Unbestreitbare Wahrheit. Mike Tyson

Unbestreitbare Wahrheit - Mike  Tyson


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Cayton mir einen Maulkorb zu verpassen. Sie stellten Steve Lott dazu ab, mir vorzugeben, was ich nach einem Kampf zu sagen hatte. Jimmy feuerte sogar ihren PR-Typen, weil er dieses Zitat durch den Äther geschickt hatte. Kurz nach diesem Kampf lud Jimmy ein paar handverlesene Reporter zu einem Abendessen mit uns ein. Ed Schuyler von Associated Press kam und meinte, Cayton und Jimmy versuchten mir verzweifelt einen Titel zu verschaffen, ehe ich mich in echte Schwierigkeiten bringen würde. Aber es war gar nicht so. Sie wollten einfach möglichst viel Geld einsacken. Für meine Mission hatten sie keinerlei Respekt übrig.

      Cayton und die anderen versuchten, die Zeit, in der ich in Brooklyn aufgewachsen war, auszulöschen und mir ein positives Image zu verpassen. Cus war klar gewesen, dass so etwas Blödsinn war. Sie versuchten, mein wahres Ich zu unterdrücken und mich ihnen anzupassen. Aber ich wollte, dass die Leute sahen, was für ein brutaler Kerl ich war.

      Nach dem Sieg über Ferguson war feiern angesagt. In dieser Zeit trank ich ziemlich viel Alkohol, zwar nicht im Training, aber kaum war der Kampf vorüber, war Selbstzerstörung angesagt. Als ausgewachsener Alki trank ich allerdings immer abseits der Medienscheinwerfer in der Stadt. Gefeiert wurde in Albany, im September’s, der Bar eines Freundes, die mir sehr vertraut war. Hier verkehrten Leute aus New York, Boston oder L.A., die aus beruflichen Gründen da waren, sich wie große Tiere aufspielten und meinten, sie könnten uns als kleine Provinzler abtun. Aber den Scheiß prügelten wir aus ihnen heraus. Ich selbst hielt mich zurück, weil ich nicht verklagt werden wollte, ließ aber andere für mich prügeln, indem ich sie auf blödsinnige Art anstachelte: „Verpass diesem Wichser einen Tritt. Was meint der denn, wer er ist?“ An diesen Auswärtigen hielten wir uns gerne schadlos.

      Mein nächster Kampf fand am 10. März im Nassau Coliseum gegen Steve Zouski statt. Zouski war noch in keinem Kampf zu Boden gegangen, aber ich traf ihn in der dritten Runde mit mehreren Aufwärtshaken und schlug ihn k.o. Ich selbst war von meiner Leistung allerdings eher unbeeindruckt. Zum einen war ich bei Camille im Taubenstall von einer Leiter gestürzt und hatte mir einen Riss in der Ohrmuschel zugezogen. Zouski hatte mein Ohr mehrfach getroffen, sodass es anschwoll und meinen Gleichgewichtssinn beeinträchtigte. Im Interview nach dem Kampf erwähnte ich auch noch andere Sorgen.

      „Ich war mit meiner Leistung nicht zufrieden“, sagte ich Randy Gordon, der den Kampf angesagt hatte. „Ich muss mit einer Menge persönlicher Probleme fertigwerden.“

      Cayton teilte der Presse später mit, ich habe Schwierigkeiten mit einer „Freundin“, was aber absurd war, weil ich damals gar keine hatte. Ich war vielmehr schlicht deprimiert, weil so viele meiner Freunde in Brownsville umgebracht wurden. Es war barbarisch. Wegen Geld brachten Freunde andere Freunde um.

      Nach dem Kampf entdeckte einer der Offiziellen die riesige Schwellung an meinem Ohr. Jimmy ließ mich deswegen von einem Facharzt untersuchen, und der stellte fest, dass sich mein Knorpel schwer infiziert hatte. Er schickte mich sofort zur weiteren Untersuchung ins Mount Sinai an der Upper East Side. Er befürchtete, dass ich das Ohr verlieren könnte, wenn es nicht behandelt würde. Zehn Tage hielt man mich im Krankenhaus fest. Zweimal am Tag wurde ich in die Hochdruckkammer gesteckt und bekam Antibiotika gespritzt.

      Die Ärzte im Mount Sinai meinten, es täte mir gut, wenn ich an die frische Luft ginge. Deshalb holten mich jeden Tag um 15 Uhr nach der zweiten Behandlung Tom Patti und Duran, ein guter Freund aus der Kindheit, in einer Limousine ab und fuhren mit mir zum Times Square. Wir trieben uns herum, machten Fotos mit den Nutten und diesen Typen, die Touristen Pythons um den Hals hängten, Bilder schossen und sie ihnen verkauften. Mit einem Mordsspaß feierten wir die halbe Nacht durch. Wenn ich gegen 4 Uhr wieder im Krankenhaus einlief, flippten die Schwestern schier aus. „Das ist hier kein Hotel, sondern eine Klinik.“ Und als ich den Ärzten das Foto mit mir und der Nutte und der Python um den Hals zeigte, drehten die auch noch durch. „Es war nicht die Rede davon, dass sie die ganze Nacht wegbleiben sollen. Sie sollten hinausgehen, sich in den Central Park setzen, die Vögel und Eichhörnchen beobachten und frische Luft schnappen.“

      Fast zwei Monate später trat ich im Norden des Bundesstaates gegen James Tillis an. Ich war nicht in bester Verfassung – wegen der Infektion am Ohr und weil ich viel zu viel getrunken und gefeiert hatte. Der Kampf dauerte zehn harte Runden. Danach war ich einfach nur froh, dass ich ihn für mich entschieden hatte. Ich schickte Tillis einmal zu Boden, weshalb sich die Waagschale zu meinen Gunsten neigte, aber er war der härteste Gegner, auf den ich bis dahin getroffen war. Er traf mich am Körper mit so schweren Schlägen, dass ich nach dem Fight nicht mehr gehen konnte. Ich konnte nicht einmal mehr nach Hause fahren und musste im Hotel bleiben. In dieser Nacht erfuhr ich, was es wirklich heißt zu kämpfen. Mehrmals hatte ich mir sehnlichst gewünscht, zu Boden zu gehen, nur um ein bisschen verschnaufen zu können. Stattdessen umklammerte ich ihn immer wieder, um zu Atem zu kommen.

      Am nächsten Tag schaltete Jimmy in den Beschwichtigungsmodus. Er teilte der Presse mit, der „Kampf war nur eine Hürde für ihn. Jetzt sehen wir, dass er die volle Distanz schafft“. Er verstand es meisterhaft, die Presse zu manipulieren, ganz zu schweigen von der Öffentlichkeit. Er und Cayton heckten eine bis dahin nie dagewesene PR-Kampagne aus. Kein Schauspieler auf der Welt hat je so eine Presse bekommen. Das machen heute alle so, aber damals waren sie echte Innovatoren.

      Knapp drei Wochen später trat ich im Madison Square Garden gegen Mitch Green an. Er war wirklich ein verrückter Scheißkerl. Vor dem Kampf versuchte er sich bei mir ins Bewusstsein zu bringen, indem er der Daily News mitteilte, dass ich erst 19 sei, aber wie 40 aussehe. Als Marv Albert mich fragte, ob mich Green wütend gemacht habe, sagte ich: „Mitch Green ist ein guter Kämpfer, aber rhetorisch hat er nicht das Kaliber, um mich aus der Ruhe zu bringen, also gar nicht.“

      Es war mein erster Kampf im Rahmen meines neuen HBO-Vertrags, den Jimmy und Cayton ausgehandelt hatten. Und es war ein Kick, zum ersten Mal in der großen Arena des Madison Square Garden zu boxen. Mein Interview auf HBO vor dem Kampf ließ diesen Schluss allerdings nicht zu. Als man mich fragte, ob ich diese ganze neuerliche Aufmerksamkeit und den Wohlstand genießen würde, wurde ich unwirsch: „Die Leute würden sicher nicht mit mir tauschen wollen“, sagte ich. „Wow, so viel Geld kann man damit verdienen“, meinten sie. „Aber wenn sie durchmachen müssten, was ich durchmache, kämen ihnen die Tränen. Es ist richtig deprimierend. Alle wollen was. So erbittert, wie man in der Trainingshalle arbeitet, so erbittert arbeiten die Leute daran, einen auszunehmen.“ Man hörte Cus aus mir reden. Ich hätte eigentlich aufgekratzter sein müssen, denn ich bestritt meinen ersten Hauptkampf im Garden. Und Green war damals ein hochangesehener Kämpfer. Er war vierfacher Golden Gloves Champion, der in seiner Laufbahn nie besiegt worden war, bis er 1985 den Entscheidungskampf für den USBA-Titel an Trevor Berbick verlor. Dass ich ihn schlagen würde, wusste ich allerdings schon, als wir in den Ring einzogen. Ich spürte bei ihm keinerlei bedrohliche Ausstrahlung. Der Kampf ging über die volle Distanz, was aber okay war. Nach dem Fight gegen Tillis sollte ich zehn Runden bequemer überstehen können. Weil ich wusste, dass er mich nicht verletzen konnte, arbeitete ich an meiner Ausdauer. Ich entschied jede Runde für mich – in einem Kampf, der alles andere als langweilig war. Irgendwann schlug ich ihm den Mundschutz und eine Brücke mit mehreren Zähnen aus dem Mund. Er kassierte zahlreiche Strafpunkte. Ich war so locker, dass ich Kevin zwischen der achten und der neunten Runde, als er dauernd auf mich einschwatzte und mich anhielt, mehr Schläge auszuteilen, ein Küsschen aufdrückte.

      Nach dem Kampf hatte ich zu meinem überheblichen Ego zurückgefunden:

      „Mit Verlaub: Diesen Kampf habe ich sehr leicht gewonnen. An diesem Ort schlägt mich keiner. Ich lasse nicht zu, dass mir jemand in die Quere kommt“, teilte ich der Presse mit.

      Meine nächste Zielscheibe war Reggie Gross. Dieser harte Kämpfer hieß „The Spoiler“, der Spielverderber, weil er einige gute Boxer aus der Fassung gebracht hatte, darunter Bert Cooper und Jimmy Clark, einen großen amerikanischen Olympia-Teilnehmer. Fast wäre der Kampf abgesagt worden, weil ich in der Woche eine schwere Bronchitis bekam. Die Bronchitis war sozusagen eine stetige Begleiterin in meinem Leben, an die ich mich längst gewöhnt hatte. Aber diesmal war der Fall so ernst, dass man mich am Tag vor dem Kampf zur Untersuchung zum Arzt brachte.

      „Ich fürchte, den Kampf werden Sie verschieben müssen. Er ist erheblich krank“, sagte der Arzt.

      „Kann


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