ausgesprochen, als einer vom Hofstaat des Herzogs in die Apotheke trat, ein höfliches Gespräch mit dem Fremden anknüpfte und ihn aufforderte, einige Experimente im Schlosse zu machen; der Herzog habe ein vortreffliches Laboratorium und wolle sich gern von einem erprobten Künstler unterweisen lassen. Es hatte nämlich einer von den Bediensteten der Hofküche, der gerade Einkäufe an Gewürzen und Leckereien in der Apotheke machte, die Neuigkeit von der Anwesenheit des Wundermannes in das Schloß getragen, worauf Herzog Friedrich Befehl gegeben hatte, ihn einzuladen und, koste es, was es wolle, zu ihm zu führen. Der Fremde erschrak ein wenig, wollte es aber nicht merken lassen und bestellte, sich gewaltig aufblasend, noch allerlei Tinkturen und Mineralien bei dem Apotheker, der ihm, während er alles zusammentrug, kläglich zuzwinkerte.

      Billigten die Theologen das Treiben ihres Herrn auch nicht, so dankten sie es ihm doch, daß er sie ungestört in ihrem Kreise walten ließ und nicht etwa wie andere Fürsten kalvinistische Umsturzgelüste hatte. Die Lutheraner hatten nach ihrer Meinung eine felsensichere Stütze in der Augsburgischen Konfession, als die von Kaiser und Reich verbürgt sei, und glaubten, es könne nur über die Kalviner hergehen, die kein Recht und keine Sicherheit erworben und auf nichts Schriftliches pochen könnten.

      Da fiel ein Ereignis vor, welches die Evangelischen in weitem Umkreis aufschreckte und auch den Bequemeren zu denken gab. Zunächst hatte es nicht viel zu bedeuten, daß in der evangelischen Reichsstadt Donauwörth, wo sich ein katholisches Kloster befand, eine Prozession wider das Herkommen außerhalb der Kirche mit fliegenden Fahnen umzog und von angriffslustigem Straßenvolke belästigt wurde; aber unversehens nahm die Sache ein ernsteres Aussehen, da die Katholischen sich klagend an den Kaiser wandten, der Stadtrat aber, von der trotzigen Bürgerschaft gedrängt, nicht nachgeben wollte. Hin und wider wurde vermittelt und beraten, aber keine Verständigung erzielt, worauf der Kaiser endlich über die hartnäckige Stadt die Acht verhängte und den Herzog von Bayern zum Vollstrecker derselben erklärte. Dieser eigenmächtige Akt rief allgemeine Entrüstung unter den Evangelischen hervor, und auch die Katholischen billigten ihn nicht alle, teils aus Eifersucht auf Bayern, teils weil die Berechtigung dazu augenscheinlich bestreitbar war. Am meisten regte sich der alte Herzog von Neuburg als der Nachbar von Donauwörth und Bayern auf; denn er zweifelte nicht daran, daß Maximilian bei dieser Gelegenheit sein Gebiet überziehen und überhaupt gegen alle Ketzer auf einmal ausholen würde. Er schickte Boten nach allen Seiten: nach Donauwörth, um ihm Hilfe zu versprechen und es zum Ausharren zu ermuntern, nach der Stadt Ulm und nach Württemberg, um auf freundnachbarliche und glaubensverwandte Unterstützung zu dringen, ja sogar nach Kurpfalz, um anzuklopfen, wessen man sich in der Not von dort zu gewärtigen habe.

      Auch dem Herzog von Bayern war nicht durchaus wohl zumute. Er hatte längst ein Auge auf die Stadt Donauwörth geworfen, an welche er alte Rechte haben wollte, und hatte deshalb die Gelegenheit, sich einzudrängen, gern ergriffen; aber er verhehlte sich nicht, daß er damit das Pfand noch nicht im eigenen Sacke hatte, und wenn er nach vollzogener Acht wieder abziehen mußte, so hatte er umsonst viele Kosten aufgewendet, die ihm weder die kleine Reichsstadt noch der in Schulden fast ertrinkende Kaiser ersetzen würde.

      Jocher, sein klügster und fleißigster Rat, mußte den Fall vom rechtlichen Gesichtspunkt untersuchen und kam zu dem Schlusse, daß kein Rechtstitel vorhanden sei, unter dem der Herzog Anspruch auf die Reichsstadt erheben könne; indessen ließen sich, wenn der Herzog wolle, schon Umwege zum Ziele finden, und einen solchen biete eben die Geldfrage. Er müsse nämlich die Rechnung über die aufgewendeten Kosten von vornherein so groß machen, daß der Kaiser in absehbarer Zeit nicht daran denken könnte, sie zu bezahlen, und also die Sache stillschweigend veralten und verjähren lassen müsse.

      Nun blieb freilich immer noch zu fürchten, daß die Stadt sich klüglich der Gnade des Kaisers unterwürfe, was beiden, der Stadt und dem Kaiser, das liebste gewesen wäre; aber dies unterblieb auf das Drängen einiger Heißsporne, die das Volk mit dem verheißenen Beistand der Glaubensgenossen vertrösteten. Der Herzog von Neuburg wollte sich hervorwagen, wenn die Stadt Ulm den Anfang machte; da sich diese aber auf Württemberg verließ, welches nicht geneigt war, sich einzumischen, so rührte sich keiner, und es blieb der verlassenen, vor der heranrückenden Macht des Herzogs heftig erschrockenen Stadt nichts übrig, als sich dem gestrengen Herrn zu unterwerfen. In seinem Gefolge waren mehrere Jesuiten, die den Auftrag hatten, die Bürgerschaft in der Weise zum katholischen Glauben zu bekehren, daß das gegebene Wort des Herzogs, gewaltsame Mittel sollten dazu nicht angewandt werden, dabei bestehen könne.

      Die evangelischen Fürsten ärgerten sich nicht wenig, daß die glaubenstreue Stadt so liederlich verlorengegangen war und daß der hochmütige und habgierige Bayernherzog eine so geschwinde und billige Beute hatte gewinnen können, und der Drang, das Geschehene in etwas gutzumachen und ähnliche Verstöße in Zukunft zu verhindern, befeuerte sie zu einer gewissen Einmütigkeit und Tatkraft. Von dem herzhaften Christian von Anhalt zusammengehalten und angespornt, brachten sie ein Bündnis zuwege, das sie Union nannten und das seinen eigentlichen Rückhalt, da sich im Reiche genügende Kraft nun einmal nicht aufbringen ließ, in einem heimlichen Freunde, dem Könige von Frankreich, Heinrich IV., finden sollte. Hessen-Kassel und Kurbrandenburg wurden im folgenden Jahre für die Union gewonnen, Kursachsen hingegen, obwohl die eigentliche Vormacht der Evangelischen, ebenso Herzog Heinrich Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel blieben mißbilligend abseits.

      *

      Einer von den Söhnen Kaiser Rudolfs, Don Giulio d'Austria, war durch die Ordnungslosigkeit seiner Lebensführung so anstößig geworden, daß der Vater ihn nach der Herrschaft Krumau entfernt hatte, wo er weniger bemerkt wurde und wo die Einwohnerschaft sehen mußte, mit ihm auszukommen. Das zügellose Benehmen des jungen Bastards erschöpfte jedoch endlich ihre Geduld; er verfolgte Mädchen und Frauen auf der Straße und bis in die Häuser und behandelte die Männer, die es ihm wehren wollten, als rebellischen Pöbel, den er zu strafen wissen werde. Daraufhin wurde er vom Kaiser wohl einmal zur Ordnung gewiesen, ohne daß jedoch etwas Wesentliches geändert wurde. Nun lernte Don Giulio bei einem Tanz, wo er sich eingedrängt hatte, die Tochter eines Barbiers kennen, ein scheues, mehr liebreizendes als schönes Mädchen, in die er sich verliebte und die er so an sich zu ziehen wußte, daß sie ihre Eltern verließ, um als seine Geliebte bei ihm zu wohnen. Seine nicht unedle Erscheinung, sein leidenschaftliches und zugleich hochfahrendes Wesen machten sie so sehr zu seiner Sklavin, daß sie sich selig pries, den Staub von seinen Füßen küssen zu dürfen, und daß eine Liebkosung von seiner Hand ihr fast die Besinnung raubte. Alle Versuche der Eltern, ihr Kind zurückzuholen, waren vergeblich; er jagte sie fort mit dem Bedeuten, es sei ihr freier Wille, ihm in seinem Hause als Magd zu dienen.

      In einer Nacht jedoch kam das Mädchen schwerverwundet vor die Tür ihres Elternhauses und ließ sich jammernd in ihr verlassenes Bett tragen; den Prinzen hatte, als sie in seinen Armen lag, plötzlich eine Raserei ergriffen, so daß er sie würgte, sie in die Brust biß und sie ermordet hätte, wenn auf ihr Schreien nicht ein Diener gekommen wäre und ihr die Flucht ermöglicht hätte. Wider Erwarten genas das Mädchen unter der Pflege der Eltern, die es nun ängstlich im Hause hüteten. Trotzdem gelang es Don Giulio, ihr Briefe zuzustecken und auch selbst einzudringen; allein der Vater warf ihn hinaus und rief, um sein Kind vor ferneren Nachstellungen zu sichern, den Schutz des Statthalters von Krumau an. Dieser verwünschte im Herzen den unbequemen Bastard, gab aber doch seinem herrischen Drängen und Drohen nach und ließ es zu, daß der


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