Sohle Sieben. Jost Baum

Sohle Sieben - Jost Baum


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      Jost Baum

       Sohle Sieben

      Der dritte Jablonski-Krimi

      Jost Baum, Jahrgang 1954, schrieb seit den späten 80er Jahren mehrere Krimis, u. a. eine der ersten deutschen Regionalkrimi-Serien um den Bochumer Journalisten Eddie Jablonski. Außerdem verfasste Baum Krimis unserer Reihe »Mord & Nachschlag«, u. a. den Provence-Krimi »Picasso sehen und sterben« mit Kochrezepten aus dem Süden Frankreichs.

      Eddie Jablonski, unnachgiebiger Spürhund und Lokalredakteur beim Bochumer Stadtanzeiger, ist der Atommafia im Ruhrgebiet auf den Fersen. Er gerät unversehens in den Strudel der Ereignisse. Mord nicht ausgeschlossen.

       © 2015 Oktober Verlag, Münster

      Der Oktober Verlag ist eine Unternehmung der

      Verlagshaus Monsenstein und Vannerdat OHG, Münster

       www.oktoberverlag.de

      Alle Rechte vorbehalten

      Satz: Roland Tauber

      Umschlag: Thorsten Hartmann unter Verwendung eines Fotos von korionov/iStockphoto.

      Herstellung: Monsenstein und Vannerdat

      ISBN: 978-3-944369-55-6

      eBook-Herstellung und Auslieferung:

      readbox publishing, Dortmund

       www.readbox.net

       Erstes Kapitel

      Jablonski steckte sich eine Zigarette an und versuchte, dem begehrlichen Blick auszuweichen, den Hildesheimer, körperlich spürbar, wie mit einem Brennglas gebündelt, auf ihn gerichtet hatte. Eddie nahm einen tiefen Lungenzug, während Hildesheimer hustete. Der Anfall schüttelte den Krüppel so stark, daß er fast aus seinem Rollstuhl kippte.

      Hildesheimer hob den rechten Oberschenkel, oder vielmehr das, was davon übriggeblieben war, und richtete den Stumpen auf sein Gegenüber. »Hier, das wirst du bald davon haben, wenn du so weitermachst«, fauchte Hildesheimer höhnisch.

      »Du bist doch bloß neidisch, weil du keinen Glimmstengel halten kannst«, feixte Jablonski.

      »Bind mich los, du Arschloch, nun mach schon!« keuchte der Krüppel, während er mit seinem schmächtigen Oberkörper an der weißen Binde zerrte, die ihn an seinen Rollstuhl fesselte. Vor Anstrengung tropfte ihm ein Speichelfaden von der Lippe auf sein zerknittertes, rotweiß kariertes Hemd.

      Die Finger seiner rechten Hand, einer Vogelkralle ähnlich, griffen den Hebel, der auf der Armstütze des Rollstuhls angebracht war. Mit einem kleinen Ruck setzten sich die gummiummantelten Räder in Bewegung. Nur ein leises Surren war zu hören, als sich das Gerät samt dem Häuflein Mensch, das in ihm hockte, auf Jablonski zubewegte.

      »Du hast wirklich Glück, so einen geilen AOK-Chopper hat nicht jeder«, gluckste Eddie zwischen zwei tiefen Zügen aus der Zigarette. Er stand von dem Plastiksessel auf, schlug seinen Bademantel vor seine Hühnerbrust und zurrte das Ganze mit einer Art Strick zusammen.

      »Hey, komm schon, Eddie, war ja nur Spaß. Aber mal was anderes …« Hildesheimer wurde leiser, er fuhr auf gleicher Höhe mit Jablonski, der mit langsamen, gemessenen Schritten den langen Flur abschritt, dessen Wände ehemals weiß gefärbt waren und nun schmutziggelb, fast wie Eiter, schimmerten.

      Jablonski wurde langsamer. »Auf diesem Ohr bin ich taub, Hildesheimer. Hier ist sich jeder selbst der Nächste, das mußt du doch am besten wissen.«

      »Hundert Mark für einen Flachmann«, wisperte Hildesheimer leise. »Das ist doch ein Geschäft, oder?«

      Inzwischen hatten sie den Fahrstuhl erreicht. Jablonski schwieg. Hildesheimer drehte eine schnelle Runde um Jablonski herum, der zur Salzsäule erstarrt schien. »Also, was ist?« keuchte der Krüppel.

      Die Fahrstuhltür öffnete sich und entließ eine Handvoll ganz in Weiß gekleidete Gestalten, die, leise murmelnd, ohne die beiden eines Blickes zu würdigen, an ihnen vorbeihasteten.

      Jablonski schien zu überlegen. »Hundert Mark, sagst du? Ist das nicht ein bißchen wenig für einen ganzen Flachmann?«

      »Verdammtes Arschloch!« zischte Hildesheimer. »Halsabschneider, mieses Schwein …«

      »Zähme dich, Hildesheimer, sonst gibt's ein paar auf die Römernuß!«, grinste Eddie.

      Sie waren allein im Fahrstuhl, und als sie den dritten Stock erreichten, war noch niemand zugestiegen. Eddie schwieg eine Weile. Dabei starrte er auf einen fingerlangen, grünen Fleck, der wie ein Ausrufezeichen an der Metallwand der Kabine hing.

      »Hildesheimer, ist der Öngel von dir? Hast du dahin gerotzt?« fragte er schließlich und beugte sich dabei zu dem Krüppel hinunter.

      »Du bist und bleibst ein Arschloch, Eddie! Also, komm schon, was ist jetzt? Zweihundert, mein letztes Wort!«

      »Das werden wir ja sehen«, grinste Jablonski.

      Inzwischen hatten sie die Tür zu Eddies Zimmer erreicht. Ein kleiner, schmuckloser Raum mit einem vergitterten Fenster, vor dem zwei Töpfe mit Geranien standen. In eine Ecke war ein Bettkasten gequetscht, einem Sarg nicht unähnlich. Daneben war gerade noch Platz für einen wackeligen Schrank. Ein Tisch mit zwei Stühlen und ein Waschbecken, über dessen Spiegel eine matte Glühbirne in der Fassung glimmte, vervollständigten die feudale Einrichtung.

      »Normalerweise biete ich den Leuten einen Stuhl an, aber du sitzt ja schon«, witzelte Eddie, während er die Kippe in einem übervollen Aschenbecher ausdrückte.

      »Arschloch, pfui Deubel!« spuckte der Krüppel und zerrte an seinen Binden.

      »Geschäftsleute gehen in der Regel feiner miteinander um«, entgegnete Jablonski, während er seinen Bademantel auszog, die Schranktür öffnete und eine Hose vom Bügel nahm, die ihre besten Tage bereits lange hinter sich hatte.

      »Ach Scheiße, Eddie, ich hab noch genau dreihundert Mark. Willst du mich fertigmachen oder was? Ich bin doch noch zwei Wochen hier drin, das Geld muß noch ‘ne Weile reichen«, heulte der Krüppel. Dicke Tränen quollen aus seinen faltigen Lidern.

      »Zweihundertfünfzig ist okay, ich bin schließlich kein Unmensch«, erwiderte Eddie ungerührt.

      Er hatte sich mittlerweile für ein T-Shirt und einen schwarzen Rollkragenpullover entschieden, den er aus einem Wäschekorb fischte, nachdem er getestet hatte, ob er wirklich trocken war. Jetzt fehlte nur noch sein geliebtes Jackett, und er würde sich komplett fühlen.

      »Arschloch! Ich wußte es!« Die Augen des Krüppels glühten vor Haß, als er wieder und wieder an seinen Binden zerrte. »Dafür läßt du mir aber außerdem ein paar Fluppen da! Oder?« wimmerte Hildesheimer schließlich.

      »Paß auf, ich steck dir eine an, du ziehst, und ich nehme dir das Ding ab und zu aus dem Mund.«

      »Los, mach schon! Zeig mir den Fusel! Wo bleibt der Glimmstengel?«

      »Erst die Kohle!«

      »Greif mir mal an die Brust! Halt, warte! Woher weiß ich, daß du mich nicht verkackeierst?«

      »Hier, damit du Ruhe gibst«, zischte Jablonski. Mit einem Ruck wuchtete er den Tisch hoch und drehte ihn so, daß Hildesheimer unter die Tischplatte gucken konnte. Mit zwei Lagen Klebeband war eine kleine Flasche Weizenjunge darunter befestigt.

      »Gib her, erst mal kosten!« geiferte Hildesheimer.

      Jablonski riß die Klebestreifen ab, entfernte den Blechdeckel und schnupperte an der Flasche. Der Test war positiv. Es ekelte ihn. Vorerst bin ich wohl geheilt! grinste er in sich hinein. Vier Wochen Entzug hatten ihn trockengelegt. Jetzt war er blank wie eine Kirchenmaus, und sein Jahresurlaub war zum Herrn. »Hier, riech mal!« amüsierte sich Eddie und hielt Hildesheimer das Gesöff unter die Nase.

      »Mann, Jablonski, nimm dir die Kohle


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