Traumschloss im Wald. Martia Haller

Traumschloss im Wald - Martia Haller


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Mausoleum heute, davor Stephan Freiherr Poschinger – Foto Marita Haller

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       Schlossanlage erweitert – Archiv Poschinger

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       Plan für Schlosskapelle 1925 –Architekt Büttner, München – Archiv Poschinger

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       Eduard von Poschinger gemalt von Carl von Marr – Archiv Poschinger

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       König Ludwig III. mit Hippolyt von Poschinger (Bub links) – Archiv Poschinger

      Der Reichsrat war ein ausgezeichneter Kunstkenner und auch ein leidenschaftlicher Kunstsammler. Seine besondere Leidenschaft galt alten Skulpturen, die er zahlreich im Schloss aufgestellt hatte. Erst unter diesem Reichsrat wurde das Schloss eine Stätte reicher Gastfreundschaft. Die Poschinger feierten prunkvolle Feste, bei welchen auch gekrönte Häupter wie König Ludwig III. von Bayern und Friedrich August König von Sachsen zu Gast waren11. Adelige Herrschaften, Personen aus der Kunstszene und der Wissenschaft sowie der Wirtschaft und Politik ließen sich gerne im Schloss verwöhnen. Im Dezember 1930 übertrug Eduard Georg Benedikt seinem ältesten Sohn Senator Hippolyt Freiherr Poschinger von Frauenau12 das Gut. Dieser Hüttenherr hatte die Bürde das Glashüttengut durch den 2. Weltkrieg zu führen.

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       Hippolyt Freiherr Poschinger – Archiv Poschinger

      Hippolyt von Poschinger kam in diesem Prunkschloss zur Welt. Es muss ein Schock für ihn gewesen sein, als er am Ende des Krieges (1945) eines Nachts gezwungen wurde, mit seiner Familie das Schloss zu verlassen, um Platz für die Besatzungstruppen und später für die Zwangseinquartierten zu machen. Die Familie zog wieder in das alte Herrenhaus in Oberfrauenau. Nur wenige Tage blieben den Poschinger, um wenigstens Teile ihres Eigentums in das neue, sprich alte Domizil schaffen zu lassen. Baron Hippolyt von Poschinger soll das einstige Traumschloss nie mehr betreten haben. Über das alte Herrenhaus sagte er später immer: „hier in diesem bescheidenen Haus…“.

      Die Behebung der Schäden und vor allem auch die anschließende Instandhaltung dieses mächtigen Baus hätten ein Vermögen verschlungen, ohne dass das Schloss wirtschaftlich hätte genutzt werden können. Investitionen in Glashütte und Forst hatten für den Besitzer Vorrang. Als auch der Rettungsversuch gescheitert war, das Schloss an den Staat zu verkaufen, ja selbst zu verschenken, entschloss sich Hippolyt von Poschinger, sein Geburtshaus abbrechen bzw. sprengen zu lassen. Diesen einstigen Prachtbau, das Symbol für äußerst erfolgreiches Wirtschaften der Familie, zu einer Ruine verfallen zu sehen, brachte der stolze Hüttenherr vermutlich nicht über sich.

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       1959 Sprengung des 32 m hohen Turmes – Sammlung Josef Sedlmeier

      Nach Erhalt der erforderlichen Abrissgenehmigung stellte Senator Hippolyt Freiherr Poschinger den einstigen Prachtbau dem Gebirgspionierbataillon 8 aus Degerndorf am Inn als Übungsprojekt zur Verfügung. Unter dem Kommando von Josef Sedlmeier aus Frauenau, der damals Hauptmann und Kompanie-Chef war, traf am 15. Juni 1959 die 50 Mann starke Truppe im Glasmacherort ein.

      Ab dem 16. Juni 1959 wurde es in der sonst so friedlichen Waldlandschaft laut. Zwölf Wochen lang schallten Kompressoren, Bohr- und Abbruchhämmer, Motorsägen, Planierraupen und die Detonationen von Sprengladungen durch das Frauenauer Tal. Der Kommandant führte gewissenhaft Buch über die Arbeiten. In der Zeit des „Kalten Krieges“ versetzte dieses Unternehmen die tschechischen Nachbarn in höchste Alarmbereitschaft. Eine Bundeswehreinheit so nah an der Grenze war ihnen nicht geheuer. Laut Sedlmeier störten die Tschechen die Funkverbindungen der Truppe, so dass ständig die Funkfrequenz geändert werden musste.

      Für das Bataillon war der einstige Palast ein hervorragendes Übungsprojekt. Der fachgerechte Abbruch bot alle Möglichkeiten des pioniertechnischen Einsatzes. Auf die Erhaltung des Baustoffes wurde größter Wert gelegt. Das ausgebaute Material sollte für weitere Übungszwecke – zum Beispiel den Bau einer Brücke – verwendet werden. In der Degerndorfer Kaserne, in der Nähe der Wendelsteinbahn bei Rosenheim, finden sich noch heute Teile des einstigen Prachtbaus wie beispielsweise die schönen Kassettendecken und die schweren Holztüren. Die Granitsteine des Treppenaufganges wurden in die Mauerumfriedung beim heutigen Gutsgasthof in Oberfrauenau eingebaut.

      Die Hauptattraktion des Kirchweihfestes, am 15. August 1959, war die Sprengung des 32 Meter hohen mittleren Turms. Über die Sprengung existiert ein Amateurfilm13. Einige spitzbübische Soldaten hatten den Frauenauern am Stammtisch erzählt, dass der stattliche Koloss mit Hilfe eines Spezialgeräts vom Fundament abgeschnitten und durch zwei Hubschrauber zum Wallfahrtsort Altötting geflogen würde, wo er ein neues Domizil erhalten sollte. Ob es einige Bürger gab, die auf diesen Scherz hereinfielen, ist nicht bekannt. Auf alle Fälle haben sich viele Frauenauer am Ort des Geschehens eingefunden, um das einmalige „Spektakel“ nicht zu verpassen.

      Die Reithalle wurde ebenfalls gesprengt und zwar so fachmännisch, dass das Holzgerüst komplett und nahezu unversehrt stehen geblieben war und nur die Bausteine und einige Bretter am Boden abgeladen waren. Insgesamt verbrauchte man für das Projekt 750 kg Sprengstoff. Die Planierraupenfahrer rechneten 410 Betriebsstunden ab, bis sie die angefallenen 8500 m3 Schutt abtransportiert, in die offenen Keller geschüttet oder auf dem Gelände verteilt hatten. Trotz der schwierigen Arbeit gab es keine schwerwiegenden Unfälle.

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       1959 Sprengung Reithalle – Sammlung Josef Sedlmeier

      Die Soldaten hatten sich während ihres Aufenthaltes gut in die Frauenauer Gemeinschaft eingebracht. Es wurden Fußball-Freundschaftsspiele und Sängerfeste abgehalten. Am Tage des Abmarsches winkten viele Frauenauer in Freundschaft dem Gebirgsbataillon nach. Einige Soldaten vermählten sich nach ihrem Arbeitseinsatz mit einheimischen Mädchen.

      Von dem imposanten Gebäude ist heute nur die Kapelle mit der Familiengruft der Familie von Poschinger, die am hinteren Ende des rechten Seitentraktes angebaut war, stehen geblieben. Die mit Bauschutt zugefüllten Schlosskeller werden von einer Blumenwiese abgedeckt. Wasserkanäle und das Staubecken auf der Bergkuppe hinter dem Schloss erinnern noch an die Zeit, als sie Wasser für die Fontäne bereitgestellt hatten.

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       Schlosskapelle mit Gruft der Freiherrn Poschinger auf dem eingeebneten Schlossplatz – Foto Marita Haller 2013

      Aufzeichnungen von Josef Sedlmeier

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       Kommandant Josef Sedlmeier, er leitete den Abbruch – Foto Marita Haller 1999

      Über den Abbruch des Schlosses hat Hauptmann und Kompanie-Chef Josef Sedlmeier gewissenhaft Buch geführt:

      Am 15. Juni 1959, um 9 Uhr, setzte sich die Marschkolonne mit 30 km/h von Degerndorf, über Rosenheim, Haag, Altötting, Eggenfelden,


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