Meine Katzen. Erich Kastner
Meine Katzen
Von Pola, Lollo, Butschi und Anna
Herausgegeben von Sylvia List
Kästners Katzen
Katzen haben uns gern, ohne sich aufzudrängen. Sie lassen sich
nicht dressieren. Sie apportieren keine Stöckchen. Und wenn
sie, stolzgeschwellt, eine Maus ins Zimmer bringen, kommen
sie nicht als Treiber heim, sondern als Jäger.
In Erich Kästners Kinder- und Jugendjahren war es noch völlig selbstverständlich, sich Katzen zu halten. Wer sonst sollte die Mäuse daran hindern, Speisekammern und Vorratsschränke leer zu fressen? Elektrische Kühlschränke gab es ja noch nicht. Dass sich mit Katzen schmusen und wunderbar spielen lässt, besonders solange sie klein sind, war damals nebensächlich.
Kinder aber haben schon immer und zu allen Zeiten begeistert mit Katzen gespielt, haben versucht, sie zu dressieren, und sind daran allerdings genauso gescheitert wie Mäxchen Pichelsteiner (Der Kleine Mann als Dompteur). Aber auch große Kindsköpfe wie Eduard Schulze alias Geheimrat Tobler aus Drei Männer im Schnee haben es schon immer genossen, wenn in ihren Händen die Kätzchen schnurren (Haben wir Ihren Geschmack getroffen?), auch wenn die niedlichen Kuscheltiere letztlich tun, was sie wollen.
Kästner war der Umgang mit Katzen seit Kindheitstagen vertraut – »Jetzt sitzt mir eben die Mieze auf der Achsel«, heißt es auf einer Postkarte des Zehnjährigen –, längst ehe ein geschenktes graues Kätzchen ihn zum »Katzenhalter« machte. Das war Anfang 1946. Der kleine Maximilian, auch Mäcki genannt und seinem Alter entsprechend verspielt (Ein ruhiger Nachmittag), inspirierte Kästner zu mehreren Zeichnungen, von denen wir eine in diesem Band abbilden, und wahrscheinlich auch zu dem bezaubernden Gedicht Für die Katz.
Zwei Jahre später erhielt Maximilian Gesellschaft, die elegante schwarze Halbangorakatze Pola, benannt nach dem schwarzhaarigen Stummfilmstar Pola Negri. Und Anfang der 1950er Jahre, vermutlich 1952, bekam Pola Junge: ein schwarzes Angorakätzchen, das der Mutter glich und bald nach der Geburt starb, und eines, das dem Vater glich, einem persisch blauen Kater, und das, weil sich hier das Mendel’sche Erbgesetz so klar bestätigt hatte, Oskar de Mendel genannt wurde (Zwischen Stiefmütterchen). Als dieser anfängliche Winzling sich dann aber zu einem Riesen auswuchs, wurde er nur noch Butschi gerufen – nach der Comic-Figur Butch the Burglar von Larry Reynolds. Das war ein liebenswerter Einbrecher, ein Schrank von Mann, der kleinen alten Damen über die Straße half, sich ständig bei seinen künftigen Opfern entschuldigte und beruflich auch nicht gerade Glanzleistungen vollbrachte.
Anfang Januar 1955 schickte Erich Kästner seinem Vater ein Foto »unserer dritten und kleinsten Katze«, einer hellgrauen Perserkatze, die »wegen ihrer wolligen Molligkeit« Lollobrigida, kurz Lollo, getauft wurde und sich zu einer kapriziösen Katzendame entwickelte – »sie hat ein Stiefmütterchengesicht, vor dem man rettungslos dahinschmilzt« (Meine Katzen).
Nach der für eine Perserdame äußerst unstandesgemäßen »Wiesenhochzeit« mit einem Nachbarskater brachte Lollo vier Kätzchen zur Welt – zwei getigerte, ein graues und ein schwarzes mit weißen Füßchen und weißem Latz. Das war das kleinste und wurde von seinen Geschwistern immer weggetreten (Frontbericht Schrankzimmer). Ständig musste jemand aufpassen, dass die Kleine auch ja genügend Muttermilch bekam. Ihr Zustand war anfangs so kritisch, dass nicht sicher war, ob sie durchkommen würde. »Lebt Anastasia noch?«, begrüßte man sich tagtäglich im Hause Kästner – und mokierte sich damit gleichzeitig über die aufgeregten Schlagzeilen der Boulevardpresse, die damals gerade heftig über das Schicksal der Zarentochter diskutierte. Der Name Anastasia blieb an der kleinen Schwarzweißen hängen, allerdings in der alltagstauglichen Kurzform Anna.
Zu Anna entwickelte Kästner eine besonders innige Beziehung. Sie war wohl, anders als die vornehmeren Perserkatzen und die in die Jahre gekommene Pola, eine »lustige« Katze, neugieriger, verspielter, artistischer. »Anna klettert neuerdings wie ein Wiesel auf die Tür zum Keller und balanciert dort oben wie ein Seiltänzer«, schreibt Kästner an seinen Vater. Diese Katze macht ihm Spaß, das wird auch ganz deutlich in Meine Katzen, und ihrer Unternehmungslust traut er schier alles zu, sogar den Wunsch nach einem eigenen Katzen-Ruderboot (Vor allem Anna). Die völlig unerwartete Nachricht von Annas Tod im Spätsommer 1965 trifft ihn so sehr, dass es ihm in seinem beherrscht, konventionell beginnenden Antwortbrief buchstäblich die Sprache verschlägt und er nach wenigen Sätzen abbricht: »Ach nein, ich kann kein Wort mehr darüber schreiben.« So unverstellt äußert Kästner seine Gefühle selten.
Vieles, was wir über den Alltag des »Katzenquartetts« wissen, verdanken wir den Hausnachrichten, die man sich in der Flemingstraße 52 auf die Treppe legte, um den jeweils aushäusigen Partner bei seiner Heimkunft über eventuelle Anrufe wie auch über Anwesenheit und Befinden der Katzen zu informieren (All we three cats are in, Vor allem Anna). Luiselotte Enderle hat einen ganzen Stoß dieser Notizzettel Kästners aufgehoben. Wenn man zum Beispiel darin liest: »Der kl Kater belagert unsre Villa und lässt oft sein Trompetchen von Jericho erschallen«, sieht man die Szene vor sich, die Kästner in Eine kleine Nachtmusik so köstlich beschreibt, nur dass in der Wirklichkeit, anders als im Gedicht, die schwarze Katze sich nicht hat einsperren lassen, sondern durchs Dachfenster »zu ihrem kleinen Kater in den Garten getürmt« ist.
In diesen Hausnachrichten – wie auch in den Briefen an Luiselotte Enderle – zeigt sich der sonst sprachlich ach so korrekte Kästner von einer ganz anderen Seite. Er albert herum (»sprachen über Dürrenmatt Dünnes«), denkt sich Wörter aus (»Tatütatar«), ignoriert souverän die Dudenregeln und schreibt, wie man spricht (»Katzeneinheizschule«) oder wie er es für angebracht hält (»inwändig«, wenn die Katzen im Hause, das heißt innerhalb der vier Wände, sind). Die gleiche Lust am Quatschmachen findet sich auch auf den vielen Katzenkarten aus Agra, von denen dieser Band eine kleine Auswahl bringt (Katzengrüße).
Und noch etwas zeigen diese Briefe und Notizen: nämlich, ein wie wichtiges Bindeglied die Katzen in der zunehmend schwierigeren Beziehung zwischen Erich Kästner und Luiselotte Enderle darstellten. »Die Katzen und der Flieder und die wilde Wiese« waren für Kästner wesentliche Elemente der gemeinsamen Münchner Häuslichkeit. Ein Leben ohne Katzen war für ihn in diesem Umfeld nicht denkbar. Es wäre, um einen Ausspruch Loriots zu variieren, zwar möglich gewesen, aber sinnlos. Und das hätte Kästner wohl ganz ernst gemeint.
München, im Sommer 2013 Sylvia List
Für die Katz
Wenn der Hufschmied den Gaul beschlägt,
wenn sich der Truthahn im Traum bewegt,
wenn die Mutter das Essen aufträgt,
wenn der Großvater Brennholz sägt,
wenn der Wind um die Ecke fegt,
wenn sich im Schober das Liebespaar regt,
wenn das Fräulein die Wäsche legt –
stets meint die Katze, man wollt mit ihr spielen!
Wie der Katze geht’s vielen.
Haben wir Ihren Geschmack getroffen?
Willkommen!«, sagte Direktor Kühne zu Herrn Schulze. »Darf ich Ihnen Ihr Zimmer zeigen?« Die beiden Preisträger erhoben sich. Schulze ergriff den Spankorb. Hagedorn sah Schulze freundlich an. »Lieber Herr Schulze, ich sehe Sie doch noch?«
Der Direktor griff ein. »Herr Schulze wird von der langen Reise müde sein«, behauptete er.
»Da irren Sie sich aber ganz gewaltig«, meinte Schulze. Und zu Hagedorn sagte er: »Lieber Hagedorn, wir sehen uns noch.« Dann folgte er dem Direktor zum Lift.
Der Portier legte sehr viel väterliche Güte in seinen Blick und sagte zu dem jungen Mann: »Entschuldigen Sie, Herr Doktor! Es tut uns