Mami Staffel 13 – Familienroman. Lisa Simon

Mami Staffel 13 – Familienroman - Lisa Simon


Скачать книгу
ich es richtig verstanden habe, wollten Sie sie abholen, oder Sie hatten sich in Ihrem Hotel verabredet, das weiß ich nicht mehr.

      Jedenfalls sagte ihr der Portier in Ihrem Hotel, daß Herr Hartinger abgereist ist. Schon sehr früh am Morgen.«

      Sie starrten sich an, Julian blieb der Mund offenstehen, Frau Wagenfeld bemühte sich um eine vorwurfsvolle Miene.

      »Der Mann konnte das ja schließlich nicht erfunden haben. Sie waren abgereist, meine Laura stand da… ich kann mir gut vorstellen, was in dem Moment in ihrem Kopf vorging.«

      Julian goß die helle Flüssigkeit mit einem Zug hinunter und hustete. Frau Wagenfeld trank den Korn langsamer, aber sie ließ den Mann nicht aus den Augen.

      »Ich hab’s«, rief Julian plötzlich so laut, daß die Gäste an den anderen Tischen neugierig zu ihnen hinübersahen. Er dämpfte seine Stimme.

      »Es gab noch einen Herrn Hartinger im Hotel. Laura muß sich erinnern können. Mir wurde an einem Abend eine Zeche präsentiert, die ich in der Bar gemacht haben sollte. Bis dann herauskam, daß ich im Hotel einen Namensvetter hatte. Wir beide haben Witze über den Mann gerissen. Laura muß sich doch erinnern können«, rief Julian hitzig. »Er muß schon über 60 gewesen sein, kleidete sich wie ein Jüngling, der gerade aus der Schule kam, und behängte sich ständig mit jungen Mädchen. Er war wirklich abgereist… mein Gott. Das darf doch alles nicht wahr sein.«

      »Schlagen Sie sich nicht wieder vor den Kopf«, bat Eva Wagenfeld ihn. »Ich muß allerdings sagen, mir drehen sich die Gedanken wie Mühlräder im Kopf. Ein ganzes Bienenvolk macht es sich in meinem Kopf bequem. Jetzt sagen Sie mir bitte nur noch, warum tauchen Sie jetzt, nach so vielen Jahren wieder auf?«

      »Wie ein Stehaufmännchen, das aus einer Kiste springt.« Er verzog spöttisch den Mund. Aber sie sah, daß es in seinen Augen verdächtig glänzte. »Ich habe ein Bild gesehen, das Laura gemalt hat. Man sagte mir, daß es Lauras Tochter ist. Aber man hätte es mir nicht sagen müssen, ich sah es auch so. Es ist nicht nur Lauras, es ist auch meine Tochter.«

      »Ob ich wohl noch einen Korn bekommen könnte? Mir ist ganz flau im Magen.«

      *

      Es dauerte noch eine Weile, bis Frau Wagenfeld tatkräftig die Initiative ergriff.

      »Wir werden jetzt in die Wohnung gehen.«

      »Sie meinen, wir finden Laura dort?«

      »Natürlich nicht. Sie werden nicht in der Wohnung sein und das Geschäft schließen. Aber Frau Bauer, das ist die Haushälterin«, informierte sie ihn eifrig, »wird schließlich wissen, wohin sie gefahren sind.«

      Sie nahm ihre Handtasche, die Augen hatten den abweisenden Ausdruck verloren. Julian wußte, daß sie ihm glaubte. Er mochte diese Frau, die so energisch ihren Standpunkt vertrat, für ihre Tochter kämpfte und doch ein weiches Herz besaß.

      Weiter zu denken, verbot Julian sich, man mußte abwarten.

      »Wie gut, daß ich heute kam«, nickte Frau Wagenfeld glücklich. »Eigentlich wollte ich erst in der nächsten Woche kommen. Aber ich habe Laura etwas Wunderschönes zu sagen, ich weiß, daß sie sich darüber freuen wird.«

      Sie gingen durch das Lokal, er öffnete die Tür für sie. Das kleine Hütchen saß ein wenig schief auf ihren Haaren, sie reckte keck den Kopf. Als junges Mädchen mußte sie so bezaubernd gewesen sein wie Laura. Vermutlich wußte sie auch, daß sie noch immer sehr gut aussah. Er war sehr froh, sie getroffen zu haben.

      »Ich bringe ihr einen Brief von meinem Mann«, erzählte sie und sah mit glücklichen Augen zu ihm auf. Sie gingen nebeneinander über die Straße, so nahe, als wären sie die besten Freunde.

      »Anfangs behauptete er, es müßte genügen, wenn ich es Laura ausrichte. Aber da habe ich gestreikt. Das kommt nicht in Frage, habe ich ihm gesagt.« Er amüsierte sich heimlich über ihren energischen Ton. »Sag es ihr am Telefon oder schreib’ ihr einen Brief, habe ich verlangt.«

      »Das hat er dann getan.«

      Er sah, wie ihre Augen feucht wurden. Ihre Stimme hatte die Härte verloren.

      »Er tut sich ja selbst den größten Gefallen. Er hat darunter gelitten, daß Laura nicht mehr kam. Er fiebert dem Enkelkind entgegen, und jetzt ist es ihm auch egal, was die Leute sagen. Nur Laura ist noch wichtig. Sie müssen wissen, daß Laura immer sein ganz besonderer Liebling war, er vergötterte sie geradezu.«

      Sie waren vor dem Haus angelangt. »Sehen Sie«, triumphierte sie. »Eben war das Wohnzimmerfenster geschlossen, jetzt ist es geöffnet.«

      Frau Bauer war sehr schlechter Laune. Sie öffnete Frau Wagenfeld die Tür, dem Herrn an ihrer Seite warf sie einen unfreundlichen Blick zu.

      Julian sah sich um. Die Türen zu den Zimmern waren weit geöffnet. Er warf neugierige Blicke hinein, und was er sah, gefiel ihm sehr. Er konnte sich Laura in dieser Umgebung gut vorstellen.

      »Mir sagt ja keiner was«, schimpfte die dicke Frau. Beleidigt musterte sie Eva Wagenfeld, als wäre sie an allem Schuld. »Mir nichts dir nichts, von jetzt auf gleich wurden Koffer gepackt. Mir wurde das Kind entrissen, wie mir dabei zumute war, das stört niemanden. Ich bin ja nur für die grobe Arbeit da. Der Herr Poppel platzt ja schon vor Eifersucht, wenn ich die Kleine nur auf den Arm nehme. Auch den Hund haben sie mitgenommen.«

      »Aber sie müssen doch gesagt haben, wohin sie gefahren sind«, unterbrach Frau Wagenfeld energisch das Jammern.

      »Eben nicht«, die Frau schnaufte gekränkt. »Da sehen Sie mal, wie man mich behandelt. Ich hatte schon alles vorgekocht, ich brauchte die Auflaufform später nur noch in den Ofen zu stellen. Ich hab das Fräulein Laura weinen gehört. Aber mir hat keiner was gesagt, warum sie weinte.«

      »Das bringt uns nicht weiter«, überlegte Eva Wagenfeld nervös. »Das ganze sieht mir sehr nach einem überstürzten Aufbruch aus. Nun machen Sie ein anderes Gesicht, Herr Hartinger«, tröstete sie den Mann. »Spätestens morgen wird Laura mich anrufen, da bin ich ganz sicher. Wollen wir uns ins Wohnzimmer setzen? Dieses ist Lauras Wohnung. Herr Poppel bewohnt die Mansardenräume, er wollte es so.«

      Sie setzten sich auf die behaglichen sehr geschmackvoll bezogenen Sessel. Jedes Möbelstück bewunderte Julian mit Kennermiene. »Hier war wirklich eine Künstlerin am Werk«, staunte er. »Wo hat sie nur die Sachen aufgetrieben?«

      »Das soll sie ihnen selbst erzählen.« Eva Wagenfeld sah den Mann mit einem ernsten, offenen Blick an.

      »Herr Hartinger, sagen Sie mir, was wollen Sie von Laura?«

      Er hielt die Hände zwischen den Knien und beugte sich ein wenig vor. Frau Bauer werkelte lautstark in der Küche, scheppernd fiel etwas auf den Boden.

      »Bevor ich von dem Irrtum wußte, wollte ich ihr eigentlich nur den Kopf abreißen.« Er lächelte mit schiefem Mund. »Jetzt allerdings können wir nur die verlorene Zeit beklagen.«

      Er hielt ihrem Blick stand, hob ein wenig die Schultern. »Wie kann ich auf ihre Frage antworten? Laura und ich… wir haben uns beide verändert. Aber ich weiß, daß ich sie nicht aus meinem Kopf bekommen habe. Ich habe sie nie richtig vergessen, wenn ich mich auch mit Arbeit betäubt habe.«

      »Mit Arbeit und anderen Frauen?« wagte sie leise zu fragen und musterte ihn ein wenig ängstlich. Aber er nahm die Frage nicht übel.

      »Wie ein Heiliger habe ich nicht gelebt.«

      »Das will ich gar nicht wissen. Ich wollte nur fragen, ob Sie eine feste Bindung eingegangen sind.«

      Er hatte Helena total vergessen.

      »Ja, es gibt eine Frau, die gern geheiratet werden möchte. Sie und ich sind schon lange zusammen, ich…«

      Sie legte ihm die Hand auf den Arm und lächelte verlegen.

      »Sie brauchen es nicht zu sagen. Ich habe nur eine Bitte, fahren Sie nach Hause, bringen Sie die Sache in Ordnung, bevor Sie zu Laura fahren. Nicht wahr, das wollen sie doch, zu Laura fahren, meine


Скачать книгу