Der neue Landdoktor Staffel 8 – Arztroman. Tessa Hofreiter

Der neue Landdoktor Staffel 8 – Arztroman - Tessa Hofreiter


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      Inhalt

       Ingvar unter Verdacht

       Die feindlichen Brüder

       Sie konnte sich nicht erinnern

       Komm aus deinem Schneckenhaus!

       Warum diese Missgunst?

       Im freien Fall

       Inkognito verliebt

       Flaschenpost

       Es war eine Fehldiagnose

       Warum hast du gelogen?

Der neue Landdoktor – Staffel 8 –
Cover Ingvar unter Verdacht

      Ingvar war bei Sonnenaufgang aufgebrochen und schon einige Stunden im Bergmoosbacher Forst unterwegs. Der junge Naturforscher, der im Nachbarort Mainingberg zu Hause war, untersuchte im Rahmen eines Forschungsprogrammes die Pilzvorkommen im Allgäu. Seit zwei Monaten streifte er durch die Wälder der Umgebung und sammelte Pilze, die er auf ihre Beschaffenheit hin untersuchte. Um das Verständnis für den Wald und die sensible Natur zu festigen, filmte er seine Ausflüge mit der Handykamera und stellte die Filme auf seine Internetseite.

      Auch an diesem Morgen hatte er bereits einige Pilze gesammelt, essbare und nicht essbare. Er wollte sich gerade auf den Heimweg machen, als er in einer Kurve des Waldweges noch einige besonders schöne Exemplare des Edel-Reizkers entdeckte. Der Pilz mit seinem ockerfarbenen reliefartigen Hut kam eher selten vor. Er stellte den Korb mit den Pilzen am Wegesrand ab, um einige Edel-Reizker seiner Sammlung hinzuzufügen.

      Bevor er wieder auf den Weg zurückging, setzte er seinen Rucksack ab, holte sein Handy heraus und filmte auch diese Fundstelle. Wie schon an den beiden Tagen zuvor würde er auch diesen Film und die anderen von diesem Morgen auf seine Internetseite stellen, sobald er zu Hause war.

      Als er wieder unter den Bäumen hervortrat, war er in Gedanken schon bei der Auswertung seines Filmmaterials. Erschrocken blieb er stehen, als er plötzlich den Motor eines Lastwagens hörte. Gleich darauf bog der Wagen um die Ecke. Er nahm mit seiner Breite den ganzen Weg ein, und die Holzstämme auf seinem Anhänger schaukelten wild hin und her. Sie waren viel zu hoch gestapelt und hatten kaum Halt. Ingvar trat sofort ein paar Schritte zurück, konnte aber das Unglück nicht mehr verhindern. Einer der Baumstämme auf dem Anhänger hatte sich gelöst, rutschte von der Ladefläche herunter und traf ihn an den Beinen. Er stürzte rückwärts zu Boden. Sein Rucksack, den er gerade wieder hatte aufsetzen wollen, flog in hohem Bogen davon.

      Ingvar blieb erst einmal liegen, um sich zu sortieren. Der Stamm lag genau über seinen Hüften, da er aber in einer Vertiefung des Waldbodens gelandet war, lastete nicht das gesamte Gewicht des Stammes auf ihm. Er hörte, wie der Lastwagen bremste und anhielt. Durch den hochgewachsenen Farn konnte er sehen, wie der Fahrer ausstieg.

      »Hallo!«, rief er und versuchte sich unter dem Baumstamm hervorzuziehen. »Hallo, hier bin ich!«, machte er erneut auf sich aufmerksam, als ihm klar wurde, dass der Stamm zu schwer war, um ihn allein anzuheben. »Hierher!« Er versuchte, sich mit dem Oberkörper aufzurichten, was ihm aber nicht gelang. »Hallo!«, rief er so laut er konnte, als der Mann, von dem er nicht mehr als die Beine sah, sich kurz bückte und danach aus seinem Blickfeld verschwand. Was soll das?, dachte er, als der Lastwagen gleich darauf weiterfuhr. Er war sicher, dass der Mann seine Rufe gehört hatte. Warum ließ er ihn hilflos zurück?

      Er spannte seine Muskeln an und drückte gegen den Stamm. Es war vergeblich, er bewegte sich nicht. Hilfe konnte er auch nicht rufen. Sein Handy war für ihn außer Reichweite. Es steckte in seinem Rucksack, den er von seiner Position aus nicht einmal sehen konnte. In diesem Moment spürte er einen unangenehmen Druck auf seinen Rippen und Schmerzen in seinem rechten Knöchel.

      »Verdammt, was jetzt?«, sagte er laut und holte erst einmal tief Luft, um sich zu beruhigen. Er musste nachdenken. Der Bergmoosbacher Forst gehörte zum größten Teil den Holzers, den Eigentümern des örtlichen Sägewerks. Zur Zeit fanden in der ganzen Gegend Abholzungen statt. Vielleicht waren Forstarbeiter in der Nähe unterwegs. Aber sicher nicht zu Fuß! Wie sollte er auf sich aufmerksam machen, wenn sie mit einem Auto an ihm vorbeifuhren? Oder waren sie gerade schon vorbeigefahren? Nein, sicher nicht. Die Forstarbeiter und die Leute vom Sägewerk hätten das Holz nicht so schlampig auf dem Lastwagen befestigt.

      Egal, wer es war, er musste sich irgendwie selbst befreien. Er konnte sich nicht darauf verlassen, dass jemand in den nächsten Stunden genau an dieser Stelle vorbeikam. Weder ein Forstarbeiter noch ein Wanderer oder Spaziergänger. Möglicherweise würde er mehrere Tage auf Hilfe warten müssen. Ein kalter Schauer jagte ihm über den Rücken, als ihm bewusst wurde, dass sie ihn vielleicht erst fanden, wenn es für ihn zu spät war.

      Eigentlich hatte er keine Angst im Wald, auch nicht in der Nacht. Aber im Moment war er vollkommen unbeweglich und konnte auf keine Gefahr reagieren. Vorbeiziehende Wildschweinrudel würden ihn als Eindringling in ihr Revier betrachten und ihn nicht gerade liebevoll willkommen heißen. Und ob ein Wolf, der durch die Wälder streifte, ihn nur neugierig beschnuppern würde, das wollte er erst gar nicht herausfinden. Falls ihm niemand zur Hilfe kam, sah es nicht gut für ihn aus.

      Wieder versuchte er, sich zu befreien, aber genau wie zuvor, gelang es ihm nicht. Er beschloss, sich einen Moment auszuruhen, bevor er einen weiteren Versuch startete. So schnell würde er nicht aufgeben.

      *

      Fabia brach an diesem Morgen erst nach einem ausgiebigen Frühstück zu ihrer täglichen Wanderung durch den Bergmoosbacher Forst auf. Sie hatte sich vor einigen Tagen in einer Ferienwohnung auf dem Mittnerhof eingerichtet und startete von dort ihre Erkundungstouren. Es war die Zeit der Pilzsucher, und auch die junge Biologin war auf der Suche nach Pilzen. Im Auftrag der Uni München untersuchte sie heimische Pilze, um deren medizinischen Nutzen zu bestimmen.

      Auch der Edel-Reizker, der sich durch eine Vielzahl von Nährstoffen in hoher Konzentration auszeichnete, hatte ihr Interesse geweckt. Sabine Mittner, ihre Vermieterin, hatte ihr eine Stelle im Forst genannt, an der sie den Pilz finden konnte.

      Fabia liebte diese Spaziergänge im Wald. Sie fühlte sich inmitten der Natur geborgen. Die Luft war vom Duft der Tannen und Kiefern erfüllt, die Sonne, die durch die Baumwipfel drang, tanzte über die Wege. Vögel zwitscherten und hüpften über schwingende Äste. Als sie auf einer Lichtung ein Rudel Rehe entdeckte, die friedlich ästen, blieb sie stehen.

      Sie setzte sich auf einen Felsen am Wegesrand, schob die Ärmel ihres grünweiß geringelten Pullis hoch, den sie zu ihrer grünen Jeans trug, und schaute den Tieren zu. Vielleicht sollte sie das Pilzesammeln auf den nächsten Tag verschieben und einfach nur die Tiere im Wald beobachten. Sie war kürzlich an einem Hochsitz vorbeigekommen, von dort aus würde sie Rotwild, Füchse, Hasen und Wildschweine sehen können und vielleicht sogar einen Wolf. Nach einer Weile beschloss sie, doch nach dem Edel-Reizker Ausschau zu halten. Bis zu dem Waldstück, das Sabine ihr beschrieben hatte, war es nicht mehr weit.

      »Hallo!«, hörte sie plötzlich einen Mann rufen.

      Sie blieb auf dem Weg stehen, in den sie gerade eingebogen war, und schaute sich um. Galt der Ruf ihr? Auf den ersten Blick war nirgendwo jemand zu sehen.

      Sie ging langsam weiter und schaute rechts und links des Weges


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