Der Dreißigjährige Krieg (Teil 1-3). Ricarda Huch

Der Dreißigjährige Krieg (Teil 1-3) - Ricarda Huch


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die an der Mauer wuchsen, banden sie zusammen und setzten den Kranz auf seinen blonden Kopf; sein schon erhitztes Gesicht wurde noch dunkler rot, er umfaßte die Mädchen, küßte sie, zog sie auf seine Knie und erwiderte das Zutrinken der übrigen. Wallenstein setzte sein Glas an die Lippen, dann stand er auf und entfernte sich, indem er sich mit der Hitze entschuldigte. Es sei gut, daß er gegangen sei, sagte Dampierre aufatmend; seine Gegenwart lasse keine rechte Fröhlichkeit aufkommen. »Er hat etwas an sich, das mir nicht gefällt«, sagte Trauttmansdorff; »wenn er ein Kavalier ist, so hat er gewiß den Bocksfuß im Wappen.«

      Drei Tage später wurde Trauttmansdorff, als er die Wälle besuchte und sich dabei zu sehr aussetzte, von einer Granate getroffen und starb einige Stunden später. Auch der venezianische Feldherr Giustiniani fiel in diesem Kriege, der auf beiden Seiten mit großer Tapferkeit, aber ohne entscheidende Ergebnisse, fast wie ein glänzendes Turnier geführt wurde. Nach wechselndem Kriegsglück kam im Herbst 1617 der Friede dadurch zustande, daß auf Khlesls Betreiben der Kaiser der Republik Venedig günstige Bedingungen zugestand, anstatt Ferdinands Interessen, wie dieser gewünscht hätte, bis zum äußersten zu vertreten.

      *

      Von Gradisca aus fuhr Wallenstein eines Tages über die friaulische Ebene nach Venedig und Padua, um den alten Professor Argoli zu besuchen, von dem er sich als Jüngling in der Astrologie hatte unterrichten lassen. In einem von außen düster aussehenden Hause bewohnte Argoli hohe, luftige Gemächer, von denen aus man auf einen von Bäumen eingefaßten Platz und jenseit desselben auf die aus Gebüschen anschwellende gekuppelte Masse des Domes von San Antonio sah. Auf dem Platze war stets ein lebhafter Verkehr, sei es, daß an Markttagen die Landleute hier zusammenkamen oder daß, im Winter, die reichen Venezianer, die in Padua Paläste besaßen, in Karossen oder Sänften oder auch zu Pferde hier spazierten. Argoli brachte einen großen Teil des Tages damit zu, den Leuten zuzusehen und sich über sie zu belustigen, indem er sie mit dem Gewimmel von Maden auf einem faulen Käse verglich, die übereingekommen wären, sich und ihren Wohnort für etwas Wichtiges und Dauerhaftes auszugeben.

      Aus Wallensteins stattlichem Aufzuge reimte er sich sofort seine veränderten Glücksumstände zusammen, ließ aber davon nichts merken, sondern plauderte von diesem und jenem und führte dem Gaste seinen Hund und seine Katze vor, die zwei bequem ausgefütterte Körbe in seinem Arbeitszimmer bewohnten. Er erzählte, daß die Katze, die ein Junges hatte, mit dem Hunde in einer Art von Ehe lebte, insofern sie ihn als Vater des Kindes angenommen habe und er sich als solcher rücksichtsvoll und fürsorglich betrage; er nenne die drei deshalb die Heilige Familie, den Hund San Giuseppe, die Katze Madonna und das neugeborene Kätzlein sei das Bambino. Wallenstein lächelte über den spaßhaften Einfall; aber an Tieren fand er keinen Geschmack und konnte sich nicht überwinden, ihnen Aufmerksamkeit zu widmen. Dann zeigte Argoli ihm sein Theater, nämlich das große Rondell unter dem Fenster, wo eben ein geräuschvoller Zusammenlauf war, weil eine Karosse vor der anderen den Vortritt verlangte, den jene weigerte. »Diese armen Würmlein,« sagte Argoli, »eine dünne Schicht Schimmel auf einem Knäuel von Verwesung, beißen sich bis aufs Blut, weil einer etwas schneller kriechen kann als der andere oder ein Pfund Kot mehr im Leibe hat als der andere«, und lachte dabei so, daß ihm Tränen in die Augen traten. Wallenstein betrachtete ihn ein wenig befremdet, worauf er abbrach und von der Astrologie zu sprechen anfing und allerlei Erfolgen, die er gehabt habe; wie er erzählte, daß er den Tod des Kaisers Rudolf richtig prophezeit habe und daß es ihm hernach von Neidern abgestritten sei, ereiferte er sich mehr und mehr, und seine kleinen Augen funkelten böse. Er habe Glauben an ihn, sagte Wallenstein, denn seine ihn betreffenden Prophezeiungen seien eingetroffen: er habe sich vermählt und sei reich, auch einigen Kriegsruhm habe er schon erworben. Das sei nur der Anfang, rief Argoli lebhaft aus, er habe ja noch bei weitem das größere Stück Weges zu durchlaufen. Es sei jetzt gerade sieben Jahre her, daß er ihm das Horoskop gestellt habe, jetzt sei der rechte Zeitpunkt, die Sterne wieder zu beobachten. Wallenstein bat ihn, es bald zu tun, da er des Krieges wegen nicht lange von seinem Regiment abwesend sein könne; der Professor könne darauf rechnen, daß er, Wallenstein, sich erkenntlich zeigen werde. Das wisse er, sagte Argoli, daß der Herr großmütig sei. Er wolle noch in dieser Nacht ein Bild des Himmels aufnehmen, die Nächte seien ohnehin jetzt klar und wiesen bedeutende Konstellationen auf. Auch dabei zu sein, erlaubte er Wallenstein auf seinen Wunsch und empfing ihn am Abend auf der Zinne des Hauses, wo er ein feines Essen hatte auftischen lassen. Während desselben plauderten sie über die Politik des Papstes und Venedigs, und Argoli sagte, die päpstliche Herrschaft sei im Augenblick zwar etwas wacklig geworden, werde sich aber wieder befestigen und einen neuen Aufschwung nehmen, bis sie zuletzt den ganzen Erdkreis umspannen werde.

      Ob nicht ein Gewitter im Anzuge sei? fragte Wallenstein, nach dem dunstigen Horizont blickend. Nein, sagte Argoli, noch acht Tage, solange Jupiter den Himmel beherrsche, werde die Atmosphäre den entzündlichen Stoff einsaugen und vertilgen; hernach, wenn sie überladen sei, werde es mit furchtbarer Gewalt ausbrechen. Es mochte in entfernten Regionen ein starker Wind lebendig sein; denn während die Wipfel der Platanen um den Platz herum unbeweglich schwebten, eilte dunkles Gewölk unstet durch den blauen Himmel. Etwa um die zehnte Stunde traten die Sterne hervor, und bald darauf zeigte Argoli seinem Schüler die aufblitzende Krone des Jupiter. »Seht,« sagte er, »Wolken und Sterne ducken sich vor dem glücklichen Licht, wie wenn ein König unter sie getreten wäre.« Wallenstein, welcher wußte, daß dieser Planet seine Geburtsstunde beherrscht hatte, betrachtete ihn aufmerksam, der mit dem Feuer des weißen Saphirs, wie eine Ewige Lampe in der marmornen Rotunde eines Domes, den Raum durchglänzte. So blieb es jedoch nur kurze Zeit, dann sammelten sich die Wolken, die die Festung des Lichtes vergeblich berannt und sich zerstreut hatten, in dichteren Haufen und schwollen langsam über den Westen, das Strahlenreich fast ganz mit Finsternis bedeckend. »Das Glück begünstigt nur meinen Anfang«, sagte Wallenstein; »oder ist es der Tod, der meine Laufbahn früh abschneidet?« Argoli antwortete nicht, sondern blickte in tiefen Gedanken auf das stetig sich verändernde Bild des beweglichen Himmels. Sich nach Norden wendend, sah er, daß dicht über dem Horizont eine graue Dunstmauer sich gebildet hatte, in der es wetterleuchtete; es sah aus, als stieße eine Schlange ihre lechzende Zunge über das Ufer eines Meeres. »Ihr werdet hoch steigen, hoch, hoch«, sagte Argoli sinnend; »aber das Ende wird vor der Zeit kommen. Es ist eine jähe Bahn. Die Kraft, die der Seele mitgeteilt wurde, verteilt sich nicht gelassen über das Dasein, sondern verdichtet und staut sich und erwirkt mit hitzigem Regiment hitziges Widerstreben; wie sie das Leben verschlingt, so wird das Leben sie verschlingen.« Er blickte forschend in das schmale, gelblichblasse Gesicht des ihm gegenübersitzenden Mannes, dessen in schön gewölbtem Hohl sich verbergende graue Augen mit vorsichtig zurückgehaltener Gier auf ihm ruhten. »Daß ich sterblich bin, weiß ich«, sagte Wallenstein; »habt keine Scheu, mir mitzuteilen, was Ihr wißt, wenn der Bescheid auch bitter ist.« Noch wisse er gar nichts, entschuldigte sich Argoli eifrig, er müsse nun Messungen und Berechnungen anstellen, aus denen er das Ergebnis ziehen werde; am nächsten oder darauffolgenden Tage sei er bereit, Wallenstein ausführliche Auskunft zu geben.

      Als Wallenstein am nächsten Tag um die Mittagszeit sich bei Argoli einfand, zierte die Mitte der Tafel ein ausgestopfter Adler, in dessen offenem Schnabel eine Zitrone befestigt war. Es hätte, sagte Argoli, mit listigem Blick lächelnd, eine Orange sein sollen, doch sei ja, wie Wallenstein wohl wisse, diese Frucht eben nicht zeitig; so habe er denn die längliche Zitrone als ungenügendes Symbol des Erdballs benützen müssen. »Das soll nicht bedeuten,« fuhr er fort, »daß ich Euch als Cäsar grüße; denn des Wortes ›Kaiser‹ will ich mich nicht bedienen, um selbst zwischen uns beiden nichts auszusprechen, was wie ein Angriff auf die heilige Majestät klänge.« Aber wenn auch nicht Kaiser, werde er doch dem Kaiser gleich sein. Triumph blitzte aus Wallensteins dunklem Gesicht, und er wurde immer aufgeräumter, je mitteilsamer Argoli unter dem Essen sich zeigte. Vom Osten komme ihm Ruhm und Ehre, sagte Argoli unter anderm, dort werde der Schauplatz seiner Siege sein. Er werde den Thron des Sultans umstürzen und das alte Reich von Byzanz erneuern. Ob er nicht bemerkt habe, wie der dünne Halbmond gestern nacht beim Aufstieg des Jupiters am östlichen Himmel wie ein fadenscheiniger Leinenfetzen verschwunden sei? Mars sei ihm günstig, nur zuletzt werde etwas kommen, das mächtiger als der Gott der Schlachten sei. Diese Gefahr drohe vom Norden, und vor dem Norden solle er auf der Hut sein; von dorther komme sein Überwinder. Aber das schlummere in ferner Zukunft; noch sei der Kelch seines Glückes nicht


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