Sklavenjagd. Tomàs de Torres

Sklavenjagd - Tomàs de Torres


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der nun das Universum auszufüllen schien, und als es in sie eindrang, verwandelte es sich in ein zweites Universum, fremd und doch vertraut, das sich innerhalb ihres eigenen aufblähte, es beinahe vollständig ausfüllte, bis die beiden zu einer untrennbaren Einheit verschmolzen.

      Dolores wimmerte nun, ohne es zu bemerken. Ihr Atem kam stoßweise, keuchend, wie jener von Jorge. Doch ihr Freund existierte in diesen endlosen Augenblicken nicht mehr für sie, noch überhaupt sie selbst. Nur jenes einzige Universum, eingebettet ins unendliche Nichts, ins Nirwana, und pulsierend im ewigen Rhythmus von Tod und Wiedergeburt.

      Und dann kam die Erlösung, als ob sich die während der ganzen schrecklichen Nacht angestaute Anspannung kanalisiert hätte und nun in einen der gewaltigsten Orgasmen mündete, von denen Dolores’ Körper jemals erschüttert worden war. Wie ein Naturereignis, das zu erfahren einem Menschen nur wenige Male in seinem Leben vergönnt ist.

      Als Dolores die Augen wieder aufschlug, lag Jorge neben ihr, ebenso erschöpft wie sie, und sie spürte seine Nässe zwischen ihren Beinen. Sie richtete sich auf und kletterte vorsichtig aus dem Bett. Jorge gab ein leises Brummen von sich und drehte sich zur Wand; wahrscheinlich schlief er schon halb.

      Dolores duschte lange und gründlich, als könne sie damit nicht nur den Schweiß der Ekstase und Jorges Sperma abwaschen, sondern auch die Erinnerung an das unwirkliche Erlebnis zwischen den Felsen, die nach dem Nirwana der Ekstase zurückgekehrt war, unerbittlich wie ein Bluthund, der eine einmal aufgenommene Fährte niemals wieder verlor.

      Als sie fertig war, fischte sie sich ihr mitgebrachtes Nachthemd – ein züchtiges weißes Negligé, das beinahe bis an die Knie reichte – aus ihrem Köfferchen, das immer noch im Flur stand, wo sie es abgesetzt hatte. Dann ging sie in die Küche. Bereits als sie Málaga verlassen hatte, war sie hungrig gewesen, da sie nicht zu Abend gegessen hatte. Später dann hatte sie ihren Hunger vergessen, natürlich, doch nun kehrte er zurück, intensiv und fordernd. Sie öffnete den Kühlschrank, und obwohl sie den Anblick, den sein Inneres bot, in etwa erwartet hatte, konnte sie einen Laut der Enttäuschung nicht unterdrücken. Eine angebrochene Sechserpackung Cruzcampo sowie eine vollständige, eine halbe Flasche Orangensaft und eine 0,5-Liter-Flasche Wasser ohne Kohlensäure. Als sie die Bierdosen beiseite schob, stieß sie auf den Rest eines Apfels, der, seiner bräunlichen Verfärbung nach zu urteilen, bereits geraume Zeit hier lagern musste.

      Abendessen war also gestrichen.

      Sie seufzte und goss sich etwas Orangensaft in ein Glas, das sie dem Hängeschrank über der Spüle entnahm. Nach einem Blick auf seine Farbe schüttete sie ihn in den Ausguss und griff sich die Wasserflasche, die wenigstens ungeöffnet war. Sie ging in das Wohnzimmer, ohne das Licht anzuschalten, stellte sich an die Balkontür und sah durch die weitmaschigen weißen Stores hinaus. Es musste nun etwa zwei Uhr morgens sein, und die enge Straße lag beinahe vollständig im Dunkeln – ruhig, unbeschwert, friedlich. Als wären alle Menschen, alle bösen Gedanken und Taten, alle Gewalt mit einem Mal verschwunden, hätten sich in nichts aufgelöst und lediglich die bittere Erinnerung daran zurückgelassen … Doch diese Erinnerung verschwand nicht, oh nein, sie war im Gegenteil lebendiger als je zuvor. Das kreidige Antlitz, das unvermittelt vor dem Saxo entstanden war, das Geräusch des Zusammenpralls und brechender Knochen, das Bild des hingestreckten Mannes … Und dann, jählings im kalten Scheinwerferlicht auftauchend wie ein Dämon aus der Hölle, wie eine indische Todesgöttin, die nackte blonde Frau mit den gefesselten Händen – und die schwere Eisenkugel, die auf den Kopf des schwarzgekleideten Mannes niederfuhr wie der Hammer Thors, wieder und wieder …

       Es war die dritte Jagd!

      Wie Dolores es auch drehte und wendete, es ergab keinen Sinn. Weder der Unfall noch der bizarre Mord, und schon gar nicht die unverhüllte Drohung des Polizisten, sie solle schleunigst alles vergessen, was sie gesehen habe.

      Mit aller Gewalt zwang sie sich, diese Angst einflößenden Gedanken zu verdrängen, und suchte nach einem anderen Objekt für ihre Überlegungen. Es war nicht schwer zu finden.

      Jorge.

      Es war nicht zu leugnen, dass sie bereits nach den ersten, stürmischen Wochen begonnen hatten, sich langsam, aber stetig auseinanderzuleben. Dolores hatte zunehmend das Gefühl, dass Jorge sie nur ausnutzte. Sein Erfolg als Bühnenschauspieler war allenfalls mäßig; der Beruf brachte ihm nicht einmal genug Geld zum Leben ein, weshalb er nur eine Woche nach Beginn ihrer Beziehung bei Dolores eingezogen war. Seither kam sie, deren Gehalt ohnehin nicht gerade üppig war, für seinen Unterhalt auf.

      Doch auch sie brauchte ihn, wenn auch auf eine andere Weise, als es umgekehrt der Fall war. Sie brauchte jemanden, an den sie sich anlehnen konnte, der ihr Halt gab – der ihr ihren Platz im Leben zuwies. Auch wenn Jorge nicht gerade ein starker Pfeiler war von jener Art, die das Gewölbe einer Kathedrale trug, sondern eher die brüchige, wurmzerfressene Strebe eines halb verfallenen Hauses, das der nächste größere Windstoß umwerfen konnte. Nach Teresas Ansicht hätte sie diese Beziehung schon längst beenden sollen, aber sie brachte es einfach nicht fertig; von der Verlustangst abgesehen, fürchtete sie sich vor dem finalen Streit, vor der letzten, hässlichen Szene, Jorges großem Auftritt, in dem er den gekränkten Liebhaber geben würde, den Verlassenen, Verratenen.

      Alles, so ihre Überzeugung, war besser, als diese Szene erleben zu müssen.

      Eine Polizeisirene, entfernt, aber sich rasch nähernd, unterbrach ihre Überlegungen. Das Bild der blutigen Masse, die einstmals der Kopf eines fühlenden und denkenden Menschen gewesen war, stand mit einem Mal wieder vor ihrem inneren Auge. Unwillkürlich verkrampfte sie sich, Atem und Herzschlag schienen auszusetzen, bis sich das so unheilverkündende, an- und abschwellende Geräusch wieder in der Ferne verlor.

      Irgendwann, sehr viel später, ging sie zurück ins Schlafzimmer, legte sich neben dem regelmäßig und tief atmenden Jorge ins Bett und schlief allen Widernissen zum Trotz bereits nach wenigen Minuten ein.

      III

      Als Dolores erwachte, war es beinahe halb zehn, und der Duft von Kaffee und frischen Hörnchen schwebte in der Luft. Jorge hatte bereits eingekauft und erwartete sie in der Küche. Er winkte ihr fröhlich entgegen, als sie, noch im Nachthemd und mit verschlafenen Augen, aus dem Schlafzimmer stolperte.

      Es wurde das harmonischste Frühstück seit Monaten. Jorge schien wie ausgewechselt, schien ein völlig anderer Mensch zu sein als der, der sie am vorangegangenen Abend so barsch empfangen hatte. Dolores bemühte sich, alles zu tun, um ihn in dieser selten gelösten Stimmung zu halten, denn so liebte sie ihn – solche Momente ließen sie allen Unwillen, alle seine Fehler vergessen. Ein Gefühl freudiger Erwartung durchströmte sie; sie fühlte sich beschwingt, beinahe glücklich. Vielleicht würde dieser Tag in einem romantischen Abend zu zweit ausklingen, nach einer erfolgreichen Premiere, in einem der gemütlichen kleinen Restaurants, von denen es so viele gab in diesem Städtchen. Bei diesem Gedanken fiel ihr ein, dass sie sich in der Nacht gar nicht nach dem Verlauf der Generalprobe erkundigt hatte, und sie holte dies nun nach, um ihm zu zeigen, dass seine Arbeit ihr nicht gleichgültig war.

      Doch kaum hatte sie die Frage ausgesprochen, wünschte sie sich, sie hätte es nicht getan. Jorges Mundwinkel fielen herab, und sein Gesicht wurde düster.

      »Geht so«, knurrte er.

      Krampfhaft, beinahe verzweifelt suchte Dolores nach einem anderen Thema. »Bleibst du noch lange hier in Antequera?«, fragte sie schließlich.

      Er zuckte mit den Schultern, ohne sie dabei anzusehen. »Zwei oder drei Wochen, wenn das Stück nicht vorher abgesetzt wird.« Endlich blickte er auf. »Wann fährst du nach Málaga zurück? Montag früh?«

      Dolores überlegte fieberhaft. Darüber hatte sie sich noch keine Gedanken gemacht. Sie erinnerte sich an die verbeulte Front des Saxo; sie hatte immer noch keine Gelegenheit gehabt, sich den Schaden bei Tageslicht anzusehen. Nein, Montag früh herrschte für ihren Geschmack zu viel Verkehr. Am Sonntagmorgen hingegen war so gut wie nichts los, nicht einmal auf der Autobahn.

      »Ich dachte an morgen früh«, antwortete sie schließlich zögernd, wohl wissend, dass Jorge darüber wahrscheinlich alles andere als glücklich sein würde.

      Doch


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