Gesammelte Werke von Guy de Maupassant. Guy de Maupassant

Gesammelte Werke von Guy de Maupassant - Guy de Maupassant


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die Achseln mit unendlicher Verachtung und antwortete dann bestimmt:

      – Herr von Marelle denkt darüber überhaupt nicht. Er kennt nur, nur …. Entsagung.

      Und das Gespräch sank von höheren Gesichtspunkten über die Liebe nun in den Blumengarten kleiner Zötchen.

      Jetzt wurden geschickt kleine Zweideutigkeiten angebracht und durch Worte Dinge entschleiert, wie man ein Kleid etwas lüftet. Nun begannen Wortspiele und hübsch eingekleidete Dreistigkeiten, allerhand Unkeuschheiten, und mit versteckten Anspielungen wurden die unerhörtesten Dinge gesagt, die vor Augen und Geist plötzlich die Vorstellung von dem erwecken, was man nicht sagen kann, und den Leuten der Gesellschaft eine Art verfeinerter, geheimnisvoller Zärtlichkeit gestatten, den Austausch schmutziger Gedanken durch die gleichzeitige Erzeugung des aufregenden sinnlichen Bildes des Geschlechtsverkehrs und all der heimlichen, unanständigen Dinge, die mit dem Wunsch der körperlichen Vereinigung verknüpft sind.

      Man hatte den Braten gebracht, Rebhühner mit Wachteln garniert, dann Erbsen, darauf Gänseleberpastete mit einem Salat kleiner gezackter Blätterchen, die wie grünes Moos eine große Salatschüssel, einer Waschschale gleich, füllten.

      Sie hatten von allem gegessen, ohne eigentlich etwas davon zu schmecken, ohne es zu merken und nur mit dem beschäftigt, worüber sie sprachen, wie in ein Bad von Liebe getaucht.

      Die beiden Frauen fingen nun an, noch stärkere Dinge zu sagen. Frau von Marelle mit natürlichem Wagemut, der beinahe wie eine Herausforderung klang, Frau Forestier mit reizender Zurückhaltung, einer Scham in Ton, Stimme, Lächeln, in der ganzen Haltung, die doppelt unterstrich, während sie doch die gewagten Dinge, die sie sagte, abzuschwächen schien.

      Forestier wälzte sich auf den Kissen, lachte, trank, aß ununterbrochen und warf ab und zu eine so unglaubliche Redensart dazwischen, daß die Frauen doch ein wenig verletzt waren durch die Form, und der Form wegen auf ein paar Augenblicke eine genierte Miene annahmen. Als er ein paar zu grobe Späße losgelassen, fügte er selbst hinzu:

      – Kinder, Kinder, wenn’s so fort geht, macht ihr noch Dummheiten!

      Das Dessert kam, dann der Kaffee. Der Likör brachte in die erregten Geister eine schwerere und schwülere Trunkenheit. Frau von Marelle war, wie sie es schon vorausgesagt, als sie sich zu Tisch setzten, ein bißchen angeheitert: und mit der lustigen, schwatzhaften Liebenswürdigkeit einer Frau, die, um ihre Gäste zu erheitern, einen ganz kleinen Schwips übertreibt, gestand sie es auch ein.

      Frau Forestier schwieg jetzt, vielleicht aus Vorsicht, und Duroy, der zuviel getrunken hatte, blieb, um sich nicht zu kompromittieren, in geschickter Reserve.

      Zigaretten wurden angesteckt, doch plötzlich fing Forestier an zu husten.

      Er bekam einen schrecklichen Anfall, der ihm die Brust zerriß, und mit rotem Gesicht, Schweiß auf der Stirn, hielt er sich die Serviette vor. Als der Anfall vorübergegangen war, rief er wütend:

      – Ich kann nun mal solche Sachen nicht vertragen! Es ist zu dumm!

      Seine gute Laune war verschwunden bei dem Schreck über seine Krankheit, der alle seine Gedanken beherrschte.

      – Wir wollen gehen, sagte er.

      Frau von Marelle klingelte dem Kellner und verlangte die Rechnung. Sie bekam sie fast augenblicklich. Sie versuchte sie zu lesen, aber die Zahlen tanzten vor ihren Augen, und sie gab das Papier an Duroy:

      – Da bitte, bezahlen Sie für mich, ich kann nichts mehr sehen, ich habe einen zu großen Schwips.

      Zu gleicher Zeit schob sie ihm ihr Portemonnaie in die Hand.

      Die Rechnung betrug im ganzen einhundertdreißig Franken. Duroy prüfte sie, fand, daß sie stimmte, gab zwei Kassenscheine, nahm das Geld, das er herausbekam, und fragte halblaut:

      – Wieviel Trinkgeld?

      – Ach, was Sie wollen, ich weiß nicht!

      Er legte fünf Franken auf den Teller und reichte dann der jungen Frau das Portemonnaie zurück mit den Worten:

      – Soll ich Sie bis an Ihr Haus begleiten?

      – Natürlich. Ich finde mich absolut nicht mehr nach Haus.

      Sie drückten Forestiers die Hand, und Duroy war allein mit Frau von Marelle in einer Droschke, die die Straße hinabrollte.

      Er fühlte sie an seiner Seite so nahe, eingeschlossen mit ihr in diesem dunklen Kasten, den ab und zu während einer Sekunde die Gasflammen vom Trottoir her erleuchteten. Durch den Ärmel hindurch empfand er die Wärme ihrer Schulter. Er wußte nichts, aber auch gar nichts zu sagen, denn sein Geist war wie gelähmt von dem Wunsch, sie in die Arme zu schließen.

      Er dachte: wenn ich´s nun riskierte, was würde sie wohl thun? Und der Gedanke an all die Zweideutigkeiten, die sie während des Essens gesagt, gab ihm Mut, aber zu gleicher Zeit hielt ihn die Furcht vor einem Skandal zurück.

      Auch sie sprach nicht und lehnte unbeweglich in der Ecke. Er hätte denken können, daß sie schliefe, wenn er nicht jedesmal, wenn ein Lichtstrahl in den Wagen siel, ihre Augen hätte leuchten sehen.

      Was dachte sie? Er fühlte wohl, daß er nicht sprechen durfte. Ein Wort, ein einziges Wort, das die Stille unterbrach, konnte alle seine Aussichten zerstören. Aber der Mut fehlte ihm, der Mut zur That.

      Plötzlich fühlte er ihren Fuß sich bewegen. Sie hatte eine kurze, nervöse Bewegung ungeduldig oder herausfordernd gemacht, und bei der fast unfühlbaren Berührung lief ihm von Kopf bis zu Füßen ein Schauer über die Haut. Da plötzlich drehte er sich herum, warf sich über sie und suchte mit dem Munde ihre Lippen und ihren bloßen Körper mit der Hand.

      Sie schrie nur ganz schwach, wollte sich aufrichten, sich wehren, ihn zurückstoßen, dann gab sie nach, als ob ihr die Kraft gefehlt, länger zu widerstreben.

      Aber der Wagen hielt bald vor ihrem Hause, und Duroy konnte in seiner Überraschung nicht gleich Worte der Leidenschaft finden, um ihr seine dankbare Liebe auszudrücken. Aber sie erhob sich nicht, bewegte sich nicht, sie war ganz verstört durch das, was geschehen. Da fürchtete er, der Kutscher möchte Verdacht schöpfen und stieg zuerst aus, um der jungen Frau die Hand zu reichen. Endlich kletterte auch sie stolpernd, ohne ein Wort zu sprechen, aus der Droschke. Er klingelte, und da sich die Tür öffnete, fragte er zitternd:

      – Wann werde ich Sie wiedersehen?

      Sie murmelte so leise, daß er es kaum verstand:

      Kommen Sie morgen zu mir zum Frühstück.

      Sie verschwand im Dunkel des Flurs; hinter ihr fiel der schwere Thürflügel mit lautem Krach ins Schloß.

      Er gab dem Kutscher fünf Franken und ging seines Weges, schnell und triumphierend, unsägliche Wonne im Herzen.

      Endlich hatte er eine erwischt, eine verheiratete Frau, eine Dame der Gesellschaft, der wirklichen, der Pariser Gesellschaft. Wie das leicht und plötzlich gegangen war!

      Er hatte sich bis dahin eingebildet, daß, um sich einem der so begehrten Geschöpfe zu nähern und es zu gewinnen, lange Mühe, unendliche Geduld, eine geschickte Belagerung mit allerhand Artigkeiten, Liebesworten, Seufzern und Geschenken nötig sei. Und nun ergab sich ihm plötzlich beim ersten Angriff die erste, der er begegnet, so schnell, daß er ganz paff war.

      Sie war betrunken, dachte er, morgen wird’s ganz anders klingen, morgen wird sie wohl heulen. Dieser Gedanke beunruhigte ihn etwas. Aber dann sagte er: na meinetwegen, jetzt habe ich sie nun mal und lasse sie nicht, wieder los.

      Und in den verrückten Phantasien, die seine Hoffnungen annahmen, seine Träume von Größe, Erfolg, Berühmtheit, Glück und Liebe, sah er plötzlich, etwa so wie ganze Reihen von Tänzerinnen, in der Theaterapotheose, eine ganze Prozession von eleganten, einflußreichen Frauen vor sich, die lächelnd vorübergingen, um eine nach der andern in den goldenen Wolken seiner Träume zu verschwinden.

      Als er am nächsten Tag die Treppe zu Frau von Marelle hinaufging, war er etwas erregt. Wie würde sie ihn empfangen? Und wenn


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