Ich bin Matteo Salvini. Chiara Giannini
Chiara Giannini / Matteo Salvini:
ICH BIN
MATTEO SALVINI
DER ITALIENISCHE STAATSMANN
IM GESPRÄCH MIT CHIARA GIANNINI
Aus dem Italienischen
von Wulf D. Wagner und
John Hoewer
Mit einem Nachwort von Eberhard Straub
Impressum
Titel der Originalausgabe: Io sono Matteo Salvini
© 2019 bei Chiara Giannini
Altaforte Edizioni, Cernusco Sul Naviglio
Alle Reche vorbehalten
Redaktion der deutschen Ausgabe:
Michael Rieger, Stefan Flach
Politische Bühne. Originalton
© Manuscriptum Verlagsbuchhandlung Thomas Hoof,
Lüdinghausen und Berlin 2019
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt.
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ISBN 978-3-948075-02-6
eISBN 978-3-948075-87-3
INHALT
Vorwort von Maurizio Belpietro
Was von der Europawahl zu erwarten ist
Was denken die Leute über Salvini?
Das Primat des Konkreten. Nachwort von Eberhard Straub
Es war der 17. Juni des Jahres 2014, ich war noch Herausgeber der Tageszeitung Libero.1 Mein Leitartikel auf der Titelseite an diesem Tage trug die folgende Überschrift: »Und wenn Salvini der neue Kopf des Centrodestra2 wäre?« Matteo Renzi war seinerzeit noch Ministerpräsident. Der heutige »einfache Senator« von Scandicci3 ritt damals auf einer regelrechten Erfolgswelle und hielt sich für unsinkbar. Doch zu seiner Rechten war irgendwie etwas in Bewegung geraten, selbst wenn die Situation der Mitte-RechtsParteien noch alles andere als rosig war. Ihre Ergebnisse bei der Europawahl 2014 waren trotz aller Bemühungen Silvio Berlusconis nicht gerade ein Erfolg. Forza Italia mußte Stimmeinbußen hinnehmen und auch die anderen Parteien des rechten Lagers hatten nicht besser abgeschnitten. Viele stellten Grundsatzfragen nach der Zukunft des Centrodestra, man organisierte Umfragen und führte Feldversuche durch, um sich ein Bild davon zu machen, wer die Moral, ja das Schicksal eines ganzen politischen Lagers wiederaufrichten könne. Ich selbst hielt es für müßig, mir über diese Frage allzu sehr den Kopf zu zerbrechen und schrieb an jenem Tag: »Vielleicht muß man gar nicht lange suchen, um doch den Namen eines Gewinners zu finden. Der einzige Vertreter des Centrodestra, der keine Stimmeinbußen hinnehmen mußte, der trotz der schlimmsten Wahlprognosen sogar zulegen konnte, das ist der andere Matteo – nämlich Salvini.«
Fünf Jahre zuvor, nach dem Skandal um die Diamanten und die in Tansania investierten Gelder durch Trota und die Piranhas, die um die Via Bellerio herumschwammen4, hätte niemand auch nur einen Euro auf die Zukunft der Lega gesetzt. »Il Carroccio«5 schien zusammen mit seinem Gründer am Anfang eines langsamen Untergangs zu stehen, der auch durch die Rettungsversuche eines Roberto Maroni6 nicht mehr aufhaltbar erschien.
Und da, im Moment der größten Schwierigkeit, kommt der ehemalige Mailänder Stadtrat daher, ein Bursche von vierzig Jahren, von denen er zwanzig in der Lega verbracht hat. Matteo Salvini, der nie um ein flottes Wort verlegen ist und wegen seiner Sentenzen, besonders wenn sie das Thema Ausländer betreffen, stets im Sperrfeuer wilder Empörung steht. Als neuer Vorsitzender der Partei, die sich den in ihrem Wappen verewigten Ritter Alberto da Giussano als Inspiration wählte, wußte er, was zu tun war, damit die Lega ihr Schwert mit neuer Kraft gen Himmel zu strecken vermochte. Hinfort also mit »Padanien«7 und den keltischen Riten, hinfort mit dem Sezessionsgedanken und all dem anderen Brimborium, das Umberto Bossi gegen die Regierungen der Ersten und der Zweiten Republik ins Feld geführt hatte. Hinfort mit der Polemik gegen den »parasitären Süden«, der dem italienischen Norden nur auf der Tasche läge. Sicher, der Kampf gegen die Zuwanderung blieb als zentrales Thema erhalten, aber der neue Feind hieß nun Europa.8
Von der »Diebin Rom« ging man über zum Feindbild »Moloch Brüssel« und hatte das Bestreben, aus der Lega eine Art italienischen Front National zu machen. Matteo Salvini verbannte die allzu extremistischen Themen auf den Dachboden, um sich als Vorsitzender einer Partei darzustellen, die in der Lage sein würde, sowohl den Euro wie auch die sogenannte Fornero-Reform9 zu attackieren, und außerdem nicht mehr bloß Stimmen im Kernland Venetiens, einer Lega-Hochburg, holen wollte, sondern auch in Kampanien und auf Sizilien.
Mein Leitartikel von 2014 schloß wie folgt: »Und wenn dies der neue Führer des Centrodestra sein wird? Wir werden es bald erfahren.« Und tatsächlich, bald schon sollte es Gewißheit werden. Salvini führte die Lega zu Erfolgen, die alle Erwartungen übertrafen, und erfreut sich heute einer enormen Zustimmung. Es gibt praktisch keine politische Debatte, die sich nicht um seine Person dreht. So ist es auch kein Zufall, daß der Innenminister und Vizepremier den wütenden Haß fast der gesamten italienischen Linken auf sich zieht, für die er nun zum Feind Nummer 1 geworden ist, eine Rolle, die einst mit Silvio Berlusconi besetzt war.
Als der cavaliere noch an der Regierung war, verging kein Tag, ohne daß von links nicht irgendein bekannter Kommentator die bevorstehende Diktatur oder wenigstens die Gefährdung der Demokratie ins Spiel brachte. Heute nun ist es nicht mehr der Vorsitzende der Forza Italia, den man als ärgste Bedrohung für Freiheit und Demokratie ausmacht – sondern der der Lega.
Es ist kein Zufall, daß die von Intoleranz und Haß motivierten Angriffe auf die Lega im Laufe der letzten Monate ernorm zugenommen haben. Das Innenministerium hat sogar in einem umfangreichen Dossier alle Angriffe auf Angehörige und Büros der